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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Editor]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 5.1908/​1909

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Haas, Ed.: Karl Schade
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https://doi.org/10.11588/diglit.53749#0108

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86

©W KARL SCHADE ?W3

KARL SCHADE
Von ED. HAAS
A Ile wahrhaft bedeutenden Geister haben ihre
ÖV Mission zu erfüllen und erfüllen sie in der
Tat früher oder später. Das Genie und das
Talent sind keine Zufälligkeiten im Reiche der
die Menschheit fördernden Kräfte, sie haben
einen Grund, zu sein, und können daher nie
im Dunkel begraben bleiben, denn wenn die
Menge nicht zu ihnen kommt, so wissen sie
zur Menge zu kommen. Das Genie gleicht
der Sonne: sie wird von aller Welt bemerkt
— das Talent dem Diamanten, der lange ver-
borgen bleiben kann, am Ende aber doch
immer von jemand entdeckt wird.
So Henry Murger in der Einleitung zu sei-
nem bekannten Buche »Die Boheme«. Ja,
und warum bleibt denn so mancher Diamant
oft lange verborgen? Weil er nach Murger

KARL SCHADE
Zu nebenstehendem Artikel

zur Klasse der unbekannten Boheme gehört,
zu der großen Familie armer Künstler, die vom
Verhängnis zum Inkognito verdammt sind, weil
sie nicht in die Öffentlichkeit zu dringen ver-
mögen, um ihre Existenz in der Kunst zu be-
kunden und durch das, was sie bereits sind,
zu zeigen, was sie dereinst werden könnten.
Es ist dies das Geschlecht der hartnäckigen
Träumer, für welche die Kunst Herzenssache,
kein Handwerk ist, Enthusiasten, Idealisten. . .
Zu dieser Klasse von Künstlern gehört auch
Karl Schade. 46 Jahre ist der Mann nun
alt, und doch sind wir kaum je in einer Kunst-
zeitschrift oder im Schaufenster einer Kunst-
handlung einer Reproduktion seiner Werke
begegnet. Freilich, wer so manchen Salon vor-
nehmer, besonders österreichischer Familien,
selbst bis in Fürstenkreise betreten könnte,
würde da zu seinem Erstaunen nicht wenige
Schades finden. Das ist nun einmal so seine
Art; um alles in der Welt kein Auf-
hebens, keinen Tamtam. Hübsch
bescheiden in einem stillen, trau-
lichen Winkel, und Meister Schade
ist’s zufrieden. Wie mancher ge-
schäftseifriger , wohlmeinender
Verleger mußte da wieder unver-
richteter Dinge abziehen — nichts
zu machen, Freund Schade gibt
nichts heraus. Für Dreifarben-
drucke und dergleichen ist er nicht
zu haben. Einem Einsiedler gleich
vergräbt er sich in irgend einem
gottverlassenen Nest, das aber
nicht Burghausen, Dachau oder
Worpswede heißt; am liebsten
wäre ihm überhaupt ein namen-
loses. Da sitzt er denn jahrelang
und malt und malt — Natur, nichts
als Natur. Die schönsten Fleck-
chen Erde nimmt er auf seiner
Leinwand mit; freilich nicht den
Golf von Neapel, nicht Venedig
oder Ragusa, nicht einmal ein
Stückchen Alpenwelt — nur einen
simplen Hohlweg, dessen schnee-
bepolsterte steile Hänge schüch-
tern das zarte, weiche Mondlicht
streift, einen mit Neuschnee be-
deckten Hügelrücken, hinter dem
ein kleines, liebes Bauernhäus-
chen vorwitzig seinen weißen
Dachgiebel hervorstreckt, in der
offenbaren Absicht, nach dem
eben anbrechenden Tag auszu-
schauen, der in seinem schillern-
den Morgenduft so schön zu wer-
den verspricht. Blühende Kirsch-
 
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