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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 5.1908/​1909

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Schmidkunz, Hans [Mitarb.]: Ausstellung belgischer Kunst in Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.53749#0148

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AUSSTELLUNG BELGISCHER KUNST IN BERLIN

bis 1906), der besonders den neufranzösischen
Einfluß auf Belgien vermittelte ; den jetzt wohl
auch alsMalerzurGenügeanerkannten C. Meu-
nier (1831 —1905), dessen Arbeiterbilder bei
mehreren der Nachgenannten Gefolgschaft
finden; sodann F. Rops (1833 —1898). Die
so verschieden beantwortete Frage, ob dieser
Künstler als spekulativer Cyniker oder als
ernster Satiriker zu verstehen ist, kann wenig-
stens diesmal eine günstige Antwort finden.
Zwar seine Graphik »Ein Begräbnis im Wal-
lonischen« ehrt ihn wenig. Sonst aber be-
stätigt sich Lemonniers Kennzeichnung: »il
celebra la liturgie du peche en casuiste en-
sorcele bien plus qu’en adepte des saturnales.«
Von seinen das religiöse Gebiet streifenden
Gemälden fehlt die schauerliche Versuchung
des heiligen Antonius (»C’est la glose des
desagregations morales d’un temps qui se sou-
met ä la Suprematie du principe feminin«).
Vorhanden ist der packend phantastische Satan,
der Unkraut sät. Im übrigen interessieren
besonders seine Virtuositäten der Radierung
(auch Weichfirnis und kalte Nadel); ein Licht-
druck nach »Les adieux d’Auteuil« ist von
ihm selbst gänzlich übermalt.
Wir begegnen weiterhin: K. E. Wauters
(geb. 1846), der nicht als Historiker, sondern
als Porträtist kommt und als solcher modernem
Geschmack wohl zu süßlich erscheint; E. Claus
(geb. 1849), als Pleinairist und Pointillist be-
kannt und hier durch Landschaften vertre-
ten, die wahrhaft überzeugend wirken ; F. van
Leemputten (geb. 1850), der statt seiner
Arbeiterbilder nur eine Landschaft bringt;
L. Frederic(geb. 1856), von dem hier ebenfalls
mehr sein zum Teil geschmackloser Pleinai-
rismus, als seine Charakteristik des Arbeiter-
lebens hervortritt, und dessen »Zum Schmucke
der Kirche« (Nonnen mit Kindern) Hervor-
hebung verdient; F. Khnopff (geb. 1858),
dessen vielberufene Mystik uns nicht abstößt;
H. Luyten (geb. 1859), der wiederum nur
durch ein Bildnis statt durch seine Arbeiter-
bilder vertreten ist; T. van Rysselberghe
(geb. 1862), von dessen gut impressionistischer
und pointillistischer Phantasiekraft das ein-
zig vorhandene Porträt nur dürftig spricht:
E. Liermans (geb. 1864), ein Armenmaler im
besten Sinne des Wortes, neben dessen »Fried-
licher Abendstimmung« »Der Blinde« und
»Der Betrunkene« auch durch eine eindrucks-
volle Flächenkunst hervorragen ; A. Bartsoen
(geb. 1866), hier wohl der Hauptzeuge für
die flämische Kunst stimmungsvoller Stadt-
bilder, neben dessen »Dämmerstunde in einem
flandrischen Städtchen« u. dgl. auch gute
Radierungen von seiner Kunst zeugen ; V. Gil-

soul (geb. 1867?), dessen anerkannte Land-
schaftskunst durch zwei Proben vertreten ist;
endlich den jung verstorbenen fruchtbaren
H. Evenepoel (1872—1900), von dessen
Pariser Szenen, an Manet und an Rops er-
innernd, Gemälde sowie Griffelwerke ausge-
stellt sind.
In weiteren Kreisen wohl noch unbekannt
sind zahlreiche, meist anscheinend ganz junge
Künstler. Die wohl eigenartigste Kunst der
diesmal zu sehenden Belgier, die Meisterschaft
in der verträumten Stimmung von Innen-
räumen, gipfelt vielleicht in den »Langsamen
Stunden« des (jüngeren) H. Courtens. Neben
vielen Landschaften, z. B. denen des bereits
länger vergangenen L. Artan (1837—1890)
Schule Tervueren), den Tierbildern des eben-
falls schon weit zurückreichenden A. Verwee
(1838—1895) und der uns gut auffallenden
Schneelandschaft des wohlangesehenen Aka-
demiedirektors von Namur T. Baron (1840 bis
1899) wirken trotz oder wegen naturfremder Be-
handlung eindrucksvoll: »Nächtliche Weihe«
von H. J. Heym ans (geb. 1839, ebenfalls Ter-
vueren), »Die Schule des Plato« von J. Del-
ville und das umfangreiche »Sacra sub ar-
bore« von C. Montald — eine im guten
Sinne dekorativ-malerische Schöpfung, die
zwei letzteren Werke jedoch beeinträchtigt
durch süßliche Körperfarben. Totentanzartig
sind ein Gemälde »Fasching« von C. Lam-
bert und besonders eine der beachtens-
werten Radierungen von J. Ensor.
Eigentlich Religiöses fehlt fast völlig. Als
äußerlichen Ersatz dafür haben wir (während
ein »Heiliger Georg« von M. Langaskens
nur im Kataloge, nicht in der Ausstellung
vorhanden ist) licht- und farbenreiche, zum
Teil sogar an Phantastik reiche Kirchenin-
terieurs u. dgl. von L. Gambier, W. V a e s
(ebenfalls mit guten Radierungen), A. Ver-
haeren und besonders von A. Delaunois,
dessen Zeichnungen und Radierungen auch
von einem tieferen Können zeugen. Die beiden
Smits (E. und J.) sind nicht mit den in-
timeren Kompositionen vertreten, die uns
wohl ein noch günstigeres Bild geben wür-
den, als es kleinere Genrestücke u. dgl. tun.
Im übrigen kehren mannigfaltige typische Ein-
drucksbilder von Landschaften, zumal aus dem
Hafenleben, wieder, auch bei Künstlern, die
n och meh r können, z. B.beiC. Merten s. Neben
einem gut auffallenden »Sommer« von G. Mo r-
zen und einen ebensolchen »Mondschein«
von J. Rossels (geb. 1828, Tervueren) bringt
z. B. E. Levert (1865 —1901) ein als »Akkord
auf Blau und Rot« bezeichnetes Interieur und
H. Thomas charakteristische Akte. Das
 
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