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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Editor]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 5.1908/​1909

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Fürst, Max: Historienmaler Ludwig Seitz
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https://doi.org/10.11588/diglit.53749#0198

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166

LUDWIG SEITZ MS®

Verhältnisse wußte Seitz in Loreto so geschickt
festzuhalten, daß Architektur und Malerei über-
aus harmonisch hier zusammenklingen. In den
Details dürfte freilich hierbei des Guten oft zu
viel geschehen sein. Die im Sinne eines Gen-
tile da Fabriano überreich gebrauchte Goldver-
brämung von Gewändern und Geräten, diese
zahllosen Baldachine, Türmchen, Säulchen
und Balustraden, welche die Bildergruppen
nicht nur auseinanderhalten, sondern diese
selbst vielfach durchziehen, dieses Filigran
schmückender Zutaten, drängen eine wün-
schenswerte, gemessene ruhige Wirkung hin
und wieder zu sehr in den Hintergrund. Durch
den Überfluß an Linien, an Gold und Farben
erscheint manch dargebotene, tiefempfundene,
mit Schönheit und Grazie gezeichnete Szene
in ihrer Vollkraft geschwächt und beeinträch-
tigt. Daß bei der immensen Zahl der Figuren
und Gruppen nicht alles auf gleicher Voll-
endungshöhe basiert, daß, wie auchP. A. Kuhn
in seiner Kunstgeschichte (III. Bd. S. 1335)
vermerkt, das nötigeNaturstudium nicht immer
zu seinen Rechten gelangte, kann nicht ver-
schwiegen bleiben. Erwägt man jedoch die
Ausdehnung der Gesamtaufgabe, sowie all
die technischen und sonstigen Schwierigkeiten,
die bei Herstellung von derartigen, auf hohen,
meist verdunkelnden Gerüsten sich vollziehen-
den Arbeiten sich ergeben, so wird man der
Seitzschen Schöpfung im Dome von Loreto
vollste Bewunderung niemals versagen. Das
»Laus Deo«, das der Künstler beim Schlüsse
unter eines der Bilder setzte, ist die deutliche
Bestätigung dessen, was er gewollt und auch
erreicht hat. Wie die zahlreichen Engelein
auf Gemälden alter Meister gleich jenen auf
den Seitzschen Loretofresken unermüdlich in
fröhlichem Himmelsjubel sich geben und be-
wegen, so wollte auch der fromme Meister
in leuchtenden Farbentönen sein vielgestalti-
ges Preislied zum Ruhme Mariens erklingen
lassen, getragen von dem beglückenden Ge-
fühle, zugleich der Dolmetsch all der Katholiken
zu sein, die aus Deutschlands Gauen der
gütigen Himmelskönigin ihre kindliche Ver-
ehrung hier entgegenbringen.
Noch einmal trat an den Künstler ein
weiterer großer Auftrag heran, indem er drei
Kapellen der berühmten Kirche des heiligen
Antonius zu Padua gleichfalls mit einem Fres-
kenkranze schmücken sollte. Die Arbeit wurde
aufgegriffen, aber nicht vollendet. Andere be-
rufliche Aufgaben, vor allem aber des Mei-
sters angegriffene Gesundheit minderten das
Tempo, in welchem Seitz in früheren Jahren

zu schaffen gewohnt war. Die Neuordnung
der päpstlichen Gemäldegalerie, die ihm be-
sonders am Herzen lag, rief ihn am 10. Sep-
tember von seiner Erholungsstätte in den
Albanerbergen nach dem Vatikan, wo er die
Transferierung von Raffaels letztem großem
Werke: »Transfiguration« noch umsichtig
leitete. Die letzten Blicke des pflichtgetreuen
Künstlers galten dem verklärten Vorgänge
auf der Höhe des Tabor — dann fuhr er
wieder nach seinem Bergasyl, um am näch-
sten Morgen dort zu sterben.
Die hohe Begeisterung für Rom und Italien,
die Ludwig Seitz von den Nazarenern als
Erbe überkommen und festgehalten hat, er-
scheint heute in Künstlerkreisen stark abge-
flaut. Der dem germanischen Wesen nun
einmal angeborene Wandertrieb lenkt das
Sehnen der modernen Maler mehr nach den
westlichen Ländern als nach italienischen alten
Kunst- und Kulturstätten. Dieses Abwenden
von einer seit den Tagen Albrecht Dürers
gepflogenen Tradition hat in unserer neueren
Kunstpflege gewaltige Wandelungen hervor-
gerufen und zahlreiche Erzeugnisse gebracht,
die dem deutschen Eigenwesen bisher nur
selten jenen konkreten Ausdruck zu leihen
vermochten, den deutsches Kunstschaffen seit
dem Auftreten der Renaissance bis zu den
letzteren Dezennien des 19. Jahrhunderts zum
Stempel hatte. Da die frühere deutsche und
italienische Kunst engste Fühlung unterhielt
und zudem sehr homogene Elemente auf-
wies, so war es leichter, in ihrem Zusammen-
wirken jenen klaren und auch volkstümlichen
Ausdruck zu finden, den unsere moderne
Malerei noch vielfach vermissen läßt. Dieser,
unter den neueren geistigen Evolutionen nun
fast völlig in die Brüche gegangenen innigen
Harmonie zwischen cis- und transalpiner
Kunst konnte Ludwig Seitz als einer ihrer
letzten hervorragenden Vertreter noch bis an
seinem Lebensabende ungetrübt sich erfreuen.
Indem der genannte Meister an der Grenz-
scheide zweier Kunstperioden uns entgegen-
tritt, steigert sich das Interesse für seine
Persönlichkeit ebenso wie für sein reichliches
Schaffen. Unter solchem Gesichtspunkte wird
uns Ludwig Seitz gewissermaßen zu einer
markanten kunstgeschichtlichen Gestalt, die
allseits Beachtung und Würdigung verdient,
die aber vor allem ein Anrecht besitzt, ein
ehrendes Dank- und Ruhmesblatt auch in
dieser, der christlichen Kunst gewidmeten
Zeitschrift zu erhalten.
 
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