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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 5.1908/​1909

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Haas, Eduard: Maximilian Liebwein
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https://doi.org/10.11588/diglit.53749#0267

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MAXIMILIAN LIEBENWEIN

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lang Scheffel und er ahmte ihn einmal in
einer Schularbeit aus Leibeskräften nach. Als
die Arbeit zurückkam, stand darunter: »Kaum
genügend!« »Scheffeln S’ nicht so! Hätten
Sie weniger gescheffelt, so hätten Sie eine
bessere Note bekommen. Nachahmung frem-
der Art ist immer schimpflich, verfehlt und
unwürdig. Goethe sagt: das höchste Glück
ist die Persönlichkeit!« Diese Korrektur —
sie kam von seinem Lieblingslehrer, dem hoch-
gebildeten und hochgesinnten P. Hugo, den
er wie einen Vater verehrte — merkte sich
der Jüngling für sein ganzes Leben. Wer
weiß, ob wir nicht diesem »Zwischenfall«,
diesem simplen Schüleraufsatz gerade den
Liebenwein verdanken, den wir heute als
kraftvolle, eigenartige künstlerische Persönlich-
keit so hoch schätzen. Sagt er doch selber
einmal: Von jener Korrektur gelten für mich
die Verse Liliencrons:
»Schwamm ich viele Jahre lang
Steuerlos im Leben,
Hat mir heut’ der scharfe Gang
Wink und Ziel gegeben!«
In seinen Ölstudien, Skizzen und Zeich-
nungen, wie auch in seinen fertigen Arbeiten

verleugnet Liebenwein keineswegs seine Ab-
stammung. Jedoch — und das ist charakte-
ristisch für ihn — nicht wie zahllose andere
Zügelschüler wird er ein blinder Verehrer,
ein gedankenloser Kopierer seines Meisters;
o ja, auch er weiß die seltene markante Eigenart
des bedeutenden Impressionisten zu schätzen;
ihm aber dient, was er hier gelernt, wie dies
ja bei selbständigen Naturen, bei wirklichen,
begabten Künstlern immer so ist und auch
so sein soll, als solides, sicheres Fundament,
auf dem er sich seinen eigenen höchst per-
sönlichen Kunsttempel aufbaut. Liebenwein
geht einen, ja mehrere Schritte weiter wie
Zügel. Ihn interessieren nicht nur Tierstudien,
sondern alle Gebiete der künstlerischen Be-
tätigung. Uber alles macht er sich her, Tier-
studien, Architektur-, Landschafts- und Figuren-
studien finden wir in seiner Mappe und sind
die Bilder noch so flüchtig hingeworfen, so-
fort erkennen wir in Liebenwein den flotten
Zeichner, bei dem jeder Strich sitzt wie der
wohlgezielte Hieb eines Fechters. Aber auch
schon in den Skizzen blinzelt uns, zwar nur
verstohlen, der große Farbensymphoniker
Liebenwein schelmisch an.
 
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