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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 5.1908/​1909

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Wolter, Franz: Die X. internationale Kunstausstellung in München 1909, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.53749#0383

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334 X. INTERNATIONALE KUNSTAUSSTELLUNG IN MÜNCHEN ^<3

finden selten diese Abgeklärtheit, diese Ruhe
und Sicherheit, wie hier. Es liegt in all den
Gebilden der Malerei etwas, man möchte sagen
Zeitloses, etwas, das nicht heute und morgen
gilt, sondern von dauerndem Werte im Wech-
sel der Zeiten und Moden ist. Mit einer Fülle
von neuen hervorragenden Schöpfungen hat
er das kleine, mit roten Teppichen ausgestat-
tete Gemach geschmückt. Kostbare Möbel
geben dem Gesamten einen behaglichen Ein-
druck. Vor allem aber erfreut in den letzten
Werken die Klarheit und Frische der in un-
mittelbarem Schaffen vor der Natur entstan-
denen Bildnisse, und in dieser Richtung hat
der rastlos wirkende Künstler wieder einen
weiten Schritt nach vorwärts getan. Als be-
sondere Anziehungspunkte sind einige Damen-
bildnisse zu nennen. Kaulbach ist ja der Schil-
deret des weiblichen Geschlechtes; wir nennen
hier eine Dame in Weiß, mit einem Früchten-

korb, eine sitzende weibliche Figur, welche
die Züge der Gattin des Meisters trägt, ein
weiteres Damenporträt in heller Gewandung.
Daneben kommen besonders die Bildnisseseiner
Kinder in Betracht. Der Künstler hat von
Jahr zu Jahr stets malerische Berichte über
die eigenen Sprößlinge gegeben und diesmal
von bedeutender künstlerischer Kraft. Hieher
gehört auch das Doppelbildnis der Prinzen
Luitpold und Albrecht von Bayern, die, in
helleuchtende Landschaft gestellt, in brüder-
licher Eintracht an dem vertraulichen Täub-
chen sich erfreuen, das der ältere der Brüder
auf der Hand trägt. In majestätisch feierlicher
Haltung, wie zum Opfertische schreitend, sehen
wir die Tänzerin Ruth St. Denis, dann wieder
ein kostbares Tulpenstück, Skizzen und Stu-
dien kleineren Formats oder eine farbenfreu-
dige Landschaft — kurz, eine Fülle des Er-
lesenen, die uns über die Welt des brutalen


THOMAS BUSCHER

PIETA

Ausstellung für christliche Kunst, Düsseldorf 190g

Alltags und nicht weniger der so
vielen brutalen Malerei zu einer
schöneren, idealeren erhebt. —Will
man ganz gerecht sein, so darf man
freilich den wichtigen Faktor nicht
unbeachtet lassen, daß Kaulbach
vor allen andern Ausstellern
ein gewaltiger Vorteil ein geräumt
wurde, indem er in der Lage war,
sich alle andern Kunstgenossen fern
zu halten, für seine Bilder die vor-
teilhafteste Beleuchtung einzurich-
ten, die Umgebung zu ihnen zu
stimmen und durch die elegante
Ausstattung seines Raumes die Be-
sucher und Besucherinnen, wenn
nicht zu hypnotisieren, so doch iq
eine gehobene Verfassung zu ver-
setzen.
In den Sälen der Münchner Künst-
ler- Genossenschaft mit Deutschland
treten wir dann auf schon realeren
Boden. Es herrscht viel Geschmack
vor, aber auch das Gegenteil. Das
kommt davon, daß, wie ebenfalls in
anderen Korporationen, eine per-
sönliche Freundschaft, Zugeneigt-
heit,kameradschaftliche Gesinnung,
endlich Zugehörigkeit zu einer
Gruppe, bis zur Verleugnung des
eigenen künstlerischen Gewissens
führt. Sind solche Faktoren für
weniger im Vordergrund des In-
teresses gelegene Säle entschuld-
bar, so wird gleich die Harmo-
nie dort gestört, wo zuerst das
redliche Bestreben bemerkbar war,
die Kunstwerke nach ihrem wirk-
 
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