Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Gartenkunst — 1.1899

DOI Artikel:
Jung, Hermann Robert: Der parkartige Friedhof
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.20975#0158

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
144 DIE GARTENKUNST I, 8

Zwecken soll in der Folgezeit das Priedhofsgelände dienen?
— Diese Frage ist nicht so leicht erledigt, zumal bei deren
Lösung oftmals verschiedene lokale Verhältnisse eine be-
stimmende Wirkung äufsern. Vorerst wird au s naheliegenden
Gründen ein solches Terrain wohl niemals zum Verkauf
gestellt werden, auch selbst dann nicht, wenn unbedingt
notwendig gewordene Verkehrsstrafsen dasselbe durchzogen
haben. Es bleibt also kein anderer Ausweg, als einen
regelmäfsig angelegten Friedhof nach und nach zu einer
Parkanlage umzuwandeln, eine Aufgabe, die für ein Gemein-
wesen in jeder Beziehung als eine segensreiche zu be-
trachten ist, insonderheit der Bevölkerung engbebauter
Stadtteile derzeitig noch viel zu wenig Erholungsplätze
inmitten von Licht, Luft und Bäumen dargebracht sind.

Allein von irgend einer Inangriffnahme gärtnerischer
Umänderungen kann auf dem Friedhofsgelände so lange
keine Rede sein, bis nicht die in Nord- wie in Süddeutsch-
land durch Gesetz vorgeschriebene (mindestens) fünfzehn-
jährige Verwesungsfrist der allgemeinen Begräbnisfelder
abgelaufen ist. Unsere bisherigen regelmäfsigen Friedhöfe
sind nun fast immer derartig gestaltet, dafs sich längst
der Hauptwege beiderseitig die Familiengräber, oder soge-
nannte Gräber I. Klasse, geziert mit wertvollem bildnerischem
Schmuck, befinden. Die Besitztitel solcher Grabstätten
sind zum mindesten auf die Dauer von 30 Jahren rechts-
gültig erworben, können somit während dieser Zeit nicht
zur Dislokation gelangen, auch mufs ein Zugangsweg zur
Grabstelle erhalten bleiben. Weitaus bindender gestalten
sich jedoch die Rechtsverhältnisse, wenn eine solche Grab-
stätte (wie dies häufig vorkommt) durch eine an die Behörde
bei Lebzeiten geleistete, oder derselben testamentarisch
überwiesene und von letzterer acceptierte Kauf- oder Ver-
mächtnissumme für „ewige Zeiten" erworben worden ist.
Eine Verlegung dieser Grabstätte nach einem anderen neu-
geschaffenen Friedhofe ist so lange fraglich, als noch erb-
berechtigte Nachkommen des Verstorbenen vorhanden sind,
die zu vorerwähnter Umlegung ihre Einwilligung versagen.

Die eben geschilderten, meines Wissens mit mehr oder
weniger grofsen Abweichungen wohl in ganz Deutschland
auf den Friedhöfen zu Recht bestehenden Eigentumsver-
hältnisse haben wohl zur Genüge dargethan, welch enorme»
vielleicht oftmals unüberwindliche Hindernisse der Umge-
staltung eines Friedhofes zur Parkanlage entgegen stehen.
Man vergegenwärtige sich z. B. die Schliefsung und Um-
gestaltung dos 170 Morgen umfassenden Friedhofes zu
Köln-Melaten oder des grofsen Centralfriedhofes zu Prank-
furt-Bornheim! Jahrzehnte lang werden diese Flächen un-
benutzt liegen bleiben müssen, Söhne und Enkel werden
pietätvoll der Stätte ihren Frieden wahren, ein neues
Geschlecht mufs heran wachsen, um solch ein Werk zu
vollbringen.

Somit ist die Heranziehung ehemaliger Friedhöfe zu
Gartenanlagen eine äufserst schwierige Aufgabe, die leichter
gestellt und ausgedacht, als in der Praxis ausgeführt ist;
dennoch ist die Lösung dieser Frage eine überaus zwingende,
insonderheit unsere Städte in ihrer Ausdehnung fortwährend
zunehmen und die derzeitigen Friedhöfe von Jahr zu Jahr
näher an das Weichbild der Stadt heran rücken, Obgleich

nun die Friedhöfe alljährlich dem Gemeinwesen durch
Verkauf von Grabstellen, Errichtung von Denkmalen, Neu-
anlage und Unterhaltung von Grabstellen u. s. w. nicht
unbeträchtliche Anlagekapitalsverzinsungen und finanzielle
Erlöse aufbringen, an denen auch die gewerbetreibende
Bürgerschaft teilnimmt, so ist doch eine mit erhöhter
Annehmlichkeit allen Teilen der Bevölkerung zukommende
Erschliefsung dieser Flächen mit allen zu Gebote stehenden
Mitteln und unter Beachtung weitgehender Gesichtspunkte
zu erstreben. Unsere Friedhöfe sind gleichsam ein Stück
Nationaleigentum, welch hohen Grundwert dasselbe repräsen-
tiert, zeigt die Statistik, welche nachweist, dafs in Deutsch-
land derzeitig nur allein von Städten über 100000 Ein-
wohnern mehr als 30000 Morgen Landes für Beerdigungs-
zwecke in Benutzung stehen.

Vom landschaftsgärtnerischen Standpunkte aus be-
trachtet, besitzen alle regelmäfsig angelegten Friedhöfe den
schwerwiegenden. Nachteil, dafs deren alte geradlinigen
Baumalleen für eine ev. Umgestaltung ein störendes
Hindernis bilden; wenn auch notgedrungen hier frei die
Axt schalten mufs, so wird doch der Charakter des von
Baumreihen durchzogenen Geländes trotz sachverständiger
Ausholzung und Neupflanzungen nicht gänzlich verwischt
werden können. Seit einigen Jahren hat der Name „park-
artiger Friedhof" viel von sich reden gemacht, in Wirklich-
keit ist man der Idealgestalt des landschaftlichen Friedhofes
um nichts näher gerückt und fahren wir derzeitig ihrer
Verwirklichung noch mit der Schneckenpost entgegen. Die
im Herbste 1897 ausgestellten Projekte für den Kieler
Friedhof (Eichhof) brachten verschiedentlich Neues, im
wesentlichen unterschieden sie sich von den regelmäfsig
angelegten Begräbnisplätzen nur durch die Kurvenlinie der
Wegeführung, im übrigen ist alles, Placierung der Kauf-
gräber und allgemeinen Begräbnisf'elder, sowie derPflanzungen
in althergebrachter Weise beibehalten; einzelne, inmitten
von Pflanzungen gelegte Familiengräber bezeugen einen
schwachen Nachahmungsversuch der auf dem Hamburg-
Ohlsdorfer Centralfriedhof üblichen Anordnung. Der Land-
schaftsgärtner kann diese Projekte nicht als zufrieden-
stellenden Fortschritt betrachten, — im regelmäfsig ange-
legten Friedhof wandern wir durch geradlinige, von Baum-
reihen eingefafste Gräberstrafson, die vorgenannten Ent-
würfe zeigen die Via Appia in geschwungener Linie, die
Architektur der Grabdenkmale, eingefafst vom Grün der
Cypressen, überschattet von Baumalleen, — dies alles be-
gleitet uns hier wie dort. Auch die allgemeinen Grabfelder
sind unseren Blicken nicht entrückt, sie dehnen sich in
trister Monotonie hinter den Kaufgräbern aus, vergeblich
sucht das Auge in diesem Friedhofe das Parkartige, wo-
runter doch nur das Hervortreten des landschaftlichen
Schmuckes, resp. das Verhüllen und Zurücktreten der Grab-
architektur und mit diesem zugleich alles dessen, was an
irdische Vergänglichkeit erinnert, gemeint sein kann. Die
Pflanzungen, jener wichtigste und ausschlaggebende Teil
des landschaftlichen Friedhofes sind in den Kieler Projekten
viel zu wenig in ihrer Ausgestaltung berücksichtigt worden,
von deren Wirkung bei der Darstellung eines das Auge
wohlthuend berührenden landschaftlichen Bildes kann bei
 
Annotationen