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Die Gartenkunst — 1.1899

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Jung, Hermann Robert: Der parkartige Friedhof
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https://doi.org/10.11588/diglit.20975#0159

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I, 8 DIE GARTENKUNST 145

deren Anordnung wohl kaum die Rede sein. Die praktische
Seite, insbesondere eine Rücksichtnahme auf die künftige
Umgestaltung des Friedhofs zur Parkanlage ist in den
Kieler Projekten nicht zum Ausdruck gelangt, der Verwirk-
lichung einer Umgestaltung hat man hingegen durch die
direkte Placierung der Kaufgräber an die Hauptwege die
gröfsten Hindernisse entgegengestellt. Wenngleich diese
Grabplätze mit Coniferen und Sträuchern umkleidet sind,
so wird doch dieser gärtnerische Schmuck als im Dienste
der Grabarchitektur stehend, weitaus mehr geeignet sein,
das Bestimmende des Friedhofscharakters zu erhöhen, als
zu verwischen.

Wie soll demnach ein parkartiger (landschaftlicher)
Friedhof gestaltet sein?

Die grofsartigsten Vorbilder zu derartigen Schöpfungen
hat bekanntlich unser Landsmann Strauch in Nordamerika
geschaffen, es sind dieselben (Spring-Grove bei Cincinnati,
Laurel-Hill bei Philadelphia, Woödlawn Friedhof bei New-
York, Cedar-Hill bei Hartford) vor Jahren durch F. Boden-
stedts') geistvolle Schilderungen in weiten Kreisen bekannt
geworden. Wir können diesen amerikanischen Friedhöfen,
die oftmals über 1000 Acres Fläche einnehmen, die zugleich
auch öffentliche Volksgärton geworden sind, unsere Be-
wunderung nicht versagen — allein, Europa kann diesem
Beispiel Nordamerikas aus Mangel an geeigneten billigen
Bodenflächen nicht folgen, für uns kann unter Berück-
sichtigung der bedeutend höheren und fortwährend steigen-
den Bodenpreise nur eine in bescheidensten Grenzen ge-
haltene Nachahmung erstrebenswert erscheinen.

Für den landschaftlichen Friedhof liegt der Schwer-
punkt seiner Gestaltung in der zweckentsprechenden Pla-
cierung der Begräbnisplätze: diese sollen dermafsen verteilt
sein, dafs ihre Jahrzehnte währende Benutzung ungehindert
erfolgen kann. Des Landschaftsgärtners Kunst jedoch liegt
in der vorteilhaften Projektion des Ganzen, in erster Linie
soll die Landschaft dominierend auf das Auge des Be-
schauers wirken, die Natur soll in weitem Mafse dem Auge
alles entziehen, was an die Stätte des Todes erinnert und
uns hierfür ein Bild des heiteren Friedens darbieten.

Bei diesem in ethischer und ästhetischer Beziehung
anzustrebenden Gepräge, welches in Hinblick auf die End-
bestimmung des Friedhofes zur Parkanlage sich auch von
der praktischen Seite empfiehlt, müssen selbstverständlich
schon bei den Herstellungsarbeiten andere Prinzipien, als
wie die bisher üblichen, zu Grunde liegen. Wie schon
erwähnt, sollen die Pflanzungen bestimmend auf das Ge-
samtbild wirken; die Pflanzungen sind hier aber neben-
bei noch insoweit Mittel zum Zweck, als sie nur zur Mas-
kierung dienen und in ihrer Innenfläche die Begräbnis-
felder aufnehmen. Von einem Heranlegen von Gräbern
irgend welcher Art unmittelbar an die Wegegronze ist
Abstand zu nehmen — anstatt die Wegekurve mit der
Grabarchitektur einzufassen, lasse man dichte Pflanzung
an dieselbe herantreten, welche nur an einzelnen Stellen
unterbrochen wird, wo sich Ausblicke auf schmale Rasen-
bahnen oder nach einem Aussichtspunkte bieten. Die Be-
stattungsplätze sind dermafsen zu arrangieren, dafs Familien-

*) Yergl.: Friedrich V.Bodenstedt: Vom Atlantischen zum Stillen Ocean.

gruften, Kaufgräber und allgemeine Begräbnisfelder stets
getrennt von einander liegen; für letztere ist eine möglichst
einheitliche Bepflanzung zu erstreben, wie z. B. für Kindor-
gräber mit Monatsrosen, für dio Gräber von Erwachsenen
wähle man (abwechselnd nach Grabfeldern) reichblühende
Straucharten, Pyramidenrosen, Taxus u.s.w. Familiengruften
und Kaufgräber suche man nicht in steiflinigen Reihen, son-
dern möglichst ungezwungen nach Art der amerikanischen
„Lot" inmitten heiterer Pflanzungen anzulegen.

Den Gesamtcharakter eines solchen Friedhofes wird
man nicht unrichtig als waldartig (dargestellt in verschie-
denen Phasen) bezeichnen; schon im Interesse einer mög-
lichst grofsen Ausnutzung der Bodenfläche können die sich
durch das Gelände ziehenden Rasenbahnen (Thäler, ähnlich
den Waldlichtungen) nur verhältnismäfsig schmal sein —
das ist jedoch kein Fehler, denn bei erforderlicher späterer
Umgestaltung steht deren Erweiterung nichts im Wege.
Vielleicht wird man diesen Friedhofsanlagen den Vorwurf
der Raumvergeudung und somit deren Unausführbarkeit
machen — dieser Tadel wäre ein unverdienter, der nur
unter gänzlicher Aufserachtlassung der später sich ergeben-
den Verhältnisse ausgesprochen werden kann. Bedenkt
man, dafs auf streng regelmäfsig angelegten Friedhöfen
nur (wie zahlenmäfsig festgestellt) 42 bis 46 Prozent der
Gesamtfläche als Grabstätte dienen, diese Ziffer aber auf
dem landschaftlichen Friedhof zwischen 38 bis 42 Prozent
schwankt, so kann es nicht schwer fallen, den besseren
Teii zu wählen. Auch ist es unrichtig, ein derartiges
Projekt mit der Motivierung abzuweisen, dafs es verfrüht
sei, schon heute durch landschaftliche Schöpfungen für
die Annehmlichkeit unserer Enkel zu sorgen. Bieten dann
nicht heute diejenigen Anlagen, welche vor einem halben
Jahrhundert erstanden, mit ihrem schattenspendenden Baum-
bestande uns gröfste Freude und Genufs?

Die Vorteile dieser Friedhofsgestaltung sind dem Fach-
mann dermafsen ins Auge fallend, dafs sie hier keines
weiteren Hervorhebens bedürfen. Der landschaftliche Fried-
hof ist erstrebenswert in ethischer, ästhetischer und volks-
wirtschaftlicher Beziehung. Die grünende, blühende Natur,
in der sich des ewigen Schöpfers Allgewalt und Weisheit
wiederspiegelt, sie allein vermag es, alle Bitternis und alles
Traurige von jener Stätte hinweg zu bannen, über welcher
geheimnisvoll dos Todes Fittiche rauschen, sie allein kann
unseren Geist in dem Streben nach allem Wahren, Schönen,
Guten dem Unvergänglichen entgegen geleiten.

Nachschrift. Von unseren Vereinsmitgliedern, Herrn
Inspektor Ibach und Obergärtner Nilgen, Köln-Melaten, ist
ein den obigen Ausführungen entsprechendes Projekt aus-
gearbeitet worden. Im Interesse der zur Diskussion ge-
stellten Frage wäre es angebracht, wenn dem Vereinsorgan
dieser mit Sorgfalt und Sachkenntnis dargestellte Entwurf
zur Verfügung gestellt würde.*) Der Verfasser.

*) Plan und Beschreibung dos erwähnten Projektes sind bereits ein-
getroffen und werden in einer der nächsten Nummern veröffentlicht
werden. . Die Red.
 
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