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Die Gartenkunst — 1.1899

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Klawun, Paul: Süddeutsche Streifzüge
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https://doi.org/10.11588/diglit.20975#0194

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DIE GARTENKUNST

bekränzten Burgmauern das Herz nicht höher schlagen. Hier
spürt man das Walton der Natur, erhaben über den
Schöpfungen des menschlichen Geistes, erhaben auch über
die Leistungen eines beneidenswerten Epigonengeschlechts,
das mit roher Hand aus sicherheitspolizeilichen Gründen
teilweise den Epheu von den Wänden gerissen oder den
verfallenen Mauern schwarze, hochragende, saubergeleckte
Schieferdächer aufzustülpen versucht, sich selbst ironisierend
mit keck aufgeflickten, grell weifsen Schornsteinen.

Wrie viele Städte, die in der Rheinebene gelegen, leidet
auch die badische Residenz Karlsruhe an einer gewissen
Monotonie, die man noch bestärkt hat durch schnurgerade
Strafsenanlagen, denen vielfach allerdings im Schlois-
turm ein nicht übler point de vue gegeben ist. Jedenfalls
ist hier der Schlofsbau in ganz anderer, geschmackvollerer
Weise hineingezogen in das Stadtbild, als es in Mannheim
der Fall ist. Der weite, nach der Stadt zu geöffnete
Schlofsplatz zeigt eine vornehme, im grofsen Stil gehaltene
gärtnerische Durchbildung, während der hintere, die Rück-
seite des. Schlosses umkränzende Teil liebliche Parkscenerien
enthält, die in reizvoller Weise eingreifen in den präch-
tigen Buchenbestand des angrenzenden Hardtwaldes. Die
städtischen Anlagen Karlsruhes sind in gut vornehmen
Traditionen erhalten; vor allem zeigt sich in vielen Strafsen
ein prächtiger alter Baumbestand, der der Stadt ein ehr-
würdiges, gediegenes Aussehen giebt. Man erkennt, dafs
in liebevoller Pflege seit langen Jahren danach gestrebt
wurde, behagliche und gemütliche Wrohnplätze in der badi-
schen Residenz zu schaffen. Der Erfolg dieses Strebens
zeigt sich in den eigenartigen, gediegenen Künstlervillen,
die hier die grofsen Meister Keller, Schönleber, Heer u. a.
sich geschaffen haben. Diese elegante Künstlerkolonie ist
vielleicht das Interessanteste, was das neuere Karlsruhe
aufzuweisen hat. Nur bleibt zu bedauern, dafs man
neben den kostbaren Palästen so wenig für den Garten
übrig liefs.

In diesem Punkte hätte man viel von dem nahe-
gelegenen Baden-Baden lernen können, wo das Terrain für
Gartenanlagen doch auch nicht gerade zu Schleuderpreisen
weggegeben wird. Dieser ganze, so überaus anmutige Ort
ist ein einziges grofses Gartenthal, durchrauscht von dem
emsig dahineilenden klaren Oosbache. Im Centrum gelegen
macht der grofse stattliche Kurpark den Eindruck, als hätte
man hier eine reizvolle, von der Natur geschaffene Wrald-
scenerie vorgefunden und das Vorhandene mit verständiger
Pietät ohne gekünstelte Effekthascherei weiter ausgebaut.
Keine farbenprächtigen Blumenparterres, keine gewaltigen
Fontänen, und doch, welch zauberhaftes Kleinod! Auch
die grofsen Hotelgärten und die behaglichen Villensitze,
die sich alle längs des Kurparkes, von diesem getrennt
durch die munter plätschernde Oos, angesiedelt haben,
weisen alle den gleichen, im Kurpark dominierenden, vor-
nehm gemessenen Gartengeschmack auf. Sind es im Oos-
thale die üppigen Laubgehölze, welche unsere Bewunderung
erregen und die in der Lichtenthaler Linden-Allee zu einer
weitgerühmten Pracht sich entwickelt haben, so bildet die
Coniferensammlung im hochgelegenen Schlofsgarten eine
Schatzkammer von wahren Musterexemplaren, deren Wirkung

sich vollends zu einem mystischen Zauber steigert, wenn
abends bei Sonnenuntergang die letzten goldenen Strahlen
schüchtern hineinspielen, während die starren Cypressen-
riesen tiefe Schatten auf den Rasenteppich legen.

Wenn man, von Baden-Baden kommend, in das Murg-
thal und hier stundenlang durch einen Naturpark wandert,
dessen grandiose Felsen- und Baumscenerien auf Schritt
und Tritt durch neue Effekte, neue Perspektiven das Auge
gefangen nehmen, dann wird der Abschied schwer aus
dem Schwarzwald, diesem echten deutschen Tannenwald
mit seinen köstlichen Rieselbächen, seinen idyllischen
Wasserfällen und schwollenden Rasenmatten. Schnell eilt
der Bahnzug dahin durch die stattlichen württembergischen
Obsthaine nach dem malerischen Stuttgart, das, allseitig
umkränzt von hochanstoigenden sonnigen Rebenwänden,
dem Neuling ein eigenartiges Bild einer Grofsstadt bietet.
Vom Bahnhof aus ist man mit wenigen Schritten mitten
im grofsen Schlofsplatz, dem eigentlichen Glanzpunkt dieser
Residenz. Allseitig umrahmt von stattlichen Palästen, ge-
schmückt mit einer gewaltigen Siegessäule, dem Herzog
Christoph-Denkmal und 2 prunkenden Brunnen, ist er ein
echt monumentaler Platz, der jedoch vornehmlich das Auge
des Architekten, nicht aber das des Gartenkiinstlers befrie-
digen wird. Dazu fehlt ihm jede Geschlossenheit im
Arrangement der Coniferen-, Palmen- und Blumengruppon.
Allerdings hat man wohl notgedrungen die vielen breiten
Wege um die Denkmäler und Blumen schaffen müssen, da
hier täglich um die Mittagstundo sich die grofse Flanier-
promenade entwickelt, wo die hoffnungsreiche Jugend
beiderlei Geschlechts den Klängen der Militärmusik lauscht
und vertrauensvolle Blicke tauscht. In solchen Momenten
schwindet jedes kritische Bedenken und nur der Zauber
frischpulsieronder Lebensfreude bleibt.

Im nahegelegenen Schlofsgarten fesselt eine prächtige
Platanenalloe, die allerdings durch die Parkmitte geführt
ist und so das langausgedehnte Terrain in zwei Hälfton
teilt, wodurch jede landschaftliche Perspektive unmöglich
wurde. Diese Allee verbindet die grofsen Wasserbassins •
mit einander, die mit reichem Figurenschmuck aus weifsem
Marmor geziert sind und das eigentlich belebende Element
des Gartons bilden. Einen Seitenteil des Schlofsgartens
nimmt der botanische Garten ein mit der monumentalen
Karl-Olgabank. Vor dieser stattlichen architektonischen An-
lage breitet sich ein Blumengarten aus, der in verschwen-
derischer Fülle mit Teppichbeeten, riesigen Gel anienbeeten,
Blattpflanzen und Palmen ausgestattet ist. Besonders her-
vorzuheben sind die Teppichboete, die wirklich hervor-
ragendes in der Zeichnung, wie namentlich auch in Bezug auf
effektvolle eigenartige Farbenzusammenstellung bieten. In
ähnlicher Weise reich ausgestattet ist der Stadtgarten. Im
übrigen besitzt Stuttgart nur wenige städtische Garten-
plätze von Bedeutung, da der Raum in dem engeingeschlosse-
nen Thal, das der städtischen Entwickelung ein nur sehr
begrenztes Feld bietet, wohl zu kostbar und vorzugsweise
für Zinshäuser in Anspruch genommen wird. Dagegen hat '
man hier sehr gut verstanden, reizvolle Brunnenanlagen in
das Strafsenbild hineinzustellen, von denen ich namentlich
den überaus gelungenen Galatheabrunnen erwähnen möchte,
 
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