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Heidelberger Anzeiger: unparteiische Tageszeitung für jedermann: Heidelberger Anzeiger: unparteiische Tageszeitung für jedermann — 1885

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Nr. 271 - Nr. 280 (19. November - 30. November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42544#0809

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Erſcheint tägli®, Sauutags anzge-

Aünmen, Preiß wonatlich 20 Pfa.

Mit den Sufirierten nuterhaltungs-

Ylatt 32 Wfg, — Wird in der gauzen

verteilt und au den Strahen-
sden augeliggen.

2—


Alle Zuſendungen werden franis
erbeten.

Für die Aufnahme von Anzeigen

an beftinmt vorgeſchriebenen Tagen

wird kelne Verantwortlichleit uber-
HOMMEN.

Yir. 274


Aerztlicher Verein
(medie. Sektion des naturhist. medie.

Vereins).

Sitzung: Dienstag, den 24, November,
abends 81 Uhr im
Hörsaale der Augenklinik.
Tages-Ordnung :

1) Dr. Stadelmann: Ueber die therapeu-

tische Wirkung des Antipyrin.
Prof. Erb: Bemerkungen über die
Methoden der quantitativen elektri-
„ Schen Untersuchung.
5) Einige Mitteilungen.
Der Ausschuss.

Der Turnrat.

Montag, den 23. November

1885.

Schlittschuh-Club.

Eingetretener Hindernisse halber findet die für Mittwoch ange-
kündigte Versammlung Donnerstag, den 26. November statt.

Das provisorische Comite,
Bekanntmachung.

_ AWir bringen hiermit wiederholt zur oͤffentlichen Kenntnis, daß der Beftätterei-Unternehmer der
hadiſchen Yahır, Herr G, Mauk, yerpflichtet iſt zu den gleichen Tarifjägen wi: die Abfuhr, ſe auch die Ber-
bringung der Eil⸗ und Frachtgüter von der Behauſung des Abſenders nach den Guͤter
hallen zu beſorgen. Die Anmeldekarten hiezu können entweder mittelſt unverſchloſſener in Brief-
form zufammengefalteter Zettel mit der Nuffehrift „Güter-Anmeldung für die Großh, Badſſche Bahn
dahter oder in Form von gedruckten Güter-Unmeldekarten in jeden beliebigen Poſtbriefkaſten der
Stabt unfranfkiert eingelegt werden.

Solche Aumeld larten ſind unentgeltlich zu beziehen in den G ſchäftslokalen der Herren
. B, Neuß. Georg Groebe. C. W, Rom. Georg Morr. Iulius Mayer. Wulh.
Bürkfle, X. Mahler (HGeumanlt) S, A. Thomas Nachf. Louis Frank, Jat. Sweitert.
Guſtav Fekuer, Joleph Staud Nacdhf. K, Wefter, Carl E, Otto. Chrift, Echwaͤrz-
bed, A, Broger, Nobert Krauth, Aus. Held. Narl Machler. . .
Schriftlidhe und mündliche Aufträge nehmen auch ale Bedienſteten der Güterbeſtätterei, ſowie

Heidelberg, den 14 Zult 1885,

Kranken-AUnterfühungs-Bund
der Schneider,
Dente abend 8 Uhr Beitrag-Erhebung.
Der Vorſtand.

NKapltaͤllen

3

IM größeren und kleineren Beträgen

* erſtes Unterpfand in Liegen-

Landgemeinden in Heidelberg,


; |Oeine dafelbft eingereidht werden.
Bekanntmachung.

Die Ortekrauten-
kaſſen betr.

etzen. ;


— der Ortskrankenkaſſen auch die
rwaltung der gemeinſamen Meldeſtelle
Erjelben zu übernehmen. Sein Amtslokal,
Uchts bis auf Weitere8 und vorausficht- !
I9 dauernd von ſeiten der Stadt unent- '
Seltlich geſtellt wird, befindet ſich im Nat- '

auſ

e und hat er die üblichen Bureau-

Die Beſoldung für
8 geſamten Dienſt· Liſtungen iſt auf
800 Mart feltgelebt.

R Bewerbungen um die fragliche Stelle,
* bis Freitag, den 27, d. Mts.,
A dem unterzeichneten Bürgermeiſteramte
Änzureichen.

Heidelberg, den 21, November 1885,
Burgermeiſter⸗Amt:

Sagelsdorff.

¶ Bekaunlmachun

Die diesjährige Volts

zählung bett.
Diejenigen Herren, welche das Amt
4* Zaͤhlers güligſt übernoinmen haben,
6* wir ergebenſt, behufs Empfang-

ünden einzuhalten.

Loͤſch

‘S Zählungsmaterial8 ſich gefälligſt Mitt-

* zwiſchen 4 und 6 Uhr im


t“Ollen.
Heidelberg den 21. November 1885.
Die Zählungs-Kommijfion :
Sagelsdorff.

NReu Dornröschen. Neu!

Hochfeines liebliches Odeur.
Echt dei Q, Yı Müller, Coiffeur, FiOmarkt,
meige Roſe.

das Fräaulein von Birkenweiler.

Roman von A, Lütetaburg.
¶¶9. Fortſetzung.)
ım.. Sr verbrachte den größten Teil des Tages
Webder auf ſeinem Zimmer oder draußen, Rur
4 Mittagseſfen nahmen die Gatten gemeinſam
aber da Helene mit der Dienerſchäft ſpeiſte,
traf ſie auch hier nicht mit dem Freiherri
e““\l_nen. Die Souvernante hielt aber nach
“QIE‘}Ölglxztg des Schulunterrichts ihre Aufgabe flr
%uf‘t und ſo blieb nur Lotta übrig, weldher Helenens
Qognefenbeit moͤglicherweife Hätte auffallen fönnen.
in Ia aber war einerfeits viel zu ſehr von ihrer Herrin
e Alpruch genommen, anderfeit3Z freute fie fich,
{n 11 das Kind den driüfenden HäusliHenBerhältniffen
R%“‘EI&)en e8 lebte, entronnen war und in Wald
Slur Zerftrenung Juchte und fand.
re So war e8 allo nicdt das, was Helene abhielt,
Aa Borfag zur Ausführung zu bringen, jondern
f ügene Sewifjen. Die alte Dame ſelbſt hatte
In ‚Sevarnt und verboten war e8 ihr nun einmal,
Park an der andern Seite des Schioffes zu
* Es waren ein paar qualvolle Tage für
* Kind. Auf der einen Seite die leidenfchaftliche
h„u“luä)'t nach dem Fräulein, deren Augen fie 10
8 Eriinnigen Mitleids, voll Teilnahme angeblict,
Qn Cr andern Seite die Furdht, den Menſchen
Qg Uber ein Unrecht zu begehen, die, {o Hart fie
ihr verfahren waren, dennoch für ihren
14 < Dalt Sorge trugen. Man Hatte Hr aud) mandher:
die Z Olimmes von dem alten Fräulein gefagt, Dinge,
' nicht glauben fonnte, aber —
elene fand keinen Ausweg, doch nach einigen
Wrerkannte fie, daß e8 doch- ein ftarfer Zug
Adey DEr ſie nach der Klauſe führen werde, früher
Das Verlangen nad) einem warmen,
X iuf)lenäen Menſchenherzen überwand ihr ſtrenges
und eines NachmittagsS ſtand fie mit
etn Wangen und fliegendem Athem an der
der Mlaufe, die Hereits von innen geöffnet

f






SE Kaug, Kettengaſſe 7, entgegen.
Güter Jerwaltung.

Todes⸗ Anzeige.

Stalt jeder beſonderen Anzeige mache ich Freunden und Bekannten
die Mitteilung, daß unſere liebe Tante

Frau Nargareſ rkeuvetger Witwe,

geb. ner
nach ſchwerem Leiden heute naͤcht verſchieden iſt.

Die trauernden Binterbliebenen
Noſa Kohl Witwe und Kinder.

Heidelberg, den 23. November 1885.
Die Beerdigung findıt morgen nachmittag halb 5 Uhr ſtatt.


Heute Montag, den 23. November

Konzert vom alten Heidelberger Orcheſter.

M. Zeiſe.

Bierbrauerei Krauß.

Heute Montag, den 23. November
Konzert vom Walhalla-Orchester.
Anfang S Uhr. Justus Kussol.
3 Grüner Baum. MI
Aünchener Schwaig Zräu,

vorzüglicher Stoff,
direki vom Fass.


Grosser Weihnachts-Ausverkauf
Damenkleiderfoffe, effi;;;län und Wintermüntel, -
fowie Mantelfoffe und einer großen Partie

Buzxkin-Refle
7 3zu ganz außergewöhnlich billigen Preiſen.

8 Zfffe — Sille *auet ——

Viefert in jeb ; G
— 25 Big. eingetroffen bei tefert in jebem Quantum, per Pfund 50 Pfg

inel. Verpackung
C. W, Rom.





Bekanntmachung.

Die am 1, Dezember 1885 vorzunehmende
Volkszählung betr.

Zufolge Beſchluſſes der deutſchen Reichs- und der Großh. bad. Staatsbehoͤrden
ſoll am Dienstag, den 1. Dezember d. J. im Großherzogtum eine
allgemeine Volkszählung ſtattfinden.

Die perſönliche Ausführung des Zählungs⸗Geſchaͤfts wird in hieſiger Stadt durch
gemeinnuͤtzig geſinnte Buͤrger bewirkt werden.

In den letzten Tagen dieſes Nonals wird jedem Haushaltungsvorſtande, ſowie
jedem Einzellebenden, welcher eine beſondere Wohnung inne hat, eine Zaͤhlungsliſte
zugeſtellt werden, welche am 1, Dezember vormittags in Gemaͤßheit der auf
derſelben befindlichen Anweiſung von dem Haushaltungsvorſtande gewiſſenhaft auszu-
füllen und an demſelben Tage nachmittags dem mit der Abholung und ſoſortigen
Prüfung beauftragten Zaͤhler einzuhaͤndigen iſt.

Wir richten an die Bewohner der Stadt unter Hinweiſung auf die wichtigen
Zwecke der Volkszählung die dringende Aufforderung, der genauen und vollſtändigen
Ausfüllung der ihnen zugeſtellten Zählungsliſten die größtmoͤgliche Sorgfalt zuzu-
wenden, auch den mit der Ausfuͤhrung des Zaͤhlungs-Geſchaͤfts beauftragten Herren
2 jede Auskunft zu erteilen, deren dieſelben zur Ausführung ihres Auftrages

edürfen.

Wie die Buͤrgerſchaft die Zaͤhlung bei den fruͤheren Volkszählungen durch freund-
liches Entgegenkommen weſentlich erleichtert hat, ſo duͤrfen wir wohl auch diesmal auf

Heidelberg, den 18. November 1885.
Die Zählungs-Commiſſion:

Ertra⸗Pfänder⸗Verſteigerung.
Mitiwoͤch, den 25. Nob. l. J.

nachmittags? Uhr
werden im Städtiſchen Leihhaus dahier die noch nicht erneuerten 3 Pfaͤnder

1 Kiſte mit 8 neuen Winter⸗Ueberziehern

und 5 Stoff⸗Anzügen,
1 ditto mit 25 „ ” *
1 ditto mit 50 „

2 p
„Winter⸗Ueberziehern
bffentlich gegen Baarzahlung verſteigert.
Die Anſtalt iſt vormittags geöffnet.
Heidelberg, den 21. November 1885.

Städtische Leihhaus-Verwaltung.
Herberge für weibliche Dienſtboten.

Wir bringen hiermit zur Kenntnis, daß wir mit der Herberge, „einen Er-

ziehungskurs verbunden haben, um unbeſcholtene junge Mädchen, in allen haͤus-
lichen Geſchaͤften Gausgeſchäfte, Zimmerarbeiten, Waſchen, Buͤgeln, Nähen, Ausbeſſern
* Wäſche, einfache Küchẽ u. f. f) zu unterrichten und zu tuͤchtigen Dienftboten heran-
ubilden.“
} Wir laden nun Eltern, Bormünder, ohne Untexrſchied der Konfeſſion,
ein, von dieſer Einrichtung Gebrauch zu mochen und iſt Naͤheres darüber, namentlich
Aufnahmsbedingungen, zu erfahren bei den Damen des Vorſtandes oder bei Dekan
Schellenberg⸗ Hauptſtraße 92,

Gefhäfts-Empfehlung.

Hierdurch erlaube mir, die ergebene Mitteilung zu machen, daß ich unterm
Heutigen meine
Ruchbinderei
verbunden mit Lager in allen Schreib⸗ und Zeichuenmaterialien erdffnet

habe. Durch Anſchaffung von Maͤſchinen neueſter Conftruktion, ſowie ſtilvollen
Breſſungen und Schriften aufs Trefflichſte eingerichtet, bin ich in den Stand geſetzt,

und 5

H
}

Ich werde bemüht ſein, die mir zukommenden Aufträge in beſter Arbeit und

Hochachtungaͤvollſt ergebenſt
Wilhelm Faas, Buchbinderei und Vergolde-Anſtalt,

dwigsplatz 6, vis-a-vis der Univerfität.

Geſchäfts⸗Eröffnung und Empfehlung.

Einem geehrten hieſigen und auswärtigen Vablikum zur Nachricht, daß ich
unterm heutigen in meinem Hauſe, Plöckſtraße 3, unweit der neuen Poſt eine

Ainds⸗ und Ichweine Aetzgerei
errichtet habe Es wird mein Beſtreden ſein, meine werten Kunden nur mit guter
und friſcher Ware zu bedienen.

Adam Lang, Metzger.

Geidelberg, den 23. November 1885

— — — — Jeb Lager in Bajjarı.
— denn Tante Karoline Hatte fie Fommen fehen. 1


in Srfahrung bringen.“ Tante Karoline wollte

Ein heller Freudenſchein flog über das Geſicht des
alten Fräuleins.

„Wilfommen in meiner Cinjamfkeit !” ſagte fie
herzlich das Kind mit beiden Händen in’s Innere
des unſcheinbaren Häuschens ziehend, Es war von
innen doch nicht fo klein und unanfjehnlich, wie e8
wohl von außen ſcheinen mochte, ſondern die alten
Möbel, mannigfache fMeine Kunfigegenfiände, Ge-
mülde, Statuetten, zahlreiche Bilder, Silhouetten, mit
buntfarbigen Blumen gejhmüct, alles dies Hätte
nicht anderS fein dürfen, ohne daß das Sanze an
Schönheit und Harmonie verloren Hätte, Helene mar
ſichtlich Üüberrajcht und abermals Hufchte ein Frenden:
ſtrahl über dasS alte Geſicht des Fränleins.

„Du wirft DihH einen Augenblick gedulden,
Helencden,“ fagte fie freundlidh, „wenn ich Deinen
Beſuch erwartet hätte wirde i früher Sorge


Halten ; ich fürdtete [MHor, die Freiherrin hHätte Didh
zurüdgehalten. Warum famjt Du nicht früher?“

HelenenS blafje Wangen röteten fich.

Ich fürchtete mich, ein Unrecht zu thıun,“ gab
fie aber offen und chelch zur Antwort,

„Und jeßt, fürchteft Du Dich denn jebt nicht
mehr?!

k Nein — ein Unrecht kann e& nicht fein, Die
Freiherrin hat mir manches verboten, das zu thun
nur Recht ſein kann.!

Biſt du davon Überzeugt?“ fragte die alte
Dame nicht ohne Beſorgnis

Mein Gewiſſen ſagt e& mir.“

Mochteſt Du mir nicht ein Beiſpiel anführen “

„5, da ift der Schmied unten im Dorfe; er
hat ein Bein gebrochen und ſeine Frau klagte ſo
jehr, daß fie nicht Brot hHat, Aber die Freiherrin
hat mir verboten den Kindern Butterbrot zu geben,
weil der Schnıted ſehr viel Branntwein getrunfen
hat und ich gebe der Meinen Anna, die immer ſo
ſehr hungrig ift, doch mein Abendbrot! Die Kinder
können doch wohl nichts dafılr, wenn der Vater
Branntwein trinkt.”

Kind.



ſeidenes Haar glättend, „aber derartiger ungehorſam
kann Dich in große Ungelegenheiten bringen. Das
darf nicht ſein Du wirſt Dein Abendbrot der
kleinen Anna nicht mehr geben, aber ich will in’s
Dorf ſchicken und für die Familie des Schmiedes
jorgen, bis der Mann wieder hergeſtellt ift. Es ift
nicht unmöglich, daß ihn das große Unglüc von
ſeinem Laſter befreit hHat.“

„D, wie ſchön iſt das!“ rief Helene jubelnd
aus, „SJh habe mich immer ſo fehr geängftigt,
daß eines der Kinder Hungers ſterben fönnte.“

„Was nun das Andere anbelanat, Helene,“
fuhr die alte Dame wehmütig fort, „Jo glaube ich
Dich davon freiſprechen zu fönnen, daß Du ein
Unrecht begehft, wenn Du zu mir kommſt! Mir
jcheint, als ob Du des Beiſtandes und der Hilfe
bedürfteſt als ob Dir eine Stüge von Nutzen wäre.
Wenn Du ſicher bift, daß Niemand in Erfahrung
bringt, daß Du zu mir Kommft, ſo fomme, {o oft
Dich Dein Herz Ddazu treibt und Du Über Recht
und Unrecdht im Unflaren bift, obwohl mir ſchehit
als habeſt ©u einen ſtarken zuverläſſigen Halt an
Deinem Gewiſſen.“

Wenige Augenblicle ſpäter reichte Tante Karoline
ihrem kleinen Gaſte eine duftende Taſſe Chocolade
mit Bisquit und dieſer ließ es ſich trefflich munden.
Helene war ein Kind und im Schloffe hatte man
e& niemals evachtet, ſie zu verwöühnen, damit auch
ihr Körper nicht andere Anſprüche erhebe, als eine
dienende Perſon zu machen berechtigt ift. Das alte
Fräulein ſah ihr mit großem VBergnügen zu und
unterbrach ſie nicht einmal mit einem Worte.

Dann aber, nachdem das Kind ſich erquickt,
hegann ſie zu fragen, behutſam und vorfichtig, um
ſich erſt mit der Grundlage der Erzichungsweiſe
bekannt zu machen, welche man bei Helene in An-
wendung gebracht. Nach Ablauf einer halben Stunde
wußte ſie Alles was ſie wiſſen wollte. Mochte
das Kind mun von einem Herfommen ſein, von

Geſchicklichkeit Helene jeden Punkt vermied, welcher

herrin hätte werfen können noch hatte ſie auch nur
mit einem Worte irgend etwas erwähnt, das wie
eine Klage oder eine Unzukriedenheit mit dem Schick-
ſale ausſah.

Und dennoch hatte das Kind gelitten furchtbar
gelitten. Es haͤtte dem alten Fräulein von ſeiner
ſchönen Mutter erzählt, die es ſo unſagbar lieb
gehabt und in Helenens Augen leuchteten Liebe und
Begeiſterung, indem ſie davon ſprach. Und von
dieſer Mutter war das Kind zu der Freiherrin von
Birken weiler gefommen, jener kalten höchmütigen
Frau die ja in ihrem grenzenloſen Egoismus die
eigenen Angehoͤrigen nicht geſchont Hatte und wie
viel weniger würde ſie Gefühl für dieſes zarte Kinder-
gemüt gehabt haben. Tante Karoline ſah jetzt voll-
ſtändig Mar ſie glaubte das ganze Gewebe zu
durchſchauen und war entſchloſſen noͤch einmal den
Kampf mit der verhaßten Frau ihres Neffen aufzu-
nehmen. Sie hatte es ſchon einmal gethan, offen
und ehrlich Damals mußte ſie unterliegen, heute
wollte ſie ihr Heil mit der Liſt verſuchen

„So und Du möchteſt alles das lernen, was
Margot lernt?“ fragte ſie endlich nach einer längeren
Pauſe. Du wirſt dann aber jehr, ſehr fleißig ſein
müſſen, mein Kind.“

D, ih würde ſehr fleißig ſein,“
Helene mit Thränen in den Augen.“

„Du wirſt manche Nachtſtunde zu Hilfe nehmen
müſſen dann könnte ich allerdings Deinen Wünſch
unterſtuͤtzen.!

Das Kind ſah leuchtenden Blickes zu der
Sprecherin empor.

„ D, gnäbdiges Fräulein —“ .

„Nenne mich Tante Karoline, Kind,“

„D, Tante Karoline, wenn es moͤglich wäre!
Aber die Freiherrin wird es nicht zugeben.“

entgegnete

„Die Freiherrin darf felbfiverftändlich nichts


noch irgend etwas Herbes hinzufügen, aber fie bejann
fi®. „Sie hat jedenfalls ihre befonderen Anfichten
über diefen Bunkt und glaubt Dir für die Zukunft
einen Dienſt zu erweifen, wenn ſie Dich von Dingen

ich Dir ſpaͤter dielleicht einmal ausSeinanderfege.
Für den Augenblick fomm e8 nur darauf an, ob
e8 Dir moͤglich ſein wird, alle Tage oder auch alle
paar Tage eine Stunde hei mir zu verbringen, wo ich
Dir zunächft den franzöſiſchen Unterricht erteilen und
Dein muſikaliſches Talent erproben will,“

Wie in einem Traum ging Helene nach den
Schloffe zurück, die Welt war ringsum vollſtändig
verändert. Nie hatte die Sonne ſo hell vom wolken-
loſen Himmel gelacht und nie war ſie ſelbſt o froh,
ſo überglüclidh geweſen! Ihre bleichen Wangen
färbte ein höheres Rot und ihre Augen ſtraͤhlten
vor Glück und Seligkeit! Sie war den Bergabhang
hinunter geſprungen! durch die ſchattigen fenchten
Syringengänge und mun wieder hinauf. Mit heller,
jubelnder Kehle ſchmetterte fie ein Lied in die Luft,
welches Margot wiederholt gefungen.

DohH plöglih ſtand fie ftill, das Blut Irat
raſch zu ihrem Herzen zurück und ſie ſah bleich
au8, wie der Tod, Indem fie eine Biegung des
Weges um{Hritt, ſtand ihr plötzlich die Freiherrin
wuibebend gegenüber und im nächſten Augenblicke
brannte ein heftiger Schlag auf des Kindes Wange.
Thränen entſtůrzten den Augen des erſchrockenen
Mädchens.

Elendes Geſchoͤpf — ſind das die Reſultate
meiner nachſichtigen Erziehung?“ kam es ziſchend
von den Lippen der wutbebenden Zrau. „Sinen
ſolchen Straßenlärm fuͤhrſt Du in den SGängen
des Parkes aus? Was werden die Leute denken?
So {tedt dennoch das fluchwurdige Komödiantenblut
in Deinen Adern? Warte, ich werde zu anderen
Mitteln greifen, Dich zur Raiſon zu bringen nie will
ich wieder einen ſolchen Ton von Deinen Lippen Yören,“

(Kortjegung folgt.)
 
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