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Heidelberger Volksblatt (70) — 1935 (Nr. 1-26)

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Nr. 1 - Nr. 10 (2. Januar - 12. Januar)
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Pfälzer Sole

Samstag, 5. Januar 1SZS

70. Jahrgang / Ar. 4

Der Empfang Lavals
mRsm

Roosevelt vor dem Kongreß
Die Iahresbotschast / Ein großes Programm sozialer Reformen

DNB. Washington, 4. Jan.
Präsident Roosevelt verlas am Freitag
mittag vor beiden Kammern des Kongresses, die
im Repräsentantenhaus zu einer gemeinsamen
Sitzung versammelt waren, seine Jahresbotschaft
über die Lage der Vereinigten Staaten. Sie be-
schäftigt sich fast ausschließlich mit dem großen
Programm der So z i a l r e fo r m e n, das
Roosevelt bereits im vorigen Jahre ankllndigte.
Im Einzelnen führte Roosevelt über die Refor-
men aus: Die Regierung und der Bundes-
kongreß haben vom amerikanischen Volk den
Auftrag erhalten, die alten Ungleichheiten weg-
zuräumen und den Zustand zu beseitigen, bei dem
wenige Reiche in privaten und öffentlichen Din-
gen allein zu befehlen hatten.
Wir wollen keine schematische Gleichmacherei
oder Verteilung des Nationalvermögens an alle
zu gleichen Teilen. Wir erkennen auch die Tat-
sache an, daß manche infolge größerer Fähig-
keiten mehr verdienen können als andere. Wir
wollen niemandem das Recht auf angemessenen
Gewinn für seine ehrliche Arbeit strittig machen,
aber jedermann hat einen Anspruch auf soziale
Sicherheit, und zwar nicht nur für sich, sondern
auch für seine Familie. Daher müssen:
1. die Bodenschätze zur Sicherung des Lebens-
unterhaltes besser ausgenutzt werden:

2. eine Sicherheit gegen Schicksalsschläge ge-
schaffen werden, und
3. eine anständige Behausung gewährleistet wer-
den.
Den infolge der nationalen Wirtschaftskrise
gestrandeten Amerikanern müssen wir Arbeit
geben. Ferner ist Sorge zu tragen für eins Ar-
beitslosenversicherung, für Alters-
renten, für die Wohlfahrt der Kinder, der
Mütter und der werdenden Mütter, für
Kranke und für Arbeitsunfähige. Es
ist, so fuhr Roosevelt fort, mein fester Entschluß,
daß die Bundesregierung mit der Unterstützung
der fünf Millionen Personen, die auf den Listen
der Bundeswohlfahrt stehen, mit Geld- und an-
deren Mitteln Schluß machen muß, da dadurch
diese Almosenempfänger die Achtung vor sich
selbst und den Willen zur Arbeit verlieren. Von j
diesen fünf Millionen müssen die 1,5 Millionen,
die früher von den Gemeinden betreut wurden,
wiederum in die Obhut ihrer Gemeinden ge-
nommen werden, soweit sie arbeitsunfähig sind.
Den Gemeinden wird die Bundesregierung durch
entsprechende Berücksichtigung in der sozialen
Gesetzgebung dabei helfen müssen. Für die übri-
gen 3^ Millionen, die durch die Wirtschafts-
krise ihre Stellungen verloren haben, muß die j
Bundesregierung Arbeit schaffen, und!

zwar Arbeit konstruktiver Natur, die möglichst
viel Handarbeiter beschäftigt und möglichst we-
nig mit privaten Unternehmungen in Wettbe-
werb steht. Dis Entlohnung bei diesen Arbeiten
muß höher sein als die bisherigen Almosen, sie
muh aber unter den von Privatbetrieben ge-
zahlten Löhnen liegen, damit nicht, wie im vori-
gen Jahre, Leute private Stellen aufgeben, um
auf Kosten des Bundes eine höhere Bezahlung
zu erhalten.
Roosevelt versicherte, daß dieses große Pro-
j gramm den Kredit der Vereinigten Staaten
nicht gefährden werde. Einzelheiten wolle er in
seiner Botschaft über den Bundeshaushalt, die
er am Montag bekanntgeben werde, mitteilen.
Die Außenpolitik streifte Roosevelt nur
ganz kurz. Er bedauerte, daß „die internationa-
! len Beziehungen sich nicht gebessert hätten und
! Vie alten Eifersüchteleien, sowie das Streben
nach Macht und Rüstung in mehr als einem
Land ihre häßlichen Köpfe erhöben." Hinsicht-
lich Amerika versicherte er der Nation und der
ganzen Welt, daß es mit keiner Nation andere
als friedliche Beziehungen suche. Er hoffe, so
schloß Roosevelt, daß die außerordentlichen
Rüstungen bald durch internationale Abmachun-
j gen über Beschränkung der Rüstungen einge-
i dämmt würden.

DNB. Rom, 4. Jan. Der französische Außen-
minister Laval ist in Begleitung seiner Locher
und einer Abordnung leitender Beamter LeS
Quai d'Orsay Freitag abend um 19 Uhr mit
dem Pariser Luxuszug in Rom eingetroffen. In
seiner Begleitung befand sich noch eine große An-
zahl französischer Sonderberichterstatter und
Filmoperateure. Zur Begrüßung hatten sich auf
dem festlich geschmückten Bahnhof zahlreiche hohe
Beamte des italienischen Außenministeriums, an
der Spitze der Chef der italienischen Regierung
und Außenminister Mussolini, der Staats-
sekretär des Auswärtigen, Suvich, und der
Kabinettsches im Außenamt, Baron Aloifi,
singefunden. Ferner waren erschienen der Gou-
verneur von Rom, der römische Platzkomman-
dant, die Präsidenten der Kammer und des Se-
nats sowie zahlreiche hohe Würdenträger der
Partei. Außerdem war eine starke Vertretung
der französischen Kolonie von Rom unter Füh-
rung des französischen Botschafters beim Quiri-
nal und Vatikan erschienen. Den Sicherheits-
dienst im Bahnhof und auf dem Bahnhofsplatz
versahen Carabinieri in Galauniform. Der ganz«
Weg vom Bahnbof bis zum Hotel war von Poli-
zei streng abgesperrt. Vor dem Hotel Lavals
war, wie am Bahnhof, eine große Menschen-
menge versammelt.
Der französische Außenminister Laval war«
nicht nach Rom gefahren, wenn die Vorverhand-
lungen nicht in letzter Stunde einen Punkt es-«
reicht hätten, von dem aus der Abschluß der Be-
sprechungen in Rom gesichert wurde- Er wollte
sich keinesfalls dem Risiko eines Scheiterns der
Verhandlungen aussetzen. Andererseits hat La-
val aber auch stets auf der Durchführung seiner
schon längst beabsichtigten Reise bestanden. Mirs
die Reise nicht zustande gekommen, fo wäre da«
durch der Eindruck erweckt worden, daß die
Schwierigkeiten zu groß sind, um zu einem Ab-
schluß der Besprechungen zu kommen, und diases
Eingeständnis wollte man auch wieder nicht
machen. Gleichzeitig mit dem Entschluß Lavals
nach Rom zu fahren, ist auch ein Vorabkommsn
zwischen Paris und Rom erreicht worden. Es
handelt sich um ein außerordentlich komplizier-
te« Paktsystem. Zuerst soll einmal die Unabhän-
gigkeit Oesterreichs gewährleistet werden und
zwar durch die Nachbarstaaten Oesterreichs, fer-
ner durch Frankreich, Rumänien und Polen.
Zweitens soll ein Erenzgarantiepakt abgeschlos--
sen m^Qen unter den Garanten der österreichi-
schen Unabhängigkeit. Besonders bedeutsam wird
hierbei die polnisch-tschechoslowakische Grenz-
garantie und die italienisch-südslawische Grenz-
garantie fein. Ferner sollen dis Wirtschaftsver-
träge, die im März zwischen Rom, Wien und
Budapest geschlossen wurden, auch auf Tschecho-
slowakei ausgedehnt werden- Der letzte Punkt
sind die rein französisch-italienischen Streitfragen
auf dem kolonialpolitischen Gebiet. In der aus-
ländischen Presse wird vielfach darauf hinaewie-
sen, daß die römischen Verhandlungen nur einen
Anfang bedeuteten- Die „Morning Poft" schreibt
z. B., die Vereinbarung sei eigentlich nur eins
Vorbereitung zu weiteren Vorbereitungen und
Pertinax erklärt, daß das französisch-italienische
Vorabkommen kein einziges der Grundprobleme
regele- Es wird auch darauf aufmerksam ge-
macht, daß für die Unterzeichnung der einzelnen
Verträge keinerlei Frist vereinbart ssi,
und daß sie deshalb unter Umständen niemals
verwirklicht werden können. Eine weitere Frage
ist, wie praktisch dis Interessen der einzelnen
Staaten ausbalanziert werden sollen. Im übri-
gen bringt der Grenzgarantiepakt nichts wesent-
lich Neues, denn alle Staaten, die als Unter-
zeichner genannt sind, find Mitglieder des Völ-
kerbundes und im Paragr. 10 der Völkerbunds-
satzung wird den Mitgliedern des Völkerbundes
zur Pflicht gemacht, sich nicht in die inneren An-
gelegenheiten eines anderen Landes einzu-
mischen. Der Grenzgarantiepakt wäre also nur
eine nochmalige Bestätigung des Artikels 10 der
Völkerbundssatzung. Was England anbetrifft,

Abge-

ann kommt der Volkswagen?

Trotzdem bestand der
Vertagung von zehn

»er¬
den

Jahre. Es liege auf der Hand, daß die Voraus-
setzungen beim Volkswagen wesentlich schwieri-
ger liegen, da es sich um eine völlige Neuschöp-
fung handele- Die Konstruktion des Volkswagens
sei auf dem Zeichenbrett nahezu vollendet. Die
nächste Phase der Entwicklung werde darin be-
stehen, daß zunächst eine kleine Serie Ver-
suchungsfahrzeuge gebaut und einer sehr gründ-
lichen praktischen Erprobung unterworfen werde.
Eine Erprobung über 100 000 Kilometer erfor-
dere aber Lei 500 Kilometer durchschnittlicher
Tagesleistung 200 Tage. Gerade für den Volks-
wagen sei ausreichende praktische Erprobung der
verschiedenen Versuchskonstruktionen von außer-
ordentlicher Wichtigkeit. Es wäre eine nicht zu
verantwortende Leichtfertigkeit der deutschen
Automobilindustrie, wenn sie den begreiflichen
Wünschen nach schnellster Lieferung des Volks-
wagens nachgebe und unter Umständen durch
ein Automobil, das nachträglich Mängel zeige,
die Idee und den Erfolg des Volkswagens dis-
kreditierte. Völlig müßig sei es, schon jetzt den
Preis des künftigen Volkswagens zu diskutieren.
Er werde tatsächlich an der unteren Grenze des-
sen liegen, was auf der Basis sorgfältigster
Fabrikation und gewissenhaftester Kalkulation
überhaupt erreicht werden könne.

Vier Abgeordnete des Memelländischen
Landtages wurden trotz Protestes von der
Polizei verhaftet und abgeführt. Tie zurückge-
bliebenen Abgeordneten haben schärfsten Protest
gegen die Vergewaltigung des Landtages unter
Anwendung der Polizeigewalt beim Gouverneur
an gemeldet.

Sitzung zulassen werde.
Alterspräsident auf der
Minuten. Während die Abgeordneten den Saal
in der Pause verließen, blieben der Gouverneur
und das Direktorium, ebenso die Diplomaten
und das Publikum im Sitzungssaal-
Wenige Minuten darauf erschien ein Be-
amter der Kriminalpolizei und erklärte, der
Sitzungssaal werde polizeilich geräumt.
Daraufhin verließen sämtliche Anwesenden den
Raum.

DNB. Memel, 4. Jan-
In eingeweihten Kreisen war man sich klar
darüber, daß die Litauer auch diesmal wieder
die auf den Freitag anberaumte Sitzung des
Memelländischen Landtages unter allen Umstän-
den verhindern würden, um die Regierung
Bruwelaitis, die sich lediglich auf die
kleine Minderheit von fünf litauischen Abgeord-
neten stützen kann, vor dem sicheren Mißtrauens-
votum zu bewahren.
Der Publikumsraum war bei Beginn der
Sitzung dicht gefüllt. Man sah die Generalkon-
suln von Rußland und Lettland und Vertreter
des deutschen Generalkonsulats. Der litauische
Gouverneur selbst eröffnete die Sitzung und
griff mehrfach ein, obwohl er dazu nicht befugt
ist. Auf die Frage des Gouverneurs, ob der
Landtag beschlußfähig sei, erhob sich ein Abge-
ordneter der Landwirtschaftspartei und bat um
das Wort zur Geschäftsordnung.
Während der Abgeordnete sprach, ergriff der
Gouverneur die Präsidentenglocke und
suchte unter gewaltiger Anstrengung
Redner zu übertönen.
Trotzdem konnte man verstehen, daß der
ordnete Einspruch dagegen erhob, daß der Gou-
verneur mit Polizeigewalt die vier nachrücken-
den Abgeordneten am Betreten des Saales ver-
hindert habe, obwohl nach dem Landtagswahl-
gesetz auf Grund der Listenverbindung der Land-
wirtschaftspartei diese vier, die an der vorge-
schriebenen Zahl von 29 Abgeordneten fehlen, ge-
nau so gut Abgeordnete seien, wie alle übrigen.
Im Anschluß daran sprach ein Abgeordneter der
Volkspartei zur Geschäftsordnung und verlas
eine Erklärung, während der Gouverneur erneut
vergeblich versuchte, die Worte mit der Glocke
des Präsidententisches zu übertönen. Man ver-
stand von dem Protest, daß sich sämtliche Abge-
ordneten der Parteien bis auf die Litauer gegen
die Maßnahme des Gouverneurs wandten, die
verhindere, daß der Landtag zu der Regierung
Bruwelaitis Stellung nehmen und damit seinen
Pflichten nachkommen könnte.

NdZ. Berlin, 4. Jan.
lieber den Stand des Volkswagenproblems
veröffentlicht der Pressechef des Reichsverbandes
der Automobilindustrie, Dr. Wesemann, eine
Darstellung, die geeignet ist, die in der Öffent-
lichkeit vielfach bestehenden Irrtümer auszuräu-
men. Es sei einmal notwendig, eine Tren-
nungslinie zwischen Fantasie und Wirklichkeit zu
ziehen. Die am häufigsten wiederkehrenden Irr-
tümer über den Volkswagen lägen in der Mei-
nung, daß der Volkswagen bereits auf der am
14- Februar beginnenden Automobilaus-
stellung gezeigt werde, daß sein Preis un-
erhört niedrig sein werde und daß mit
dem Erscheinen des Volkswagens das Problem
der Massenmotorisierung bereits gelöst
sei. Mit Recht werde von der Automobilindu-
strie erwartet, daß sie ein in jeder Hinsicht ein-
wandfreies, leistungsfähiges und technisch vorge-
schrittenes Fahrzeug liefere. Die deutsche Auto-
mobilindustrie habe den ernsten Vorsatz, diesen
Ansprüchen gerecht zu werden- Man müsse aber
auch den vorhandenen Schwierigkeiten Verständ-
nis entgegenbringen. Die Entwicklung eines
neuen Automobiltyps bis zum Zustand der
Fabrikationsreife dauere erfahrungsgemäß zwei

Ser Gouverneur M der prMenlenglocke
Ser Memelländische Landtag wieder beschlußunfähig gemacht
Dann stellte der Alterspräsident des Landtages
fest, daß mit dem Abgeordneten und Direkto-
riumsmitglieds Vuttgereit, der sich diesmal mit!
dem gesamten Direktorium Bruwelaitis zur
Sitzung eingefunden hatte, 18 Abgeordnete an-
wesend waren- Ein Abgeordneter der Landwirt-
schaftspartei fehlte, da er im Krankenhause dar-
niederliegt. Der Alterspräsident stellte fest, daß
mit den vier nicht zugelassenen Abgeordneten
die zur Beschlußfähigkeit notwendigen 20 Abge-
ordneten vorhanden gewesen wären. Er forderte
nochmals die Zulassung dieser Abgeordneten und
vertagte die Sitzung um zehn Minuten. Der
Gouverneur erklärte, daß er keine weitere
 
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