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Heidelberger Volksblatt (70) — 1935 (Nr. 1-26)

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Nr. 21 - Nr. 30 (25.Januar - 5. Februar)
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meiirdeleiter in größeren Städten Oberbür-
germeister, in den übrigen Gemeinden
Bürgermeister genannt werden, alle Mit-
arbeiter Beigeordnete. Damit komme allerdings
der schone alte Brauch der Bezeichnung als
Dorfschulze in Wegfall. Es sei aber die
Möglichkeit gegeben, althergebrachte Bezeichnun-
gen in den einzelnen Landesteilen weiter bei-
zubehalten. Ebenso sei das Weitertragen von
Amtstrachten und Amtsketten, die
aus einer alten Tradition hsrrühren, mit Ge-
nehmigung des Reichsinnenministers möglich.
Schließlich verwies Staatssekretär Grauert auf
die Möglichkeit für den Reichsminister des In-
nern, einzelne Gemeinden zusammenzu-
schließen, was zur Durchführung der Reichs-
reform sicher zum Teil notwendig erscheinen
dürfte.
Staatssekretär Trauert schloß mit der Hoff-
nung, daß dieses Gesetz der Grundstein sein
werde, um das Reich Adolf Hitlers so zu festigen
und zu vereinheitlichen, daß es Hunderts von
Jahren bestehen bleiben werde. Um dieses Gesetz
sei Hunderte von Jahren gekämpft worden und
es sei mit ihm der Beweis erbracht, daß die
Regierung Adolf Hitler und die Partei den
ernsthaften Willen haben, die Reichsreform
öurchzuführen.
Der 30. Januar in Verlin
DNB. Verlin, 30. Jan. Am zweiten Jahres-
tag der nationalsozialistischen Revolution zeigt
die Reichshauptstadt reichen Flaggenschmuck.
Eingeleitet wurde der Jahrestag mit Gottes-
diensten, die gestern abend in allen evangelischen
und heute früh in den katholischen Kirchen abge-
halten wurden, um Gottes Segen für das Wir-
ken und Schaffen des Führers herabzuflehen.
Der Schulunterricht wurde in den meisten Ber-
liner Schulen mit einer feierlichen Flaggenhis-
sung begonnen. In einer gemeinsamen Feier
wurde auf die Bedeutung des 30. Januar für
das deutsche Volk hingewiesen. Auch an den
Hochschulen fanden Feiern statt, die mit dem Ge-
denken an den Tag der Gründung des Reiches
im Jahre 1871 verbunden waren. Betriebsfüh-
rer und Gefolgschaften versammelten sich zu Ve-
triebsappellen, bei denen die Betriebssichrer zu
dem Thema: „Was bedeutet der 30. Januar für
den schaffenden Menschen?" sprachen. Von gro-
ßen amtlichen Feiern wurde abgesehen. Auch
keine rauschenden Feste fanden statt. Dafür hatte
das Winterhilfswerk Spenden im Werte von
23 Millionen RM. zusätzlich zur normalen Lei-
stung des Winterhilsswerks zur Verteilung ge-
bracht. Wahrhaft ein großer Tag der sozialen
Tat!
Am Vormittag fand am Grabe des vor zwei
Jahren gefallenen Sturmführers Maikowski auf
dem Jnvalidenfriedhof eine Gedenkfeier statt.
Ein Ehrensturm der Standarte 1 war mit trauer-
umflorten Fahnen angetreten. Nach dem Lied
vom Guten Kameraden legten Vertreter des
Stabschefs Lutze, des Obergruppenführers von
Jagow, des Standortführers der SS, des Ge-
dieteführers der HI, der Reichswehr, der Polizei
und der Gliederungen der NSDAP Kränze
nieder.
Begeisterte Kundgebungen vor der Reichskanzlei
Im Laufe des Tages sammelten sich vor der
Reichskanzlei am Wilhelmplatz immer
neue Scharen von Volksgenossen an, die sich
durch das wenig angenehme Wetter nicht ab-
halten ließen, dem Führer am zweiten Jahres-
tag der Machtergreifung ihre Huldigungen dar-
zubringen. Auf die immer und immer wieder-
holten Rufe der Menge erschien der Führer auch
einigemale, freudig bewegt, am Fenster und
dankte. Einige Hitlermädchen mit Blumen in
der Hand hatten das Glück, dem Führer persön-
lich ihre Glückwünsche aussprechen zu können.
In Erinnerung an den denkwürdigen Fackel-
zug des Januar 1933 setzten sich die Kundgebun-
gen für den Führer vor der Reichskanzlei auch
in den Abendstunden fort.
In Kürze
Dchc Marqueß of Lothian der bekannte
englisch« liberal« Politiker und Vertreter der
liberalen Partei im Oberhaus, der sich einige
Tage in Berlin aufhielt, ist in Begleitung des
politischen Schriftstellers, Professors Conwell-
Evans, nach London abgereist. Der Marqueß of
Lothian wurde während seines Berliner Aufent-
halts vom Führer und Reichskanzler Adolf Hitler
empfangen.
Nachdem, Reichswehrminister Generaloberst von
Blomberg in den letzten Monaten einige Wochen
zur Erholung außerhalb Berlins weilte, wird
nunmehr der Chef der Heeresleitung, General der
Artillerie Frhr. von Fritsch, im Anschluß an
di« Heeres-Skimeisterschasten einen Erholungs-
urlaub in den bayrischen Bergen verbringen,
rmch dessen Beendigung die Besichtigung einiger
süddeutschen Standorte in Aussicht genommen ist.
*
Der Führer und Reichskanzler empfing den
bekannten deutschen Verteidiger in internatio-
nalen politischen Prozessen, Rechtsanwalt Prof.
Dr. Friedrich Grimm, M. d. R., der bekannt-
lich im Kampf um die Saar eine hervorragende
Rolle gespielt hat. Ter Führer sprach Prof.
Grimm seinen Tank für die hingebende und er-
folgreiche Arbeit in dem Saarbesreiungskampf
aus.
Di« indisch« Nationalversamm-
lung hat nach zweitägiger Aussprache den eng-
lisch-indischen Handelsvertrag mit 66 gegen 58
Stimmen abgelehnt^

Am Vorabend der Londoner Reise

Englischer Kabinettsrat
DNB. London, 30. Jan.
Am Vorabend des französischen Minister-
besuches in London sand in Downingstreet 10
unter dem Vorsitz des Ministerpräsidenten Mac-
Donald ein Kabinettsrat statt. Es ist anzuneh-
men, daß sich das Kabinett mit der gesamten
Lage b'-wßte, wie sie sich nach den ausgiebigen
Erört ' S ,en des britischen Botschafters in Pa-
ris m^ oen Wortführern der französischen Re-
gierung ergibt, und daß die Richtlinien festge-
legt wurden, die von den britischen Ministern
bei den Verhandlungen mit Flandin und Laval
befolgt werden sollen. Von besonderem Interesse
ist der Beschluß, die britische Verhandlungsab-
ordnung durch Baldwin zu verstärken, der
nunmehr mit MacDonald und Sir John Simon
zusammen den britischen Standpunkt vertreten
wird. Andere Kabinettsmitglieder werden mög-
licherweise zu den Erörterungen hinzugezogen
werden, falls die Besprechungen über das Ab-
rüstungsproblem hinaus auch auf Handels- und
Finanzfragen ausgedehnt werden. Natürlich
wird Eden in seiner Eigenschaft als Sonder-
beauftragter für Völkerbundsfragen in engster
Fühlung mit den Besprechungen stehen.
Auf britischer Seite gibt man sich über die

Aussichten der kommenden Erörterungen
mit den französischen Ministern keinerlei Täu-
schung hin. Es wird offen zugegeben, daß es
schwer vorauszusehen ist, wie die einander wi-
dersprechenden Standpunkte der deutschen und
der französischen Regierung vereinbart werden
können. Deutschland, so wird erklärt, verlangt
praktische Gleichberechtigung, bevor es die
Frage seines Eintritts in den Völkerbund und
damit verwandter Fragen erwägen will, wäh-
rend Frankreich nicht nur den Beitritt Deutsch-
lands zum Völkerbund fordert, sondern auch
verlangt, daß die von ihm befürworteten Pakte
von Deutschland „unterzeichnet und besiegelt"
werden, bevor es der Legalisierung des deutschen
Wiederaufrüstens zustimmt. Die britisch« Regie-
rung befürwortet einen Plan, der die automa-
tische Gewährung der Gleichberechtigung im
Rahmen eines allgemeinen Abkommens zur
Rüstungsbeschränkung im Augenblick des Bei-
tritts Deutschlands zum Völkerbund vorsieht.
Von maßgebender britischer Seite wird erklärt,
daß gegenwärtig keine Aussicht zu bestehen
scheint, daß sowohl die deutsche als auch die
französische Regierung sich die britischen Gedan-
kengänge zu eigen machen, ganz abgesehen von
der tiefen Kluft, die den Standpunkt der
französischen von der deutschen Regierung
trennt. Unter diesen Umständen ist es kaum ver-

wunderlich, wenn mehr als je der unformellr
Charakter der bevorstehenden englisch-sranzöft-
schen Besprechungen in den Vordergrund gesteN
und erklärt wird, daß das Ziel der britischen
Regierung lediglich dahin gehe, auf dem Wegs
eines Gedankenaustausches mit einem der am
meisten betroffenen Länder den Grundsatz der
Erzielung einer umfassenderen Regelung als
den bei bisherigen Pakten getroffenen größer«
Geltung zu verschaffen.
Der Außenpolitiker des „Paris Soir" bs»
sckäftigt sich mit den Aussichten der französisch-
englischen Ministerbesprechungen in London.
Nach seiner Ansicht bringe England dem franzö-
sischen Standpunkt Verständnis entgegen,
.wünsche aber auf der anderen Seite, Deutsch-
land die Rückkehr nach Genf zu erleichtern,
etwa dadurch, daß man die Völkerbundssatzun»
gen vom Versailler Vertrag loslöse und unab-
hängig mache. Dieser Vorschlag werde übrigen«
Mussolini zugeschrieben. Nach Ansicht de«
Außenpolitikers sei er kaum durchführbar. Im
übrigen suche England Frankreich von einer un-
mittelbaren Verständigung mit Sowjetruß«
land abzubringen. Auch diese Frage werde
Gegenstand der Londoner Verhandlungen fein.

Eine große Aufgabe
Dr. Goebbels über den konsequenten Aufbau des deutschen
Kulturlebens

Der „Völkische Beobachter" veröffent-
licht einen Bericht über eine Unterredung seines
Berichterstatters mit Reichsminister Dr. Goeb-
bels. In diesem Bericht heißt es: In Zusam-
menhang mit der am 30. Januar erfolgenden
Verteilung einer großzügigen Spende zusätzlicher
Art aus den Mitteln des Winterhilfswerkes im
Werte von 23 Millionen RM. betont« der Mi-
nister, daß ihm die glückliche Durchführung des
Winterhilfsiverkes am meisten am Herzen läge.
Wenn die Gebesreudigkeit und der Opferwille des
deutschen Volkes weiterhin so anhalte, wie eS bis-
her der Fall gewesen sei, dann wär« mit einem
noch höheren Gesamtbeträge als im vorigen
Jahre zu rechnen. Das dritte Jahr der national-
sozialistischen Revolution wird dem Reichspropa-
gandaministerium ein« große Aufgabe bringen:
den konsequenten Aufbau des deutschen Kultur-
lebens und damit die Vollendung jenes Werkes,
das zu erreichen auf diesem Gebiete erstes Ziel
der nationalsozialistischen Aufbauarbeit gewesen
ist, die Ueberwindung der chaotischen Zustände,
die uns die vorangegangen« Epoche hinterlaßen
hat. Di« Öffentlichkeit sieht die Auswirkungen
dieses Werkes ausschließlich im Kulturellen selbst.
In Wahrheit liegen die Verhältnisse aber weit
komplizierter durch di« fast unübersehbaren wirt-
schaftlichen Verflechtungen. ES handelt sich also
nicht nur darum, gute Filme und Theaterstücke
zur Aufführung zu bringen, sondern das Ziel
muß zugleich lauten: das herrschende wirtschaft-
liche Durcheinander zu entwirren und einen so-
liden wirtschaftlichen Aufbau zu schaffen. Dies«
Aufgabe aber, so betont« Dr. Goebbels, ist so
schwierig, weil gerade auf kulturellem Gebiet di«
Eigenwüchfigkeit so stark ist, Wei! die Besitzver-
hältnisse der kulturellen Institute Deutschlands
so überaus unterschiedlich sind.
Und doch muß eine zentrale Leitung geschaffen
werden, ohne Eigengesetze zu zerstören. Die Thea-
ter werden großzügig mit ReichSsubventionsn
versehen, zugleich handelt es sich darum, den Film
wirtschaftlich zu sanieren. Infolge der Freiheit
allen kulturellen Lebens ist diese Arbeit noch
schwieriger als die im wesentlichen verwaltungs-
technische Reichsreform. Der Dresdner Zwinger

und di« Pinakothek in München, die Dresdner,
die Berliner und die Münchener Oper, das Ber-
liner Metropoltheater und die Festspiele in Ober-
ammergau kennzeichnen die ungeheuer weiten
Spannungsbogen, die es hier zu erfüllen gilt.
Unkluges Vorgehen kann da leicht zerstörend statt
aufbauend wirken. Der Minister wies dann an
einzelnen Beispielen auf di« Schwierigkeiten hin,
die es zu überwinden galt und noch gilt. Alle
Aufbauarbeit 'muß auf lange Sicht geschehen.
Alles muß stilgemäß gesehen werden. Es gibt
Menschen, die Parteipropaganda auf der Bühne
vermissen. Der Nationalsozialismus, so betonte
Dr. Goebbels, hat gezeigt Me er das kulturelle
Leben erneuern will, indem er in weitestem Maße
das Volk Wieder in Verbindung mit dem Theater
gebracht hat. Ueber eine Million Menschen sind
zu billigsten Preisen im Theater des Volkes ge-
wesen. Fast alle Berliner Bühnen haben jeden
Montag sich für die NS-Kulturgemeinde zur
Verfügung gestellt. So werden wir in grundsätz-
lichen Fragen unseren Standpunkt durchsetzen.
Der Minister Mgt« als Gegenbeispiel das russi-
sch« kulturelle Leben in feiner Niveaulosigkert,
während das nationalsozialistische Deutschland
gewillt ist, durch Lebensstil auf künstlerischem
Gebiet anziehend für dar Ausland zu wirken.
Den nach Berlin kommeirden Ausländern wollen
wir die Schönheit des menschlichen Lebens in sei-
ner ganzen Vielgestaltigkeit zeigen; diese Vielge-
staltigkeit aber ist beherrscht von einem einheit-
lichen Willen. Der Nationalsozialist, der mit sei,
ner Ide«, seinem politischen Willen das Volk
erobert hat, muß zeigen, daß «r in allen Sätteln
reiten kann. Auf kulturellem Gebiet, auf gesell-
schaftlichem Parkett muß er mit der gleichen sou-
veränen Sicherheit austreten wie im Avbeitskleid.
Genau so, wie wir stolz sind auf unseren natio-
nalen Kulturbesitz, in gleichem Maße sind wir
Nationalsozialisten gegen jede Primitivisierung
deS Lebens. Wirkliche Talent« können unserem
'.ulturellen Leben nur durch wirkliche Anerken-
nung ihrer Leistung erhalten werden. Dr. Goeb-
bels erklärte zum Schluß, er betrachte es als seine
Aufgabe, auch auf kulturellem Gebiet die ersten
Fachleute an die Spitze der Nation zu stellen.

Der Winter
Der Winter wird in Spanien härter ----
Zahlreiche Menschen erfroren
Madrid, 31. Jan. Der Frost dauert in
Spanien mit verschärfter Strenge an und hat
bereits zahlreiche Todesopfer gefordert- An
der Nähe von Ferrol sind zwei alte Leute im
Schneesturm auf der Landstraße erfroren- Das-
selbe Schicksal ereilte Vater und Sohn in der
Nähe von Logrono, sowie einen Briefträger
aus der Umgebung von Santander. Auch in
Madrid und anderen Orten ist bisher «ine
Reihe obdachloser Bettler erfroren aufgefunden
worden. Da sich die Kältewelle auch auf die
Levante-Küste ausdehnt, besteht die Gefahr der
Vernichtung der Apfelsinenernte. In der Pro-
vinz Huesca sind Temperaturen bis zu 20 Grad
unter Null gemessen worden. Bei Saragossa
wurde eine Gruppe Sportler von einer Lawine
verschüttet. Die Rettung gelang erst nach mühe-
voller Bergungsarbeit. Auf einigen Eisenbahn-
strecken ist der Verkehr eingestellt worden. Auf
diese Weise sind auch größere Ortschaften von
der Außenwelt abgeschnittew

Schwer« Hochwasserschäden in Thrazien —
Orientexpreh kann zwei Wochen lang nicht
durchgehend geführt werden
Jst«nbul, 31. Jan. Die Ueberfchwemmungen
in Thrazien in der Umgebung von Adrianopel
gehen langsam zurück. Einige abgeschnittene
Dörfer konnten wieder mit Lebensmitteln und
Brennmaterial versorgt werden. Zur Behebung
der schweren Beschädigungen der Eisenbahnlinie
die Istanbul mit dem Westen verbindet, wer-
den vier Wochen erforderlich sein. Frühestens
nach zwei Wochen wird der durchgehende Zug-
verkehr wieder ausgenommen werden können.
Vis dahin wird für die Reisenden von und
nach Europa ein Umsteigeverkehr durch Auto-
bus auf der etwa 30 km langen Strecke von der
bulgarischen Grenze bis Adrianopel eingerich-
tet. Istanbul hat seit drei Tagen keine aus-
ländische Poft mehr empfangen.
Hochwasser in Südbulgarien
Sofia, 31. Jan. In großen Teilen Südbul-
gariens und besonders in -er Stadt Haskowo
ist es infolge Tauwetters zu großen Ueber-
schwemmungen gekommen- In Haskowo wurden
durch das Hochwasser mehrere Häuser fvrtge-

rissen, viele andere wurden so schwer beschädigt,
daß sie geräumt werden mußten. Besonder-
stark haben die großen Tabaklager gelitten, di«
sich in dem unteren Teil der Stadt befinden.
Die Bestände in diesen Lagern wurden von
den Wassermassen fortgeschwemmt. Ein in der
Nähe der Stadt gelegenes Dorf steht vollkom-
men unter Wasser und ist von der Außenwelt
abgeschnitten. Menschenleben find nach de»
bisherigen Meldungen nicht zu beklagen. Im
Dienst des Rettungswerkes sind Truppenteil«
der nahegelegneen Garnisonen gestellt worden.
Der Mrser vs.i MMrkaifsck
gefaßt
Die Tochter des Eemeindehirten von Deim-
hausen bezeichnet ihren Vater als Mörder der
sechs Bewohner von Hinterkaifeck.
OL Augsburg, 30. Jan. Von der Gen-
darmerie in Hohenwart Lei Schrobenhausen
wurde ein gewisser Josef Pfleger aus Deim-
hausen verhaftet und nach Schrobenhausen i«
das Gefängnis eingeliefert, da Pflegeer Aeuhe-
rungen gemacht hatte, die ihn des furchtbare»
Mordes in der Einöde Hinterkaifeck dringend
verdächtig machen. Bei diesem Mord, oer Ende
März 1922 verübt wurde, find sechs Personen
aus bestialische Weise ums Leben gebracht wor-
den. Die Verhaftung Pflegers war auf die An-
zeige seiner eigenen 28 Jahre alten Tochter
Maria hin erfolgt.
Pfleger ist seit zwei Jahren in Deimhausen
tätig und bewohnt mit seiner Familie ein klek
nes, der Gemeinde gehöriges Haus- Er erfreute
sich in seiner Heimat keines guten Rufes. Er
hat wiederholt seine Fran mißhandelt ur^d sie
mit dem Tode bedroht und ist wegen Sittlich-
keitsvergehens und anderer Delikte bereits
mit Gefängnis bestraft Zur Verhaftung Pfle-
gers, kam es, wie erwähnt, durch die Anzeige
seiner Tochter, der er die grausige Tat von
Hinterkaifeck gestanden haben soll. Die Frau
und die Tochter Pflegers hatten in der letzten
Zeit ein gedrücktes und verstörtes Wesen Pfle-
gers beobachten können. Am Vormittag des
15. Januar, so sagte Maria Pfleger aus, hab«
ihr Vater erzählt, daß er und noch einer di«
Kaifecker umgebracht hätten. Den Namen de»
anderen sage er nicht, doch soll sein Mithel-
fer bereits gestorben sein. Auf die Frage,
wie er die schreckliche Tat ausgeführt habe,
sagte er, daß er und sein Komplize in den Stall
des Kaifecker Anwesens eingedrungen seien.
Durch die unvermutete Störung in der Nacht
sei das Vieh unruhig geworden, worauf der alte
Bauer von Hinterkaifeck in den Stall gekom-
men sei, um Nachschau zu halten. Mit einer
Hacke hätten sie den alten Mann niedergeschla-
gen, dann seien sie in das Haus eingedrungen
und hätten, als die Magd etwas bemerkte uüd
aus ihrer Kammer gehen wollte, auch dies«
überfallen. Darauf hätten sie dem kleinen Kind,
das in der Kammer nebenan lag, den Schädel
zertrümmert, ebenso einem anderen, das ihnen
in die Hände gelaufen sei- Als sie noch die
Frau Gabriel, die verwitwete Besitzerin des
Anwesens und ihre Mutter durch Schlage aus
den Kopf getötet hatten, hätten sie alle sechs
Opfer in Len Stadel geschleppt, nebeneinander-
gelegt und mit Heu zugedeckt. Drei Tage seren
sie in Hinterkaifeck geblieben und hätten das
Vieh gefüttert, damit dieses nicht etwa durch
sein Gebrüll die beiden verraten könne. Als
aber der Postbote öfters in das Haus gekom-
men sei, hätten sie es mit der Angst zu tun ge-
kommen und seien auf und davon gegangen.
Auf die Frage seiner Tochter, was er in der
Hinterkaifeck erbeutet habe, bemerkte Pfleger,
daß jeder 700 Mark bekommen habe. Die Toch-
ter, die seinerzeit sieben Jahre alt war, wrll
sich noch erinnern, Laß der Vater ihr damals
viel Geld gezeigt habe, über dessen Herkunft er
aber nichts verlauten ließ- Die Frau Pflegers
war zur Zeit Les Mordes in München, um sich
dort einer Operation zu unterziehen.
Die Tochter Pflegers will die Aussagen ihres
Vaters unter Eid nehmen und ihn deshalb an-
gezeigt haben, weil sie wünsche, daß die schreck-
liche Tat von Hinterkaifeck gesühnt werde.
 
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