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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 1.1890

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Ueber eiserne Oefen
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Der Palast des Fürsten von Thurn und Taxis in Frankfurt a. M.
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Das Möbel und die Gesellschaft
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https://doi.org/10.11588/diglit.11255#0065

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Fachblatt für chnnen-Dckoration".

Lieber eiserne Oefen.

»»Rl er eiserne Ofen, der früher immer mehr verdrängt wurde von dem sog. Kachel-
ofen, beginnt seit einigen Jahren, seinen Platz zurückzuerobern. Wenn wir
der Ursache dieses Umschwungs nachforschcn, so finden wir, daß zweierlei gewichtige
Umstände solchen hcrbeigeführt Habe» und zwar einmal eine wesentliche Verbesserung
der Bauart und dann aber auch die Rücksichtnahme auf die früher sunbeachtet ge-
bliebene Formschönheit bei eisernen Oefen. Was die Konstruktion anbelangt, so
wollen wir nur darauf aufmerksam machen, daß früher alle eisernen Oefen stets
roth glühten, sobald sie einigermaßen in Anspruch genommen wurden und dann eine
höchst lästige Wärme ausstrahlten, abgesehen von den sonstigen bekannten Nachtheilen
solcher Glühhitze. Heute wird das Fcncrbett mit Chamottesteinen ausgemanert, so
daß das Eisen nicht mehr glühen kann und die erzeugte Wärme derjenigen der
Thonöfen vollständig gleichzuachten ist. Früher bedurften die eisernen Oefen außer-
dem einer unausgesetzten Bedienung des ganzen Tags über, Kohlenlöffel und Stocher-
eisen fanden keine Ruhe und doch wärmte der Ofen
die eine Viertelstunde zu viel, die andere Viertelstunde
zu wenig. Bei den heutigen Oefen regulirt man nach
dein Anfeuern den Luftzutritt und dann brennt das
Feuer in gleichmäßiger Stärke vom Morgen bis zum
Abend, ohne daß man danach zu sehen braucht.

Was die verschönerte Form der eisernen Oefen
-aribelangt, so ist diese noch nicht allenthalben durch-
gcführt, aber schon vielfach findet man heute eiserne
Oefen, die sich entschieden zu kunstgewerblichen Er-
zengn>fsm^rhe§eni'"Wir Wben vor uns eine Kollektion
Abbildungen von Oefen, welche die Firma Louis
Marburg u. Söhne in Frankfurt n. M. anfertigt
rrud wir müssen sagen, daß wir kaum Schöneres von
Oefen je gesehen haben. Die Entwürfe zu den Mo-
dellen hat allerdings auch kein Geringerer als Alexan-
der Linncmann geliefert, ein Künstler, der sich
nicht nur durch seine Ofenzcichnuugcn, sondern auch
durch sein sonstiges Schaffen auf kunstgewerblichem
Gebiete eitlen Weltruf erworben hat und der noch
kürzlich von Kaiser Wilhelm II. durch Verleihung
-eines Ordens ausgezeichnet wurde. Damit unsere
Leser selbst urrheilen können, bringen wir in unserer
heutigen Nummer die Abbildung eines der Mar-
burg'schen Oefen. Die Oefen sind alle gleich schön
und stilgerecht in ihrer Form. Einer der Oefen, der
sog. „Trompetcrofen", dessen verzierte Flächen mit
Bildern ans dem Scheffel'schen „Trompeter von
Säckingen" nach A. v. Werner ausgcschmückt sind,
wird außer ganz in Eisen auch in Majolika mit
eisernem Rahmen geliefert. Wir haben den Ofen
mlcht in Natura gesehen, müssen uns denselben aber
- in farbiger Majolika als eine schön wirkende Dekoration
für jeden Salon vorstelleu. Die ganz eisernen Oefen
werden nicht nur in roh, sondern auch in den ver-
schiedensten Farbe» dauerbast gemalt und cnisvrcchcnd
den Farben der Zimmerausschmückmig geliefert.

Wie wir ans den Erläuterungen zn den Mar-
bnrg'schcn Ofenzeichnungcn ersehen, har die Firma
bei Anfertigung der belr. Ofcninodclle darauf Bedacht
geuommcu, die Oefen io cinzurichtcn, daß iic dem
bentigen Verlangen nach fortdauerndem Brand cnt-
svrcchc». Es iü bei ihnen die Rostkonstrnklion vcr-
. wendet, die bei den amerikanischen Oescn Erolvn
Jcwel als Eigenthümlichkeit gilt und die es ermög-
licht auch die Marburg'schen Oefen dauernd. Tag
und Nacht wochenlang in Brand zu erhalten. Man
muß in solchem Falle allerdings, wie hei den ameri-
kanischen Oefen, Anthracitkohlen verwenden.

Wir können eine solche Vereinigung von gut
und schön bei eisernen Oefen im Interesse unserer
inneren Dekoration nur mit großer Freude begrüßen.

Figur 21. Tvompelev--Vfrn

Louis Marburg L Söhne, Frankfurt a. M.

Vrv Wslalt ves Dürsten von Whuvn und Taxis in Wvsnk--
fuvt s. M., einst die Stätte, von welcher aus das vielgestaltige Deutschland regiert
wurde, verödet immer mehr. Während der letzten Wochen sind daraus in aller Stille
-eine Anzahl von Gemälden und anderen Kunstwerken entfernt und in das fürstlich
Turn und Taxis'schc Schloß nach Regensburg übcrgcführt worden. Da auch der
jetzige Fürst nicht daran denkt, den Palast zu bewohnen, so kann man cs ihm nicht
verübeln, wenn er seine Kunstwerke lieber uni sich hat. Der Bau des umfangreichen
Palastes, welcher außer 2 achteckigen Sälen 140 Gemächer umfaßt, wurde 1730 nach
den Plänen des Italieners Dell' Opera begonnen. Hier restdirte dann der Fürst-
primas Karl Theodor von Dalberg, so lange er Großherzog von Frankfurt war.
Im Jahre 1813 ließ sich der deutsche Bundestag darin häuslich nieder nnd blieb,
bis ihm die Ereignisse des Jahres 1866 das Lebenslicht ausbliesen. Seitdem stehen
die Räume leer und werden es wohl auch für die nächste Zukunft bleiben.

Das MöVel und die Desellschaft.

Filter diesem Titel hielt Herr Architekt Professor vr. Mohr, der Vorsitzende
des Alterthumsvereins in Dresden, einen Vortrag, welcher seines interessanten
Inhaltes wegen hier mitgetheill sei» möge:

Der Redner hatte sich die Aufgabe gestellt, in der Hauptsache die Möbel-
bildungen der letzten 3 Jahrhunderte zu besprechen, denen sich die Aufmerksamkeit
unserer Zeit wieder zuwendet; einleitungsweise aber behandelte er in knappen Sätzen
die Entwickelung des Möbels und der Hausansstattung in den früheren Zeiten.

Ausgehend von dem Satze, daß die Bildung der Nutzmöbel ebenso wie die
der Prachtmöbel stets abhängig ist von Stoff, Zweck, Klima, künstlerischer Eigenart
nnd der je herrschenden Gesellschaft, wies er zunächst auf den Orient hin, in dem
die Weberei und Stickerei, sowie die Bearbeitung edler Hölzer und Metalle für die
häusliche Ausstattung zuerst dienstbar gemacht wurde. Griechenland übernahm zu-
gleich mit der Arbeitsweise die Formen des Orients, bildete dieselben aber in

griechischem Geiste um. Ihnen folgten die Etrusker
und Römer, welch' letztere bei ihrem Reichthum die
Haushaltung namentlich nach der Seite der Pracht
hin erweiterten. In der byzantinischen Zeit kommt
die orientalische Behandlung wieder zur Geltung und
äußert von dort aus ihren Einfluß auch auf West-
Europck. Die Gothik benutzt das Ueberkommene tech-
nisch, verbindet es aber energisch mit ihren Formen
und bereichert das Gebiet der Hausansstattung durch
glänzende Werke, namentlich im 15. Jahrhundert.
An die Stelle der abstcrbeuden Gothik tritt die'
Renaissance, die Zeit der Umwandlung auf allen Ge-
bieten des Denkens nnd Schaffens. Kunst und Wissen-
schaft kehre» zur Antike zurück und schaffen Hand
in Hand mir günstigen äußere» Verhältnissen das
reich geschmückte Leben der italienischen Höfe und die
glänzende kunstsinnige, geistvolle Gesellschaft, wie sie
Goethe im Tasso schildert. Auch in der Haushaltung
und im Möbel spiegelt sich dies wieder. Letzteres
zeichnet sich durch Beweglichkeit, schöne Anordnung
und Adel des Schmuckes aus. Die Wiederaufnahme
der uralten Kunst' der eingelegten Holzarbeit kenn-
zeichnet den Sinn jener Zeit für Schönheit, die
Fantasie offenbart sich uns in den damals auf-
tretenden farbigen Möbeln. Deutschland folgt Italien,
wendet aber die von dort entlehnten Formen eigen-
artig alt. Au die Stelle Italiens tritt im 17. Jahr-
hundert Frankreich unter Ludwig XIV., dessen Wirken
mit dein Barock zusammcnfätlt. Ausstattung und
Möbel erfüllen trefflich ihre Aufgabe, die persön-
liche Herrschaft des Königs auf allen Gebieten zum
Ausdruck zu bringen. Große Verhältnisse, Ebenmaß
der Anordnung und des Schmuckes bezeichnen das
Barockmöbel, von welchem Frankreich zwei Pracht-
richtungen in dem Silber- und Boule-Möbel ausge-
bildet hat. Mit dem Tode des Königs erschlaffen die
kräftige Formirung, verfeinerte sich aber die Durch-
bildung der Innen-Dekoration unter Führung der
üppigen, die Kunst als Spiel benutzenden Gesellschaft.
Der Redner entwickelte an einer Reihe von Beispielen
das Wesen der Rokoko-Ausstattung, welche sich durch
Tüchtigkeit der Ausführung auszeichnet, deren behag-
lich vornehmer Zug die strnküven Formen zerfließen
läßt nnd das Ebenmaß derselben aufgibt. Bezeich-
nend für diesen Zeitraum ist auch die Durchbildung
der Gemäldcrahmen, und machte Vortragender auf
die in der Dresdener Gallerte sich befindenden,
wunderschön entworfenen nnd geschnitzten Rahmen
aufmerksam, insbesondere auf den des Chokoladen-
mädchens, in dessen Höhlungen sich vorzüglich ge-
schnitzte Gruppen (Spiegel und Fächer, Strickstrumpf
mit Nadeln nnd Knaul usw.) befinden und die sich
reizend ausnehmen. Nach einem kurzen Blick auf
die Zopfzeit nnd die sog. „Marie Antoinette-Möbel"
geht der Vortragende auf die Umgestaltung unserer
wohnlichen Ausstattung über, welche mit dem kräftigen Aufblühen unserer nationalen
Macht Hand in Hand geht. Er weist darauf hin, daß von dem, was die letzten
drei Jahrhunderte geschaffen haben, sich vielerlei noch jetzt benutzen läßt. Kunstgc-
fiihl nnd F-arbcbedürfniß sind wieder erwacht. Hierzu tritt der Saminelsinn unserer
Zeit und die Vermehrung unserer materiellen Bedürfnisse und Ansprüche. Für prak-
tische Nutzmöbel, welche sich namentlich auch für die Ausfuhr eignen, ist der
englische Möbelstil als mustergiltig zu bezeichnen, lieber die Möbel unserer Empfangs-
zimmer entscheidet die Gesellschaft und die Mode, nicht Theorie und Aesthetik. Die
lebhaften Völkerbeziehungen und die internationale Gesellschaft werden wohl nach und
nach auch auf dem Gebiete des Möbels einen internationalen Karakter ausbilden.
Im Großen gilt aber, entsprechend einem anderen Satze, auch von der Möbclaus-
stattnng: „Sage mir, mit was Du Dich umgibst, und ich will Dir
sagen, wer Du bist."
 
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