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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 1.1890

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Behr, Carl: Ueber Dekoration und Möblirung unserer Wohnräume, [7]
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Renaissance- und Rokoko-Möbel
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https://doi.org/10.11588/diglit.11255#0091

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Nr. 10.

Fachblatt für ^nnen-Dekoralion".

5eite 79.

Renaissance- und Rokolw-Mövel.

ADie Renaissance-Möbel sind in den letzten Jahren etwas in den Hinter-
grund getreten, denn das Rokoko ist mit Macht vorwärts ge-
drungen und hat siegreich den Salon erobert. Selbst diejenigen, welche
früher nicht genug die Renaissance und die bezüglichen modernen Leistungen
zu loben wußten, reden nun von „chokoladefarbenen" Möbeln. Man
bewundert die Beweglichkeit des Geschmacks, welcher so
leicht von diesem zu jenem übergeht und heute lobt,
was er morgen tadelt. Daß die Renaissance nicht der
allein seligmachende Stil ist,
daß vielmehr dem kunstge-
werblichen Schaffen in Be-
zug auf stilistische An-
knüpfungen der weiteste
Spielraum geboten werden
nmß, braucht kaum betont
zu werden. Aber nun einzig
und allein auf das lustige,
farbenfrohe, leichte Rokoko

Gewöhnlichen übertragen
wird, führt, es zum Flitter und zum Tand, während bei der Renaissance ^
eine solche Abstufung noch immer das Festhalten am Soliden und Tüch-
tigen zuläßt. Für die gewöhnliche Hauseinrichtung der bürgerlichen Klassen
läßt sich aus der Renaissance heraus noch immer etwas Ansprechendes
schaffen, und schon aus diesem Grunde wird man ihr nicht gräm sein
können. Es wäre nur zu wünschen, daß innerhalb jenes Kreises im

Gegensätze zu den dünn fournirten Nußbaummöbeln solche Einrichtungs-
gegenstände geschaffen würden, bei welchen der dünne, undauerhafte Platten-
belag wegfiele und das einfache Kien- oder Tannenholz in brauner Beizung
zum Vorschein käme. Hin und wieder tauchen auch solche Möbel auf,
aber im Gegensatz zu der Masse der fournirten Nußbaummöbel treten
sie noch immer allzu sehr in den Hintergrund. Auch in diesem Falle hält das
Publikum, unserer Ansicht nach, noch viel zu sehr an dem Schein gegen-
über dem Sein fest. Wer ferner, so schreibt die „Voss.
Ztg.", die tüchtigen, hübschen Gegenstände bäuerlicher
Einrichtungen sieht, wie sie das Museum für Volkstrachten

vorführt, wird sich sagen,
daß auch dort noch Manches
zu finden ist, was für un-
seren gewöhnlichen bürger-
lichen Hausstand verwerthet
werden kann.

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Seite

Als Grundfarbe des auf
Seite 78 abgebildeten „Hin-
tergrund zu einer Bettdeko-
ration" war ein lichtblauer
Satin äs Oäns gewählt.
Das ganze Bild (Amoretten,
Pfau, Zweige und Blätter)
wurde in natürlichen Far-
ben ausgeführt. Mit Rück-
sicht auf die lichtblaueGrund-
farbe wurden die Blätter,
um ein, zu scharfes Grün zu vermeiden, in moosgrün bezw. maigrün ge-
halten. Der Gesammt-Eindruck dieser überaus gefälligen Wanddekoration
war ein geradezu entzückender. Die Zeichnung eignet sich ebenfalls recht
gut zu einem Wandschirm und kann in beiden Fällen auch in der Tempera-
Malerei ausgeführt werben. Letztere dürfte die Gesammtwirkung wohl
noch bedeutend erhöhen.

mit seinem Schnörkelwerk
und vergoldeten Stukko zu
schwören, ist ebenso verfehlt,
wie früher der Schwur auf die
Renaissance. Letzterer kann
man denn doch nachrühmen,
daß sie bei weitem eher im
Stande ist, für Zimmerein-
richtungen der gering be-
mittelten Klassen fruchtbar
gemacht zu werden, wie das
Rokoko. Wenn dieses aus
der Sphäre des Reich-
thums in den Bereich des

Abbildung 34. Wandschirm litt Mokoko--Stil.

Mit in Holz geschnitzten Verzierungen in echter Vergoldung.
Entworfen und ousgeführt von Otto Zacharias in Regensburg.

Bekleben von Vorplätzen und Treppenhäusern verwandt. Große und
zimmerartig angelegte Vorräume zeigen als Hauptschmuck wohl auch
einen mächtigen Kamin aus Holz, Marmor oder Hellem Stein. Am besten
antik wirkend, mit schräg ansteigendem Schornstein, einem Gesims über
Kopfhöhe, zum Aufstellen von Gefäßen und Antiquitäten, gibt derselbe
dem Raum etwas Vornehmes, Bedeutendes. Die Feuerstelle ist meist
offen, wie bei flämischen Kaminen, und mit Kacheln ausgemauert, so
daß das Feuer lustig offen flackert und dadurch schon im Vorraum der
Wohnung das Gefühl des Gemüthlichen und Warmen erregt.

So soll dieser Raum gleich wie die englische Halle den Mittelpunkt
des häuslichen Lebens bilden; cr soll so wirken, daß bei geöffneten
Thüren den Bewohner des Zimmers das Gefühl beschleicht, als blicke
er in einen zweiten bewohnten und warmen Raum, welcher sein Zimmer
mit den übrigen Gelassen verbindet, mit einem Wort: diese Räume
müssen wohnlich wirken, nicht unbehaglich.

Ehe wir uns nun mit der Ausstattung der Zimmer beschäftigen,
wollen wir eine Frage erörtern, welche schon oft und von vielen Seiten
aufgeworfen wurde. Es ist Sitte in Deutschland, die verschiedenen
Räume in verschiedenen Stilarten auszustatten. Gewöhnlich ist das
Speisezimmer in deutscher Renaissance gehalten, der Salon Rokoko, das
Boudoir Louis XVI-, das Rauchzimmer gothisch oder gar maurisch ufw.
Der Bewohner entschuldigt sich wohl mit den Worten: „Auf diese Art
habe ich doch Abwechslung in meinem Hause und nicht immer dasselbe,
man sieht sich sonst so leicht müde an seiner Einrichtung". Das hat
ja allerdings scheinbar seine Berechtigung, aber auch nur scheinbar.
Jedes Kunstwerk muß einen bestimmten Karakter haben, und wie dieser
Karakter mehr oder weniger konsequent durchgeführt wurde, ist das
wesentlichste Moment des Kunstproduktes. Etwas, was in einem Falle

schön genannt werden muß, kann unter andern Verhältnissen sogar recht
unschön sein. Wie der schönste Mannesbart bei der Frau immer häß-
lich erscheint, so ist auch alles Unharmonische nicht zum Karakter des
Kunstwerks gehörige von vornherein unschön für dasselbe. Verschiedene
Stilarten bedeuten aber auch verschiedene Karaktere. Allerdings kann
ja jedes Zimmer als abgeschlossenes Ganze für sich angesehen werden;
dann harmonirt aber das ganze Haus nicht in sich. Es macht dann
leicht > den Eindruck des Zerrissenen, Zusammengestückelten, und ist in
Folge dessen meist ungemüthlich, weil unharmonisch. Es soll damit
nicht gesagt sein, daß nicht ein oder der andere Raum im Hause ge-
wissermaßen als Kuriosum in einem andern Stil gehalten sein könnte,
dann müßte derselbe aber danach veranlagt und behandelt sein. Auch
ein Abweichen des Stils nach einer benachbarten früheren oder späteren
Zeit ist wohl als gerechtfertigt anzuerkennen. Ist das ganze Haus
z. B. im Karakter einer späten Renaissance gehalten, so wäre es wohl
nicht besonders störend, wenn sich der Salon, als der lustigste und
heiterste der Räume, im Rokokostil entwickeln würde, auch könnte man
sich im gleichen Falle den Vorplatz in einer etwas früheren Zeit denken.
Störend wirken müßte es aber wohl, wollte man neben dem Salon
im üppigsten Rokoko ein Herrenzimmer in streng frühgothischem Karakter
plaziren. Es ist in solchem Falle kein Uebergang vorhanden, die
Stimmung fehlt und damit die Hauptbedingung des gemüthlichen und
schönen Heim. Deshalb wirken beispielsweise auch die englischen Häuser
so unbedingt anheimelnd und bestechend. Der bis ins letzte Gelaß
durchgesührte Karakter, das Einheitliche des Ganzen ist es in der Haupt-
sache, nicht der Stil 'selber, welcher uns in diesem Maße anmuthet.

(Fortsetzung folgt.)
 
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