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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 1.1890

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Böttcher, F.: Kunstgewerbliche Betrachtungen
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Tischläufer
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https://doi.org/10.11588/diglit.11255#0111

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Nr. 12.

Fachblatt für ^nnen-Dekoration".

Seite 97.

NunstgewerMjche Betrachtungen.

crr Dr. Paul Schumann entwickelte vor Kurzem im Bildhauerverein Dresden
an der Hand von Erfahrungen, Beobachtungen und Thatsachen eine Reihe
von Bemerkungen über unsere kunstgewerblichen Bestrebungen, welche wohl verdienen,
auch in weiteren Kreisen bekannt zu werden. — Zunächst bedauert derselbe, daß es
zu einem Stillstand in unseren kunstgewerblichen Bestrebungen gekommen sei und
zwar deshalb, weil die Gewerbetreibenden vom Staat, sowie dem Publikum nicht
in der wünschenswerthen und nothwendigen Weise, weder durch Ankauf noch durch
Bestellungen unterstützt würden, daher sie gezwungen seien, wieder einfachere Gegen-
stände, die Jedermann braucht und kauft, anzufertigen. Das Publikum hält wohl
auf schöne und elegante Kleidung, kaufe aber doch in den billigen SO Pf.-Bazaren
und staffire seine Wohnungen mit diesem billigen Plunder, mit sogenannten Neu-
heiten, als Streitäxten, Jokeimützen, Cylinderhüten, hohlen Köpfen und Elephanten
als Aschebecher, Engel als Klingclzüge, Tempel als Tintenzeuge, Kartenspiele und
Schachbretter als Manschettenknöpfe und was des Unsinns und Ungeschmackes mehr
ist, aus und sei überhaupt noch nicht von einem guten geläuterten Geschmack durch-
drungen.

Trotzdem es jetzt eine große Anzahl Künstler und Kunstgewerbetreibender
gäbe, die auch Tüchtiges zu leisten imstande seien und auch leisteten, und trotzdem
der Staat mit bedeutenden Mitteln Akademien, Kunstgewerbe- und Handwerker-
Fachschulen unterstütze, fördere er doch nicht die Kunst, noch weniger aber das
Kunstgewerbe, indem' er wohl Produzenten aber keine Konsumenten, keine Käufer
für kunstgewerbliche Arbeiten erziehe. Bor allem sei es nothwendig, daß das Ver-
mögen besitzende Publikum zum Verständniß am Schönen und Stilvollen erzogen
werde, daß es Freude an schönen und formvollendeten Arbeiten habe, dieselben auch
kaufe und bestelle. Auch in dieser Beziehung sei es, wie in so manchen anderen, in
Frankreich besser; in unserem Nachbarlande wird schon seit 200 Jahren die Kunst
mit bedeutenden staatlichen Mitteln gepflegt und damit der gute Geschmack ins Volk
«ingeführt. Es würden dort nicht nur die Lehrwerkstätten für Kunst und Gewerbe-
treibende gefördert, sondern der Staat sei auch selbst Besteller, indem nicht nur die

würden sich dann vermögende Leute wohl hüten, „Schund" zu kaufen unb in ihren
Wohnungen aufzunehmen. Neben den unsinnigen Neuheiten, den Cylinderhiiten, den
Jokeimützen, den hohlen Köpfen und Thieren, den Pferdeeimern, die als Äschebecher
dienen, stelle man wirkliche richtige Aschebecher, neben Tempeln und hohlen Früchten,
die als Tintenfaß benutzt werden sollen, stelle man ein wirkliches und schSngeformtes
Tintenfaß. Alsdann sollten auch ganze Industrien, ganze Arbeitsmethoden in ihrer
Entwickelung vorgeführt werden, wie dies auch im Berliner Völkermuseum, wie
auch in der Bergakademie bereits geschieht, z. B. die Bronzeindustrie. Dann würden
die Modelle, die Gußformen, die Gußstücke, unbearbeitet sowie gefeilt, ziselirt,
gebrannt, gebeizt usw. nebst Beschreibung auszustellen sein, um dem Publikum nicht
nur den Entwickelungsgang zu zeigen, sondern auch damit dasselbe sieht, wieviel
Mühe, Sorgfalt und Fleiß die Herstellung mancher Gegenstände erfordert, um so
zu zeigen, daß die Arbeit immer noch billig ist im Verhältniß zu der Mühe, die sie
erfordert. Das Publikum würde Hochachtung vor der Arbeit gewinnen, die so viel
Fleiß und Geschicklichkeit erfordert.

Die Kunstgewerbemuseen, die gegründet wurden, um das Kunstgewerbe zu
heben, demselben alte gute Vorbilder zu liefern, das Publikum zum Schönen zu
erziehen, haben doch nicht den gewünschten Nutzen gebracht, sind vielmehr als kunst-
historische Sammlungen anzusehen, die den Gewerbtreibenden wenig nützen, da doch
nachahmungswerthe Gegenstände selten vorhanden sind, sondern nur zum allgemeinen
Studium dienen können, cS sei denn, daß Sonderausstellungen, z. B. von Rahmen,
Schmuckgegcnstüuden, Zinngefäßen usw. stattfinden, an die sich Vorträge anschließen.
Auch der Sammelwuth von alten Gegenständen sollte gesteuert werden, da dieselben
nicht das Kunstgewerbe, auch nicht immer den Geschmack fördern, wohl aber den
Antikenhändlern und Fälschern die Taschen füllt.

Die Kunstgewerbc-, Handwerker- und Gewerbevercine sollten immer und
immer wieder Konkurrenzen, die mit anständigen Preisen bezahlt werden, theils für
Entwürfe, theils für ausgcführte Arbeiten ausschrciben und namentlich darauf sehen,
daß diese Arbeiten solide, gut und wenn auch einfach, doch stilgerecht dnrchgeführt
würden, und die Handwerker sollten nur gute Gewerbekünstler für ihre Entwürfe
zu Rathe ziehen, wie seiner Zeit auch Dürer, Holbein u. a. zu Rathe gezogen

(Abbildung Nr. 43. Dischlsnfev. Text siehe unten.)

Museen des Landes mit diesen mnstergiltigcn Arbeiten bereichert werden, auch die
Schlösser und Parlamentsgebäude, die Rathhäuser, Kirchen, die Wohnungen der !
hohen Staatsbeamten usw. werden mit eleganten und reichen Möbeln, Teppichen, !
Porzellan und Gemälden, Bronzen und Figuren, mit Malereien und Schnitzereien, !
mit Marmor- und Bronzekaminen geschmückt.

In' den deutschen Volksschulen sei das Zeichnen (wenn auch da noch in unter-
geordneter Weise) eingeführt, in den Gymnasien aber wird wohl recht viel Lateinisch
und Griechisch, Zeichnen aber nur in zwei unteren Klassen und in ganz ungenügender
Weise gelehrt. Als Entschuldigung wird angeführt, daß die Gymnasienbesuchenden
nicht zeichnen zu können brauchten, was ein bedauerlicher Jrrthum ist, da es im
späteren Leben von Aerzten usw. sehr wohl und oftmals gebraucht und bitter
empfunden wird, daß sie es nicht gelernt haben. Zur Erkenntniß des Schönen dient
es schon allein. Hier an diesen Schulen, wo die.Vermögendsten des
Landes hingehen, wo diejenigen ihre Bildung empfangen, die
später denStaat leiten, dieStädte regieren sollen, hier aufdiesen
Schulen muß das Zeichnen, Kunstanschauung, Stillehre usw. einge- !
führt, der Sinn für das Schöne, Gute und Wahre gepflegt und
gefördert werden, und wenn dies in ordentlicher und richtiger
Weise geschieht, erst dann kann es besser werden, dann erst wird
das Kunstgewerbe auf die Stufe gehoben, auf welcher es stehen
sollte. — Baden hat d.en Anfang bereits gemacht und das Zeichnen in seinen !
Gymnasien eingeführt; auch wir, die Bildhaueroereine, sollten bei den Regierungen !
petitioniren, daß das Zeichnen nicht nur in den Volksschulen mehr gepflegt, sondern"
auch in den höheren Schulen eingeführt würde, und daß auch Mittel zur Unter-
stützung des Kunstgewerbes ausgeworfen würden. Denn wenn der
Staat Kunstgewerbetreibende durch seine Schulen bildet, hat er auch die Pflicht,
dieselben zu beschäftigen, ihnen Arbeit und Verdienst zuzuweisen! (Und bieten
hierzu nicht auch die Einrichtungen unserer Schlösser, Rathhäuser, Kirchen, Parla-
mentsgebäude, Sammlungen, Postgebäude usw. die schönste Gelegenheit? Nur dürfen
alsdann auch diese Arbeiten nicht an den „Mindestfordernden" oder an einen Unter-
nehmer, sondern auch an wirklich Ausführende vergeben werden.)

Ferner müssen Kunstgewerbehallen geschaffen werden, die nicht, wie es vielfach
geschehen, als Verkaufsläden angesehen werden sollten, sondern bei freiem Eintritt
für Jedermann und zu jeder Zeit zugänglich sind null in welchen neben mustergiltigen
schönen Arbeiten auch schlecht ausgeführte zur Anschauung gebracht werden. So

wurden, wie es in München und Wien noch und zwar mit bestem Erfolge geschieht.
— Auch die Zeitschriften („Gartenlaube", „lieber Land und Meer", „Universum",
„Vom Fels zum Meer" u. a>) sollten nicht nur Abbildungen von Landschaften,
Denkmälern, sondern auch von geschnitzten Rahmen, Intarsien, Möbeln, Schmuck,
Oefcn und Kaminen, Pokalen und anderen kunstgewerblichen Gegenständen nebst
begleitendem Text bringen, damit das Publikum, namentlich in der Provinz, Ge-
schmack am wirklich Schönen und Guten erhalte. — Zur Zeit sind wohl die Fabriken
vollauf beschäftigt, die für den gewöhnlichsten Bedarf arbeiten, und geben dieselben
auch, laut Kurszettel, bedeutende Dividenden, ja manch- sogar 80 Prozent und noch
mehr: doch diejenigen Geschäfte, die schöne Einrichtungen anfertigen, insbesondere
auch die Holzbildhauer, haben nichts oder weniger zu thun und der Verdienst derselben
steht durchaus nicht im Einklang mit der geistigen nnd körperlichen Mühe und Arbeit,
die solche verursacht. — Möchten daher alle Faktoren zusammen wirken, damit es
besser werde; namentlich muß der Staat sich seiner Pflicht bewußt sein und das
Volk (insbesondere die Bessersituirten) zum wirklich Schönen und Guten erziehen,
damit es keinen billigen Schund wie jetzt, sondern geschmackvolle, solide und schöne
Gegenstände kaufe und bestelle. Wie oft kommt es vor, daß Leute nobel und elegant
in Sammt und Seide gekleidet einhergehen, während es im Hause trotz vorhandener
Geldmittel traurig und öde aussieht. Es gilt auch hier der Spruch: „Zeige mir,
wie du wohnst, und ich will dir sagen, wer du bist." F. Böttcher.

Mfchläufev.

Den oben abgebildeten Tischlänfer führt man am Besten auf
Crßme-Leinen aus. Die Formen werden mit hellbraunem Garn aus-
gefüllt und mit etwas dunklerem umrändert. Für die Umrahmung des
Medaillons kann man eine andere Farbe nehmen. Die Blumen führt
man in Plattstich aus.

Berichtigung zu dir. 11 unseres Blattes. In dem Aufsatz von
Carl Behr ist auf Seite 87 (erste Spalte) in der 15. Zeile von unten
statt Katzen „Fratzen" zu lesen Ferner muß die Ueberschrift der Notiz
auf Seite 88 „Möbel aus Kristall" statt Möbel und Kristall heißen.
 
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