Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 1.1890

DOI article:
Bötticher, Georg: Was nun?, [1]: eine Plauderei über den Zukunfts-Stil
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11255#0135

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
insbesondsi-s Ser

Wößel-. Uexxich-. Kaxeien-. Vorhänge
^ unö Möbelstoff-Hnönstrie.

sr^ Menevas j^nMgev ^

kür alle Erzeugnisse von Gebrauchs und A«Ms-<§cg<!nftäiideu
zur KuLschmüLung and Hinrichtung öer Hohnräuuie

Erschein»

am sO. u. 25 je!» rNonals

vierteljährlich Nlk 2 50
vierteljährlich INk 3 —

,2 . . ' ro° »

2» . . . 2S',,0/o .



-





^ ^HM

!k







Ä


Das „Fachblatt für Innen-Dekoration" ist
bei der deutschen Reichs-Post unter Nr.
2V22 der Post-Zeitungsliste eingetragen.

verbreitet in Deutschland, Gesterreich-Ungarn und der Schweiz.

KM- Vertrieb s. Gester.-Ungarn: SptklhapkN H Kchuvlch, MVien l, Kumpfg. 7.
Bezugspreis des Blattes l^jäkrl. tzsi. fl. 1.50. Erhältlich durch jede Buchhandlung.

Kleinere Beträge sind stets vorauszube-
zahlen. Einzelne Nummern kosten 50 Pf.
Telegramm-Adr.: Verlag Koch, Darmstadt.

I. Jahrgang.

larmstaöL, 2Z. ÄulL MV.

; Ummer 14.

Nachdruck unserer Original-Artikel ist nur mit unsrer Erlaubniß gestattet.

Was nun?

Line Plauderei über den Zukunfts - 5til.

Von Georg Bötticher.

^^^^on Kunstindustriellen aller Branchen kann man neuerdings
häufig die Aeußerung vernehmen: „Welchen Stil soll man
heutzutage eigentlich wählen? Man weiß gar nicht mehr,
was die Leute wollen."

In der That macht sich im Publikum eine gewisse Uebersüttigung
in Geschmacksangelegenheiten geltend — eine natürliche Folge des un-
natürlich-schnellen Wechsels der Stilweise in den letzten Jahren. Zwar
das Verlangen nach Neuem, nach Wechsel in den Formen ist allezeit
vorhanden gewesen, es ist tief in der menschlichen Natur begründet und
einer der mächtigsten Faktoren zur Weiterentwickelung. Kaum jemals
aber hat es sich in so krankhafter Steigerung gezeigt, hat es so den
Karakter des Sensationsbedürfnisses angenommen, wie in dem jüngst
vergangenen Dezennium. Von der Renaissance angefangen sind binnen
weniger Jahre alle Stilepochen bis zum Empire von uns hervorgeholt,
flüchtig erneuert und wieder in den Winkel geworfen worden. Der
letztere Stil ist die neueste Errungenschaft. Er beherrscht augenblicklich
unsere Frauenmoden, beginnt in der Einrichtung unserer Zimmer Fuß
M fassen und zeigt sich schüchtern auch schon in Stoffen und Tapeten.
Wenn er aber — wie zu vermuthen ist — nächstes Jahr in Blüthe
stehen und übernächstes Jahr uns überdrüssig wird, was , dann? Welcher
Stil soll dann darankommen, da doch mit dem Empire die Reihe der
eigentlichen Stilepochen schließt? Wird es der Naturalismus sein, den
wir wieder hervorsuchen? Oder der gothische oder gar der romanische
Stil? Oder beginnt der Kreislauf mit der Renaissance auf's Neue?
Diese Fragen drängen sich unwillkürlich aus. Sie sind leider nicht so
schlankweg zu beantworten, auch die Klügsten tappen in dieser Hinsicht
im Dunkeln. Und nur Eines scheint festzustehen: daß es unsrer Zeit
nicht glücken will, einen eigenen, einen modernen Stil zu finden.

Und doch gab es einen Zeitpunkt in unserer jüngsten Vergangen-
heit, am Ausgange der 70er Jahre, wo die Möglichkeit eines neuen
Stiles in verheißungsvoller Nähe schien. Das war zu jener Epoche,
da man auf dem Fundamente der deutschen Renaissance eine sinnvolle,
dem Gesetz der organischen Entwickelung gehorchenden Verzierungsweise
anstrebte, ohne sich sklavisch an die alten Vorbilder zu halten, wo uns
das Verfahren der alten Meister: einen Stuhl, einen Stoff, ein Gefäß
so zu gestalten und zu verzieren, wie es am Besten den Funktionen
dieser Gegenstände entspricht, in Fleisch und Blut überzugehen begann,
wo man bereits zu vergessen anfing, bei einer modernen kunstgewerb-
lichen Leistung die Stilfrage zu stellen, wo man vielmehr seine Freude
an jeder tüchtigen dem Gegenstand angepaßten Leistung hatte, ohne
Rücksicht daraus, ob derselbe Renaissance-, gothische oder orientalische
Formen zeigte, wo man beim Entwerfen eines Musters rein von dem
Gedanken erfüllt war, dem zu verzierenden Gegenstand möglichst gerecht
zu werden und ohne ängstliche Stilbedmken frisch darauf los schuf.

Damals war man wirklich auf dem besten Wege, sich nach und
nach von den alten Stilarten los zu machen und unvermerkt dafür
einen eigenen Stil einzutauschen. Aber leider wurde dieser Weg wieder
verlassen! Das an und für sich höchst berechtigte Verlangen: die Frei-
heit, den Reichthum der Barock- und Rokoko-Formen den grundlegenden.
Prinzipien der Renaissance anzupassen, führte bald zur völligen Ausgabe
der gesunden Basis, die dieser letztere Stil geschaffen, ging alsdann in
eine rein äußerliche Wiederaufnahme des Rokoko auf und nach ganz
natürlich eintretender baldiger Uebersüttigung an demselben auf eine
ebenso flüchtige Reproduktion des Louis XVI.-Stiles über, von dem
wir schließlich zu dem glorreichen Empire gelangten, in welchem wir
uns ja augenblicklich noch befinden.

Von dem Jnnehalten der Reihenfolge dieser Stile ward unser
Kunstgewerbe nur einmal abgelenkt, nämlich als die japanischen
Kunstprodukte auf dem Weltmärkte auftauchten. Diese Ablenkung hätte
unserer Industrie zum Glück werden können, denn wenn einer, so wäre
der japanische Stil geeignet, vorbildlich und erzieherisch auf unsere
Verzierungsweise zu wirken. Leider hat sich die gedankenlose Mode

V
 
Annotationen