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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 1.1890

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Pasqué, Ernst: Die Gobelin-Manufaktur zu Paris, [3]: zugleich ein Blick auf den Antheil deutscher Meister an ihrer Entstehung
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Behr, Carl: Ueber Dekoration und Möblirung unserer Wohnräume, [12]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11255#0146

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Nr. 15.

F a>ch bla tt für I n n e n - D e k o r a t i o n".

Seite 125.

St. Germain, und Comans ließ zu seiner Hülfe einen berühmten Teppich-
wirker aus Flandern (Audenarde) kommen, der Jan Jansen hieß, dessen
Name jedoch von den Franzosen in Jean Jans umgewandelt wurde,
unter welchem er noch heute angestaunte Meisterwerke der Tapeten-
Jndustrie schuf.

Jetzt aber erschien ein Mann, dessen Leistungen, wenn auch gerade
nicht in der Wirkerei selbst, so doch auf dem diese Arbeiten vorbereitenden
Gebiete der Färberei, von der weittragendsten Bedeutung werden und
den eigentlichen Anstoß zur Errichtung der könig-
lichen Manufaktur geben sollten. Es ist ein
seltsamer Zufall, daß dieser Reformator der
Färbekunst denselben Namen trug, wie der etwa
hundert Jahre später auftauchende Reformator
der dramatischen Musik, und
daß er, wie Jener, unzweifel-
haft ein Deutscher war: er
hieß Hans Gluck.

Dem Ahnherrn der Familie
sind wir in unserer obigen
Schilderung schon hundert
Jahre früher begegnet. Seine
Nachkommen scheinen sich nach
Deutschland zurück gewendet
zu haben; denn als der oben
Genannte wieder in Flandern
und Holland arbeitete, wurde
er selbst von den Holländern
nicht mehr Kloek, sondern mit
dem deutschen Namen Gluck
genannt, wie auch in der Folge
von den Franzosen. Hans
Gluck muß sich für seine Zeit
und sein Fach bedeutende
chemische Kenntnisse angeeignet
haben; stimmen doch alle Aussagen über ihn darin überein, daß er
Farben, besonders Scharlach, in einer solchen blendenden Frische und
Schönheit hergestellt habe, wie man sie bis dahin noch nicht gesehen,
dazu noch jede Farbe in vielen Abstufungen, daß man jetzt erst im
Stande war, wirklich farbenprächtige Tapeten mit richtig abschattirten
Sujets herzustellen. Dabei muß er ein durchaus praktischer Alaun

gewesen sein; denn er war es, der die Krappfarbe, die heute noch einen
so bedeutenden Handelsartikel Frankreichs bildet, dort erst recht in Auf-
nahme brachte.

1655 kam Hans oder, wie er jetzt genannt wurde, Jean Gluck
nach Paris und siedelte sich sofort dicht neben der Gobelin-Färberei an.
Seine Produkte, besonders sein Scharlach, sowie auch die billige rothe
Farbe, welche er aus der „Färberröthe", der Garance (Rubin tinotorum
kmtivn), herzustellen wußte, erregten allgemeines und größtes Aufsehen
und bald auch die Aufmerksamkeit Colbert's,
Ministers und Generalkontrolleurs der Finanzen
unter Ludwig dem Vierzehnten.

Dieser praktische Staatsmann erkannte
sofort, welche Vortheile aus den Arbeiten Gluck's
zu ziehen seien, und beredete
den König, dessen Färberei
mit den bereits bestehenden,
sowie den verschiedenenTapeten-
wirkereien und anderen könig-
lichen Manufakturen zu einer
einzigen großen Staatsanstalt
zu vereinigen. Ludwig der
Vierzehnte billigte den Vor-
schlag seines Ministers, der
einen ebenso großen künst-
lerischen wie praktischen Erfolg
versprach, und ohne Säumen
ging Colbert an die Ausführung
seines Planes. Am 8. Juni
1662 kaufte er den ganzen
ehemaligen Güterkomplex der
Familie Gobelin, aus dem
großen „Hotel des Gobelins",
Höfen, zahlreichen Bauwerken,
Gärten, Wiesen, Waldungen
und Erlenpflanzungen längs dem Flüßchen Biüvre bestehend, dem da-
maligen und letzten Eigenthümer, dem Parlamentsrath Leleu, im Namen
des Königs für 40,775 Livres ab, und die bald weltberühmte Gobelin-
Manufaktur war in's Leben getreten.

In diese vielen Bauwerke wurden nun nicht allein die Färberei
Gluck's, die Tapetenwirkerei Comans' und Jans', sowie die der beiden

Abbildung Nr. 67.

Wkdeukfchrs Nindep-Welk aus Eisen oder Nußbaumholz.

und dadurch dem Platz ein weniger provisorisches Aussehen gegeben,
oft auch wird die Erhöhung durch Säulen mit dem Plafond verbunden
und mit lambrishohen Wänden und Ballustraden nach Außen ab-
geschlossen.

Eine andere reizvolle Art, das Zimmer wirkungsvoll und gemüth-
lich zu gestalten, wird in solchen Fällen angewendet, wo ein zweiter,
kleinerer Raum neben dem Wohnzimmer liegt. In diesem Falle nimmt
man wohl die beide, Räume trennende Wand ganz heraus und ersetzt
dieselbe dadurch, daß man eine mannshohe Holzwand, welche mit dem
Plafond durch Säulen und Ballustraden verbunden ist, an ihre Stelle
setzt. Die Thüre wird durch einen Vorhang markirt, welcher in hübscher
Art mit dieser Wand verbunden wurde. Man erhält dadurch einen
schönen Blick von einem Raum in den anderen, nimmt dadurch dem
kleinen Zimmer das Alkovenartige und hält beide Räume doch getrennt.
Die trennende Holzwand wird dann am besten mit Gesims in Humpen-
brettform abgeschlossen, welches recht wirkungsvoll mit Dekorationsgegen-
ständen bestellt werden kann und bietet ferner Gelegeilheit zum Aufstellen
hübscher Möbel auf beiden Seiten. Ein Beispiel dieser Art zeigt an
dieser Wand auf der Seite des Wohnzimmers ein hübsch ausgestattetes
Pianino, die über dasselbe herausragende Wand bildet ein Etagüre für
Noten und auf der anderen Seite in dem kleinen Raume ist ein eng
nnt der Wand verbundener Schreibtisch placirt, und die Wand mit
Bildern und Fotografien über denselben behängt. Arrangements dieser
Art wirken immer malerisch und erhöhen die Gemüthlichkeit des Raumes.

Auch solche architektonische Ausbildungen, welche sich über Divans,
Schreibtische und ähnliche Möbel herumbauen und dadurch einen größeren
Theil der Wand einnehmen, sind sehr zu empfehlen, sie nehmen dem
Zimmer das Provisorische, das was dieselben mit Zimmern in Mieth-

wohnungen gemein haben, wo an der einen Wand der Divan mit dem
davorgestellten Tisch seinen Platz gefunden hat, an der anderen Wand
der Bücherschrank, an der dritten der Silberschrank und so weiter.

Eine solche Möblirung des Raumes läßt immer darauf schließen,
daß der Bewohner nur vorübergehend sein Heim hier aufgeschlagen hat,
er kann ja mit diesen Möbeln zu jeder Zeit in eine andere Wohnung
ziehen, wenn auch der Divan, der früher rechts vom Fenster stand, dies-
mal den Platz zur Linken des Fensters einnehmen mag. Man findet
deshalb mit Vorliebe solche Arrangements verwendet, welche dieses
ungemüthliche Gefühl des Vorübergehenden, nicht Definitiven ausschließen,
wie z. B. Bibliotheken derart um den Divan gebaut, daß dieser gleichsam
in einer Nische des großen Möbels steht, welches am liebsten die ganze
Wand einnimmt und mit welchem Schreibtisch, Fotografienschrank, auch
wohl Uhr — und Gott weiß was Alles — verbunden sein darf.

Oft aber bleibt für das eigentliche Wohnzimmer ein so kleiner
Raum, daß mau auch auf solche Lösungen Verzicht leisten muß: in solchem
Falle besteht oft die Hauptmöblirung des Raumes aus einem großen
Tisch, um welchen sich verschiedene Sitzmöbel für die verschiedenen Mit-
glieder der Familie gruppiren. Eine große Hängelampe über diesem
Tisch verleiht dann wohl auch diesem Raum etwas trauliches, anheimelndes,
was dem Familienwohnzimmer unter allen Umständen eigen sein sollte.

Für das Wohnzimmer werden vorzugsweise für Tapeten und Teppiche
warme Töne gewählt, ein tiefes Blau, Braunroth oder Oliv sind kälteren
und helleren Tönen immer vorzuziehen. Die ganz Hellen Wohnräume
mögen ja wohl etwas frisches, sauberes haben, aber gemüthlich sind sie
nicht, sie wirken kalt und lassen eine warme Behaglichkeit nicht aufkommen.

(lz-ortsetzung folgt.)
 
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