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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 1.1890

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Die Wohnräume des deutschen Kaisers bei seinem Besuche in Rußland
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Böttcher, F.: Beitrag zur farbigen Behandlung der Möbel, Wandbekleidungen, Zimmerdecken usw.
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Staatlich unterstützte Schleswig-Hollsteinische Lehr-Werkstatt und Meister-Schule für Kunsttischler und Bildschnitzer in Flensburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.11255#0158

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Nr. 16.

Fachblatt für Innen-Dekoration".

Seite 135.

Nie Woßnväume ües deutschen Kaisers
kiei feinem Besuche in Rußland.

^er im Jahre 1888, beim ersten Besuche Kaiser Wilhelms in Peterhos, zu-
gegen gewesen, kennt die Pracht, welche im großen Schlosse Hierselbst zum
würdigen Empfange des deutschen Monarchen entfaltet wurde. Damals nahm der
Kaiser hier einen fast sechstägigen Aufenthalt, während er diesmal nur im Vorüber-
gehen hier zu weilen gedenkt, und doch ist hier wieder Alles neu und so prächtig
eingerichtet worden, als gelte es einem längeren Aufenthalte des Kaiserlichen Gastes.
Kaiser Wilhelm wird allerdings die nämlichen Gemächer bewohnen, die er bereits
im Jahre 1888 inne hatte, 7 Zimmer des linken Flügels, und zwar im ersten
Stockwerke, aber dieselben sind ganz neu dekorirt worden und kaum wieder zu er-
kennen. Durch einige Vorzimmer tritt man in ein Gemach, dessen Meublement im
Rokokostil gehalten ist und Pensse mit Gold durchwirkte Polsterung zeigt. Das
nächste ist grün- und.weißgestreift, und sowohl Tapeten, als auch Möbel sind aus
schwerster Seide; es soll als Empfangszimmer dienen. Wahrhaft luxuriös ist das
Schlafgemach, in weißem geblümten Seidendamast tapezirt, eingerichtet. Hier fehlt
auch nichts an den irgendwie erforderlichen Utensilien
und alle Gebrauchsgcgenstände zur Toilette sind aus dem
feinsten Porzellan. Im Hintergründe befindet sich in
einer herrlich drapirten Nische das dickvergoldete Bett,
in weißer Seide gepolstert, vor demselben ein kostbarer
goldener Pfeilerspiegel. Das Arbeitszimmer trägt an
den Wänden und auf den Möbeln einen blau gemusterten
Stoff. Die für den Prinzen Heinrich reservirten Zimmer
sind durch einen Korridor mit einem Vorgemach der
Kaiserlichen Wohnung verbunden und nicht minder kost-
bar eingerichtet. Sie bestehen aus einem weißgeblümten,
einem roth-weißgestreiften und einem schilfgrün dekorirtcn
Zimmer, sowie aus einem reizenden Spicgelgemach.

Auch hier sind Tapeten und Ameublement aus den
schwersten Seidenstoffen. Wenn man aus den Kaiser-
lichen Zimmern in den in der Vorderfront des Schlosses
gelegenen großen Empfangssalon tritt, dessen Sciten-
wände und Ausstattung in lichtblauer Seide gehalten
sind, so gewahrt man sofort an der linken Seitenwand
das große Marinebild von Salzmann — ein Geschenk
Kaiser Wilhelms an Kaiser Alexander —, die Ankunft
des deutschen Geschwaders vor Kronstadt im Jahre 1888
darstellend. Es trägt auf dem kostbaren goldenen Rah-
men die Inschrift: „Kronstadt, 19. Juli 1888" und
bildet eine schöne Zierde des Salons. Es folgen dann
noch ein roth drapirtes Zimmer, ein kostbares Spiegel-
zimmer, ein chinesisches Balkonzimmer, welches in seiner
fürstlichen Ausstattung mit den herrlich in blauem Seiden-
stoff hergestellten und mit Handstickereien versehenen ge-
polsterten Stühlen und großen Ecksofas in der That
seines Gleichen sucht. Ein chinesisches Theezimmer, ein
Frühstückszimmer, in Creme-Seide drapict, und der
große rothe Speise-Salon mit seinen prächtigen zwölf
Glaskronleuchtern bilden den Schluß der Gemächer des
ersten Stockwerkes des großen Schlosses, von dem aus
sich ein herrlicher Anblick auf den vorliegenden finnischen
Meerbusen darbietet.

Reitvay Mv farMgen Netzanökung
üer WöÜel, ManMelrkeiÜimgen,

ZimmeröeMen usw.

>chon seit einiger Zeit macht sich das Bestreben gel-
tend, die Farbe überall, vor Allem auch in der
Wohnung, mehr als bisher vorherrschen und wirken zu
kaffen, und obgleich dies mehrfach und von verschiedenen
Gewerbetreibenden versucht wurde, ist dies doch noch nicht
recht geglückt. Wenn auch nicht zu leugnen ist, daß

uns so mancher Töpfer mit seinen farbigen grünen oder blauen deutschen Renaissance-
Oefen, so mancher Tischler mit Möbeln von verschiedenfarbigen Hölzern und Jntar-
sien-Einlagen, so mancher Maler mit farbig gemalten und mit Sprüchen versehenen
Möbeln, so mancher Tapezirer durch geschicktes Arrangiren von passenden farbigen
Stoffen, Vorhängen usw. erfreut hat, auch Teppiche und Tapeten im Zimmer schön
und nett zu gestalten wußte, so hat doch Niemand die Farbe so gut und angenehm-
bescheiden wirkend in den Dienst der „Zimmer-Dekoration" bringen können, wie es
dem Emailwerk Gaggenau im Murgthal (Baden) geglückt ist. Dieses Werk
erfand und fabrizirt an Stelle der Thonfließen und Majolikamalereien das „Email
uuf Eisen", welches sich vermöge der Dauerhaftigkeit, der Leichtigkeit, der Befestig-
ung, der Gleichmäßigkeit der einzelnen Fließen, durch Unzerbrechlichkeit auszeichnet
und behufs seiner richtigen künstlerischen Behandlung eine sehr vielseitige Verwendung
und Verwerthung in den verschiedenen Gebieten des Kunstgewerbes findet und noch
finden wird.

Die künstlerisch entworfenen Muster werden in der Weise hergestellt, daß durch

ein Umdruckverfahrcn (ähnlich wie bei Abziehbildern) die Zeichnung in ziemlich
scharfen Umrissen auf die rohe emailirte Fläche übertragen wird, worauf die Fläche
mit Farbe ausgefüllt und das Ganze gebrannt wird. Die farbigen Platten werden
nur von 25 prozentiger Schwefelsäure angegriffen und widerstehen den stärksten
Temperatur-Differenzen. Dabei ist das Email so elastisch, daß es selbst eine sehr
starke Biegung der Platte verträgt, ohne Risse zu bekommen. Versuche, bei welchen
die Platten bis zu 60 Grad erwärmt und dann in Eiswasser geworfen wurden,
haben günstige Ergebnisse geliefert. Den Thonfließen gegenüber haben diese Platten
den Vorzug größerer Gleichmäßigkeit, daß also das kostspielige und mühsame Nach-
schleifen wegfällt. Dazu kommt die Dünne der Platten, welche eine Raum- und
Flächen-Ersparniß zu Folge hat, sowie endlich auch noch die Leichtigkeit derselben,
wodurch auch die Möglichkeit geboten wird, dieselben an Flächen und Erdstiegen,
oder in einen Falz einlegen zu können.

Vor Allem sind diese Platten, welche in den verschiedensten Größen und
Formen (rund, 4 6 und 8 eckig), ferner in den verschiedensten und brillantesten
Mustern und Farben hergestellt, auf Lager gehalten, doch auch auf Bestellung und
nach besonderen Maaßen und Zeichnungen angefertigt werden, geeignet als Füllungen
und Verzierungen an den Möbeln, Wandbekleidungen, Plafonds und Tischplatten
usw. zu dienen. Auch können sie zur Bekleidung von
äußeren Wandflächcn mit Vortheil und Nutzen Verwen-
dung finden, da sie weder von der Kälte noch von der
Hitze angegriffen werden und, wenn je in einem Winter
von Ruß schmutzig geworden, leicht abgewaschen werden
können. In ähnlicher Weise werden auch eine Anzahl
anderer Gegenstände, als Bieruntersetzer, Kaffeebretter usw.
angefertigt, die außer Unzerbrechlichkeit und Leichtigkeit
sich auch noch durch große Schönheit auszeichnen, und
daher wohl Werth sind in unsrer Wohnung eingeführt
zu werden. Möge daher diese neue praktische und schöne
Erfindung überall Eingang finden. l?. L.

Abbildung Nr. 76. SkSnLuhv.
Ausführung gedacht in Eichen- oder Nußbaumholz.

Staatlich imtevstimte Schleswigs
Wotsteiuifche Wehr^Mevkftatt unk
Meister---Schule für Runsttischkev
Nllü Rilüschnitzev in Meustmrg.

m 1. Oktober d. I. tritt in Flensburg (Schles-
^ Wig-Holstcin) unter Leitung und in unmittelbarer
Verbindung mit den Werkstätten des Möbelfabrikanten
Heinr. Sau ermann eine nach praktischen Grund-
sätzen eingerichtete Lehrwerkstatt und Meisterschule für
Kunsttischler und Bildschnitzer ins Leben. Dieselbe be-
zweckt, junge Handwerker durch systematisch eingerichtete
Lehrkurse zu künstlerisch und praktisch tüchtigen Geschäfts-
leuten heranzubilden, die infolge gründlicher Ausbildung
auch die Fähigkeit erlangen, der Leitung eines handwerk-
lichen Betriebes mit Erfolg vorstehen zu können. Die
Schule sucht dieses Ziel durch engste Verbindung
des theoretischen Unterrichts mit der prak-
tischen Thätigkeit zu erreichen. Die kunstge-
werbliche Ausbildung soll durch Zeichnen und Modelliren,
die praktische Durchbildung dagegen durch eine geregelte
Werkstatt-Unterweisung wie durch gründlichen Unterricht
in der gewerblichen Buchführung und in der Berechnung
gezeichneter oder ausgeführter Gegenstände erstrebt
werden.

Die Schule wird sowohl jungen Handwerkern, die
die Lehre verlassen, wie älteren Gehilfen mit guter prak-
tischer Durchbildung Gelegenheit zur Weiterbildung dar-
bieten.

Der Lehrkursus dauert zwei Jahre, für etwa ein-
tretende Bildschnitzer-Lehrlinge vier Jahre. Schulgeld
wird nicht entrichtet; genügend praktisch vorgcbildeten
Gehülfen wird freier Unterhalt gewährt. Entlassung
vor Ablauf der Zeit bleibt nach den Bestimmungen der Schul- und Werkstatt-
orduung Vorbehalten.

Der 22 ständige theoretische Unterricht in der Woche wird hauptsächlich Frei-
handzeichnen, Fachzeichnen und Modellieren, außerdem geometrisches Zeichnen, Schatten-
lehre, Perspektive Zeichnen, Formenlehre und Zeichnen im Gewerbe-Museum, ge-
werbliche Buchführung und Berechnung, den Anforderungen des Berufs entsprechend,
umfassen. Die praktische Thätigkeit in der Werkstatt, 48 Stunden die Woche, wird
nach Möglichkeit darauf gerichtet sein, die in der Schule hergestellten Zeichnungen
praktisch auszuführen. In möglichst wechselnder Folge sollen den Schülern die ver-
schiedensten Arbeiten zur Ausführung übergeben werden, auch wird auf eine, der
modernen Anschauung und dem modernen Gebrauch entsprechende Umgestaltung alter
guter Vorbilder und auf Anwendung und Hebung alter Techniken der Kunsttischlerei
besonderes Gewicht gelegt werden. Das mit vortrefflichen, alten Vorbildern, haupt-
sächlich norddeutscher und niederländischer Kunsttischlerei und Bildschnitzerei reichlich
ausgestattete städtische Gewerbe-Museum wird für den Unterricht ausgiebig benutzt werden.
 
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