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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 1.1890

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Erker-Ansicht eines Herrenzimmers
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Behr, Carl: Ueber Dekoration und Möblirung unserer Wohnräume, [16]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11255#0185

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Leite 156.

Fachblatt für ^nnen-Dekoration".

Nr. 19.

in,Bau- und Ausstattungsweise gewaltige Veränderungen hervorbrachte.
Die Kunst schöpfte wie die Wissenschaft aus den Quellen antiker Geistes-
bildung und, begünstigt durch äußere Umstände, schmückte sie das häus-
liche Leben in mannigfachster Weise.

Deutschland folgte hierin dem Vor-
gänge Italiens, wendete aber die
entlehnten Formen seiner künstler-
ischen Eigenart entsprechend an. Die
Möbel jener Zeit zeichnen sich bei
konstruktiver Einfachheit durch Beweg-
lichkeit, harmonische Anordnung und
fantasiereiche Verzierungen aus. Im
17. Jahrhundert übernahm Frank-
reich die Führung, und der Barock-
stil begann seine Blüthe zu entfalten.

Große Verhältnisse, Ebenmaß des
Aufbaues und des Schmuckes kenn-
zeichnen die schönsten Arbeiten der
Barockzeit. Allmählig, während die
kräftige Formung erschlaffte, ver-
feinerte sich die Durchführung der
Jnnen-Dekoration unter der Herr-
schaft des Rokoko. Dann folgte die
- antikisirende Richtung, welche in
der gänzlichen Schmucklosigkeit die
klassische Einfachheit gefunden zu
haben meinte. Zu Anfang der zwei-
ten Hälfte dieses Jahrhunderts, nach
einer Zeit arger Geschmacksverwilder-
ung, brach sich die Erkenntniß Bahn,
daß man, um die Industrie auf
ihre frühere Höhe zu bringen, zu den
Ausgangspunkten zurückkehren müsse.

Ebenso wie einst die Renaissance
durch das Studium der Antike einge-
leitet und mit dem hierdurch neuge-
wonnenen Verständniß für das Schöne
der Keim zum fröhlichsten Gedeihen künstlerischer Thätigkeit gelegt wurde,
suchte man nun durch Studium und Nachahmung der Wen Renaissance-
Arbeiten eine Grundlage zu gewinnen, um zu gleichen Erfolgen zu

Entwurf Nr. I. Motto: „Eine Federzeichnung"

gelangen. Man begann damit, die in Museen und Privatsammlungen
aufbewahrten Kunstschätze ans Licht zu ziehen und sie direkt als Vor-
bilder zu benutzen. Von: bloßen Kopiren der alten Arbeiten in Zeich-
nung und Kolorit, sowie in der tech-
nischenHerstellung ging man allmählig
zu freierer Behandlung der gegebenen
Motive über; man versuchte selbst-
ständig zu schaffen, und es gelang
so, in den verschiedenartigsten Leist-
ungen einen Höhepunkt zu erreichen,
auf welchem die Erzeugnisse der
Neuzeit denjenigen früherer Jahr-
hunderte gleichstehen. Namentlich
durch das Wiedererwachen des natio-
nalen Geistes hat das deutsche Kunst-
handwerk einen Aufschwung genom-
men, durch welchen der Einfluß, den
bisher fremde Nationen auf die ein-
heimische Industrie ausübten, nahezu
vollständig ausgeschlossen und die Ar-
beiten der letzteren auf zahlreichen
Gebieten über diejenigen des Aus-
landes erhoben wurden.

Unsre heutige Beilage zeigt eine
Erker-Ansicht eines Herren -Zim -
mers in deutscher Renaissance.
Es ist sehr natürlich, daß der Raum
des Hauses, in dem man sich am
meisten aufhält, auch am Behaglichsten
eingerichtet ist, weshalb denn auch
unter allen Stilarten, für unsere
Verhältnisse doch keine so geeignet
ist, diese Wirkung zu erzielen, als die
Renaissance in ihren mannigfachen
Abstufungen und Verschiedenheiten.
In beiliegendem Blatt ist eine Ecke
eines solchen Zimmers dargestellt.
Links ist ein Theil der Thürbekleidung sichtbar, während sich rechts der durch
einen schweren Vorhang abgeschlossene Erker befindet. Als Holzart ist
dunkles Eichenholz gedacht, die Wandsläche oberhalb der Boiserie ist

'Dekoration unö "MöMrrung
im fever

Von Carl Behr.

ii. Das deutsche Waus und seine Räume.

(Fortsetzung.)

ÄDichts destoweniger wird nach dieser Richtung viel gesündigt; Möbel,
welche ein entschieden occidentalisches Gepräge ausweisen und welche
deßhalb manchmal lächerlich in dem ungewohnten neuen Kleide erscheinen,
werden maurisch gemacht. Ein paar Zuthaten, eine handvoll orienta-
lischer Ornamente, ein paar arabische Sprüche, die Niemand entziffern
kann, genügen und der Dekorateur nennt den Raum maurisch.

Eine solche Maskerade verurtheilt sich von selbst, sie entbehrt als
Kuriosum des echten überzeugenden Eindrucks, sie ist eben nur Maskerade
und hat als solche keine Berechtigung. Etwas anders verhält es sich
mit den verschiedenen anderen exotischen Stilarten, unter Anderem mit
dem Japanischen oder Chinesischen. Die wunderbaren Vasen und Stoffe,
die übrigen prächtigen Erzeugnisse dieser Länder konnten natürlich nicht
ohne Einfluß auf die Entwickelung unseres Kunstgewerbes bleiben, läßt
sich doch so viel von diesen unseren Antipoden lernen. Schon in der
zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts wurden die Produkte dieser
Länder in Europa eingeführt und spielten im Rokokostil eine große
Rolle; japanisch ausgemalte Pavillons, spanische Wände in diesem
Karakter sind durchaus keine Seltenheit und finden sich oft in Schlössern
und Villen dieser Zeit. In Delft existirte bekanntlich eine Fabrik, welche

Steingut nach japanischen und chinesischen Modellen kopirte und deren
Produkte sich noch heute ihrer alten Beliebtheit voll und ganz erfreuen.
Wir können nun wohl viel, recht viel von diesen Völkern lernen, dürfen
dabei aber nicht vergessen, daß es doch eben ganz andere Völker mit
ganz anderen Bedürfnissen und Gewohnheiten sind und daß sich deßhalb
ihre Wohnungsverhältnisse nicht auf uns übertragen lassen. Ein chine-
sisches Theeservice, japanische Vasen und Stoffe, japanische Tapeten und
die kleinen reizvollen Dekorationsgegenstände nicht zu vergessen, können
und dürfen uns immer in hohem Grade willkommen sein, aber Räume
ganz japanisch einrichten zu wollen, wird immer ein Unding bleiben.
Wir sind keine Japaner und deßhalb wird ein solcher Raum doch nie
wirklich japanisch. Damit soll nicht gesagt sein, daß Bemalungen von
Wänden in japanischer Manier unter allen Umständen verwerflich wären,
oder, daß die Dekoration der Wände mit Bambus und japanischen
Matten an und für sich schon ein Unding sei; man muß ein solches
Vorgehen eben als Laune auffassen und Launen wirken oft auch in der
Dekorationskunst pikant und interessant.

In dieselbe Kategorie von Zimmern wie das Herrenzimmer ge-
hören alle möglichen weiteren Räume, welche eventuell noch Vorkommen,
wie Billardzimmer, altdeutsche Trinkzimmer und andere; man
findet dieselben meist vertäfelt, in dunklen satten Farben gehalten, haupt-
sächlich wohl deßhalb, weil in diesen Räumen oft und viel geraucht wird
uud weil es vorwiegend Herrenzimmer sind, welche doch gewöhnlich
weniger licht und freundlich gehalten werden, wie die Salons und
Damenzimmer.

Aus diesen und ähnlichen Zimmern bestehen die Repräsentations-
räume der deutschen Wohnung, es sind das diejenigen Zimmer, welche
auch von den Gästen des Hauses besucht werden; wir kommen jetzt zu
 
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