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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 1.1890

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Fischer, Arwin: Ueber das Einrichten und Aufmachen von Gardinen und Vorhängen, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11255#0197

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5eite 166.

Nr. 20.

,,^a chbla tt f ü r n cn - D ekor a ti o n".

^Dever das Dinvichten und Aufmachen
von Eavöinen unh Vorhängen.

Von Arwin Fischer.

Zl rl ic zur Ausschmückung unserer Wohuräuule ustv. verwendeten Gardinen und

Vorhänge zerfallen ungefähr in folgende 3.Gruppen: 1. weiße oder crö:ue
Gardinen, Stores; 2. abgepaßte
orientalische Shawls; 3. Stoff-
Vorhänge mit geschnittenen Dra-
perien. Die erst genannten Gar-
dinen, weiß oder creme, bilden
den Hauptbestandtheil unserer Fen-
sterdekorationen; man findet sie am
einfachsten Bürgerhausfenster (wenn
auch noch so schmal, kurz und
billig), ebenso wie im feinsten
Salon (hier in großartiger Aus-
führnng), sei es in Gnipjre-,

Spachtel- oder sonst dergleichen
Arbeit.

Ich will hier weniger auf die
Arten derselben eingehen, welche
einem späteren Artikel Vorbehalten
bleiben, sondern mich hauptsächlich
mit dem Arrangement, Befestigen
und dergl. befassen. Die einfachste
Art, dieselbe vor dem Fenster an-
zubringen, ist, daß solche mit Steck-
nadeln an ein hinter der Gallerie
(Gardinenleiste- oder Kasten) be-
festigtes Band in Falten angcsteckt
wird, in der Weise, daß die Shawls
in der Mitte je nach Bedürfnis;
mehr oder weniger übereinander
gehen, wobei zu berücksichtigen ist,
daß die Falten, von vorne gesehen,
nach hinten fallen.

Diese Art findet man hauptsäch-
lich in Nord- und Ostdeutschland,
abgesehen von den größeren Städten,
wo man ebenfalls zu der weiter
unten beschriebenen Zugvorrichtung
greift. Es ist dieses die einfachste
und billigste Weise, da solche, wo in
Norddentschland die Fensterflügel
vielfach nach Auswärts schlagen,
mit der Gardine nicht in Berührung
konimen. Häufig wird oben an
der Gallerie noch ein dritter und
vierter Shawls als Draperie ver-
wandt, wobei dieselben, wenn zu
steif, zuvor mit Wasser eingesprengt
werden.

In Süd- und Westdeutschland
werden die Gardinen fast aus-
nahmslos zum Ziehen eingerichtet,
welches den besonderen großen Vor-
theil hat, daß beim Oeffnen der
Fenster, welche nach innen schlagen,
diese nicht mit der Gardine in Be-
rührung kommen, hängen bleiben
und zerreißen.

Hierzu wird die Gardine oben
in Falten gelegt und mit Band
und Ringe besetzt, letztere lausen
an den über den Fenstern angebrach-
ten eisernen Gardinenstangen, —
die Gardinen selbst sind durch eine
Zugschnur mit einander verbunden,
welch' letztere durch Mcsstngrollen
oder Porzellanringe läuft, von den beiden herabhängendcn Schnürenden ist das eine
kürzer als das andere, — während man beim Aufziehen der Gardine das Kürzere
erfaßt, wird dieses durch das Auf- resp. Zurückgehen der Gardinen länger und so
umgekehrt.

Die ganze Zugvorrichtung wird durch die davor gehängte Gallerie, welche
meistens in Farbe den Möbeln entspricht (Nußbaum, Mahagoni) oder auch mit Stoff
zu den Möbelbezügen passend, bezogen und vielleicht mit großen blanken (Faqon)
Nägeln und Franzcn verziert sind.

Die Enden der Zugschnur sind entweder mit Quasten von Holz, Metall oder
Porzellan beschwert oder gehen durch einen an der Fußleiste angebrachten Ring und

sind miteinander verbunden und gespannt. Die Gardinen werden dann in einer
Höhe von 1 m bis 1,60 m (vom Fußboden gerechnet) auf- bezw. zurückgegriffen und
in eine» Halter gehängt.

Den Aufgriff macht man entweder in straffen Falten, geschwungenen Bogen
oder in ganz tiefer Weise von unten (englischer Aufgriff). Dieses Alles hängt wesent-
lich von der Bestimmung des Zimmers ab; die ersten beiden Arten wendet man bei
Wohn- und Speisezimmern, Kindcrzimmcrn, feinen Bureaus usw. an, wo wohl die
Gardine als Schmuck des Zimmers dienen soll, aber keine, resp. sehr wenige Be-
einträchtigung des Lichtes herbei-
führen darf; — die dritte Art findet
hauptsächlich ihre Verwendung im
Schlafzimmer und Salon, wo cs
entweder gilt, fremde Blicke von
dem Innern. des Zimmers fern zu
halten, oder wie bei Salons, welche
ja hauptsächlich bei Beleuchtung
benutzt werden, die Gardine in ihrer
vollen Schönheit zur Geltung zu
bringen.

Bei zwei nebeneinander liegenden
Fenstern empfiehlt cs sich, die
inneren Halter 80—60 ein höher
anzuschlagen, indem dadurch eine
gewisse Abwechselung, bezw. mehr
Schwung in das Ganze tritt. Die
Herren Dekoratöre müßten über-
haupt bemüht sein, Dekorationen,
Gardinen usw. zu beiden Hälften
nicht gleichmäßig zu arrangiren,
denn mitunter, auch nur eine kleine
Veränderung in den Höhenverhält-
nissen, erzeugt ein ganz anderes
wohlthuendes Gefühl in dem Auge
des Beschauers und das Auge sieht
sich auch nicht so schnell müde.

Nebenbei sei bemerkt, — obwohl
selbstverständlich, so findet man doch
öfters das Gegcntheil — daß bei
zwei nebeneinander liegenden Fen-
stern der rechte resp. linke Außen-
shawls die oberen sein müssen, sich
also gegenüber hängen.

Auf einen leider häufig anzutref-
fenden Uebelstand sei noch hingewie-
sen, welcher besonders von dem
zarten Geschlecht begangen wird,
cs ist das übermäßige Stärken der
Gardinen, daß solche so steif wie
ein Brett sind; trotzdem sagt die
Hausfrau zum Tapezirer: „Machen
Sie Mir recht schöne Falten in die
Gardine." Eine Gardine soll, um
eleganten Faltenwurf und schönes
Ansehen zu erhalten, nur durch
dünnes Stärkwasser gezogen und
nicht gebügelt, sondern auf Rahmen
gespannt sein.

Vielfach bringt man die rechte
Seite der Gardine nach der Straße
zu und die linke, grobfädige, nach
dem Zimmer — ich kann dies nur
als eine Verirrung bezeichnen,
denn ich richte mir doch mein
Zimmer nicht für die Straßen-
passanten ein, sondern für mich,
und hierin hat eben der Deutsche
noch nicht den Begriff, den feinen
Eindruck des Bequemen, des Selbst-
gefallenden vom Engländer, welcher
sagt: „mein Haus ist mein Schloß!"

Eine zum Glück überwundene
Mode ist das Auslegen der Gar-
dinen in Fächerform auf den Fußboden, welches man höchstens noch bei alten allein-
stehenden Jungfern, , oder in sogenannten „guten Stuben" auf kleinen Ritter-
gütern findet. Nichts ist verwerflicher als dieses, da man nie zum Fenster
gelangen kann, ohne die Befürchtung, die Gardine zu treten und zu beschmutzen,
abgesehen davon, daß eine Gardine auch nicht wie ein Teppich zur Dekoration des
Fußbodens dienen soll.

Unter Stores ist ein glatt vor der ganzen Breite des Fensters hängender
Shawls zu verstehen, welche man in weiß und crsme, Seide, dünne bunte Stoffe rc.
hat; dieselben werden ebenfalls zum Ziehen eingerichtet, nur dürfen dieselben nicht,
den Boden berühren, um glatt zu hängen. (Schluß folgt.)

Abbildung Nr. 91. Moderne Uensterdrkovstion im Renaissancestil.
 
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