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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,1.1899-1900

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Heft 2 (2. Oktoberheft 1899)
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Vom Deutschen in der Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.7959#0056

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nicht weiter verbreitet sind, als bei den andern Völkern, streckenweis
eher spärlicher. Aber wo sie aus deutschem Boden wuchsen, da schien mir
ost ihre Frucht besonders kraftvoll und süß, schöner noch als im Nachbar-
lande. Für diese Auffassung spräche wohl unser Schrifttum; duftigere
Blüten der Jnnerlichkeit hat keines, und nur das euglische steht ihm
darin gleich, gleich auch nach seinem echten Humore. Das mahnt uns ja
überhaupt zur Bescheidenheit, daß man in sehr, sehr vielen Fällen statt
„deutsch" ruhig „germanisch" sagen kann und daß wir Reichsdeutschen
so vieler Orten sehr viel Kelten- und Slavenblut im Leibe haben. Man
kann immer nur vom reinen Typus reden, Ausnahmen gibt es schreck-
lich viel und Mischungen so viel, daß der reine Tppus der seltenste ist.
Typus bleibt er trotzdem.

Lassen wir nun die Ausgabe beiseit, sestzustellen, was also echt
deutsch sei — was wir gesagt haben, deutet ja auch nur einige der
Züge an, die man im richtigen deutschen Blondhaar- und Blauaugen-
gesicht immer wieder zu ffnden meint, lange nicht alle. Leichter immer-
hin und dankbarer zu bearbeiten ist die Frage: wie kennzeichnet sich der
Deutsche als Künstler, wie bethätigt sich jenes Was, die deutsche Per-
sönlichkeit, in der Kunst? Eine Antwort darauf hat in Meyers Sammel-
werk für die bildenden Künste Thode niedergelegt, für die Musik Köstlin,
für die Dichtung Wychgram und für die Sprache, die doch eine Volks-
kunst ist, Weiß. Jeder der Herren, das zeigen ihre Leistungen, ist an
seine Arbeit mit Liebe und mit dem Bemühen gegangen, nach aller per-
sönlichen Möglichkeit vorurteilslos zu urteilen. Und das ist nun schön:
alle kommen so ziemlich zu gleichem Ergebnis. Wenn wir dann, was sie
schreiben, in das Licht unsern Lesern vertrauter Gedanken rücken, so er-
gibt sich vielleicht eine noch größere Einheit, als die Verfasser selber betonen.

Blicken wir auf Kunst in romanifchen Landen, fo ffnden wir dort:
der Künstler geht mit klugem Bedacht, mit wohlgeübtem Geschmack, mit
feingeschulten Sinnen daran, ein Werk zu schaffen. Hörst oder siehst du
es einst, so soll es zunächst deine Sinne erfreuen, wohlgefällig in Farben,
Linien, Formen, und es soll dich auch innerlich bewegen, hoch hinauf
und tief hinab, — aber so, daß der Pendel dann auch wieder raste, daß
ein Ausgleich komme, daß du vom Werke scheidest mit der befriedigten Ruhe
der Harmonie: nun hab ich's genosfen, und es war fchön, es war ein
Kunstwerk. Der Deutsche will das im allgemeinen auch, nicht nur, weil
er's von den Südländern fo kennt und respektiert, sondern weil er's auch
mit seiner Theorie (und er hat viel Theorie) als das Richtige anerkennt.
Nun geht er ans Werk. So muß die Farbe hier sein, dann wird sie
schön, so der Vers, dann tönt er, so der Ton, dann klingt er dem Ohr
gefällig und impofant. Ja, aber die Farbe sieht dort in der Natur doch
etwas anders aus, und der Vers klänge so wohl schön, aber er träfe
nicht ganz genau, was ich fühle, und der Ton müßte das Harte
opfern, das doch leider in mir gerade, wenn ich das da in mir ffnde,
hämmert. Der arme Deutsche kommt in Schwierigkeiten: wie soll er
das einen? Oder auch, er kommt erst gar nicht in Schwierigkeiten, denn
sein Geschmack ist nicht so übelnehmerisch und seine Sinne sind nicht so
zärtlich und sein Verstand ist nicht so gescheit, daß er sie merkte. Oder
schließlich, er sagt: hole der Teufel die Schwierigkeiten, ich kann rnir
nicht helfen, ich seh' einmal so! „Jch sehe einmal so" — da liegt's.

Kunstwart


 
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