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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,1.1900-1901

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Heft 6 (2. Dezemberheft 1900)
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Weber, Leopold: Gabriele D'Annunzio und sein "Feuer": auch eine Weihnachtsbetrachtung zur deutschen Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.7961#0284

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lerische Wiedergcburt Jtaliens, dic cr ins Werk zu setzen gcdenkt, unter dem
Bild cincr Hochzeit dcr Kunststadt Venedig mit des Herbstes üppiger Lcbcns-
fülle feiern. Daneben plagt ihn das Vcrlangen nach dem Liebesbesitz der Frau
an seiner Seite; diese, die Tragödin „Foscarina"' hat nä mlich, da sie, von ihrer
männcrrcichcn Vcrgangenheit bcdrückt, ihrc Jugend welken fühlt, eingcsehcn,
daß sic ihrem Verhältnis zu Stelio nur Daucr zu geben vermag, wcnn sie scine
„rcinc" Seclenfreundin blcibt; aber das eigne heimliche Vcrlangen und
crwachende Eifersucht bringcn sic doch dazu, sich dem scheidenden Stelio auf
den Nbend nach dem Fest zu versprechen. Nun reißt der Poet die Menge im
Dogcnpalast mit seincr Rede vollständig hin, wobei er von seinem eigncn
Feuer cntflammt plvtzlich dic Jdee zu scincm Drama, dem ,Werk dcr Zukunft",
in sich „zucken" sühlt. Dicsc Jdcc cntwickclt sich immer deutlicher, wie auf dem
Gastmahl bci dcr Foscarina Richard Wagners Bedeutung besprochcn wird.
Das ncue Dramn, Stelios Drama, das nach den Worten seincs Freundes
Daniele Glüurv nichts andercs sein kann als ein Gottesdicnst oder einc Bot-
schaft, soll vom Janiculus hcrab crtöncn, nicht in Bayreuth laut werden, wo
cin „nordischer Barbar" gesprochcn, dcssen idcale Wclt »unter dcr Glorie des
lateinischcn Himmcls crblcichen und vergehen würde'. Aber Stelio, dcr
Erwccker und Bclebcr dcr Zukunflskunst in Jtalicn, kommt von dem „Barbarcn"',
an dcssen Grüße cr sich immcr mehr entzündet, nicht mehr los. Erregt von
eincm Erlebnis mit Wagner, dcr als Krankcr in Venedig wcilt, läuft er im
Sturm durch die Straßcn und diskuticrl mit Danicle die Gestaltung seines
werdcndcn Dramas, in dcm, wie bei jcncm Teutschen ,die drei ausübcnden
Künste, Musik, Poesie und Tanz"', nur nicht zu einem rhythmischen Ganzen
verschmolzen, sondern ncbcn cinander auftrcten sollen. Darstcllcn soll das
Drama dcn Sicg dcs Menschcn übcr das Schicksal. Ter Held, ein moderner
Mcnsch, wird bei dcr Aufdcckung der Künigsgräbcr in Mykenä, von dem uraltcn
Fluch, der auf dcn Atriden ruht und nun gewissermaßen wieder ausgcstört
wordcn ist, ergrisfcn und versällt ciner blutschänderischen Neigung zu seincr
Schwcster. Da „durchbricht dic neue Seelc mit einem Male dcn eiserncn Ring."
Der Bruder, dcr „die Schwester tötct, um seinc Seele vor dem Entsetzlichcn
zu rcttc», das cr ihr zufügcn wollte" , cr „befreit sich durch die reine That."

Jnzwischen habcn sich Stclio und die Foscarina als Liebende zusammcn-
geschlosscn. Dic Foscarina leidct die Schmach der Wissenden, die sich wider
besseres Erkenncn von dumpfer Leidenschaft hat gefangen nehmen lassen und
nun zwischen nicdriger Furcht und niedriger Hoffnung herumgestoßen wird.
Stelio aber folgt ihrcn Schmcrzcn mit aufmerksamem Auge und begieriger
Sccle; cr kostct dic in ihrem Weh sich offenbarcnden cigenartigen Reizc aus,
um sich daran zum Gestaltcn sciner „Schcrin" im Zukunflsdrama zu inspirieren;
ja cr benutzt die Gcliebte gcradezu als Modell, er hypnotisiert sic in die Rolle
seiner Prophctin hincin und fragt sic übcr ihrc Empfindungcn in diesem Zu-
stande aus. Endlich lüst sich das VcrhältniS, da die Foscarina, von den Um-
ständcn gezwungcn, zu ihrcm srühcrcn Entschluß zurückkchrl, auf den körpcrlichen
Bcsitz Stelios zu verzichtcn. Zu glcichcr Zeit ist Stclio mit den Vorbercitungcn
zu scinem ZukunstSwcrk scrtig gcworden. Und nun schließt dcr Noman mit
dcm Tod und der Hcimführung Nichard WagnerS. Tas heißt aus dcr Sprache
der Symbolisten in nüchtcrnes Deutsch übcrsctzt: die Bahn ist srei sür das neuc
Genic Gabricle D'Annunzio.

Ja, cs ist einc glänzcndc Begabung, dic aus D'Annunzios Noman
spricht. Vor allcm, D'Annunzio hat cin von dcr Natur bcgnadetcS und an der

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