Leser bis zu atemloser Erroarlung
steigert. Lösung unmöglich vorher zu
erraten. Hauptsächlichste Personen der
Handlung: Eine Gattenmörderin, ihr
Kind, dessen Adoptivvater, cin metho-
distischer Prediger, seine Frau und seine
Tochter; eine Todfeindin der Mörderin,
die auch ihr Kind verfolgt; der Ver-
lobte beider Pslegeschwestern." Der
Verlag schreibt dazu: „Kein Blatt,
welches überhaupt kraß sensationelle
Sachen bringt, dürfte sich diesen Roman
entgehen lassen" — aber es fügt hin-
zu: „für Blätter kirchlicher Richtung
redaktionelleAenderungennötig". Hoch
lebe das organische dichterische Schaffen
— unser Geschäftsmann besorgt sogar
Amputationen selbst: ja, er hält für
katholische Blätter „gekürzte Ausgaben"
vorrütig aus Lager. So von eincm
„Meisterwerk ersten Ranges", das die
„vornehmste Tageszeitung BreslauS"
gebracht hat und das einerseits schil-
dert „das bewegte soziale, polltische
und finanzielle Leben der Großstadt
bis zu seinen schlimmsten Ausrvüchsen
des Betrugs und des Verbrechens —
andrerseits die Jnnigkeit und Neinheit
glücklichen Familienlebens". Dieses
Rezept: die Hälste für die Gier, die
Hälfte sür die Tugend, zeigen zwar
alle diese Meisterwerke, doch dürfte
je nach Wunsch und Leserkreis der ge-
ehrten Kunden schon im Bureau die
Tugend- oder die Lasterseite gekräftigt
werden. Ein Rvman wird dann fol-
gendermaßen belobt: seinem „außerge-
wöhnlich packenden, bcinahe grausig
und doch nicht abstoßend wirkenden
Anfange" folge „eine abwechslungs-
volle Reihe fesselnder, packendcr und
ausregender Szenen", die in „wunder-
bare und fast unglaubliche Verhält-
nisse" führen. Der Roinan vereinige
in sich glücklich „alle für das Zeitungs-
feuilleton wichtigen Vorzüge des Sen-
sations- und Kriminalromans" —
selbstverständlich ohne ihre Schwüchen.
Auch „in dcr Zerstückelung des Feuil-
letons und bei minder gebildeten
tlunstwart
Lesern" halte er „von Anfang bis zu
Ende atemlose Spannung" wach. Und
wo erfolgte der erste Abdruck? „Mit
großem Beifall" in — der „Kreuz-
Zeitung"! Warum machen wir uns
eigentlich über die Kolportage-Romane
lustig und suchen sie zu verdrängen?
Wo blciben noch Wesonsunlerschiede?
Es ist so, wie es einmal Zapp mit
Bitternis bekannt hat: als cr noch
nach seinem literarischen Gewissen
schrieb, da lobten ihn die Zeitungen,
drucklen ihn aber nicht, als er jedoch
sein Talent geschäftlich auszuschlachten
begann, da tadelten sie ihn, druckten
ihn aber. Selbst diejenigen Blätler,
die nach bestem Vermögen eine ehr-
liche literarische Kritik erstreben,bringen
in der Praxis ihrer Zeitungsromane
einen Schund, den in der kritischen
Abteilung ihre eigenen Kritiker schwer
verdammen würden.
*„DerErsolg eines Dichters."
Unter dieser Spitzmarke schreibt weh-
mutsvoll das „Berliner Tageblatt":
„Bekanntlich sind es nicht immer die
größten Dichter, denen die größtcn Er-
solge beschieden sind. Ein neuer Beweis
für dio alte Wahrhcit findet sich in
den schlichten Worten der Vorrede zum
vierten Bande der »Gesammelten Er-
zählungen« W il he l m Naa b es, eines
Dichters, der zu unseren Besten gchört,
und der kürzlich von einem unsercr
Mitarbeiter an diescr Stelle nicht mit
Unrecht »der deutsche Dickens« genannt
wurde- Wer einmal sich dem Zaubcr
Raabescher Erzählungs- und Gestal-
tungskunst hingegeben hat, wird kein
Wcrk dieses großen und gemütvollcn
Humoristen ungclcsen lassen. Aber wie
klein ist seine Gemeindel Kann man
klarer das Herzeleid des nicht genügend
von seinen Zeitgenossen gcwürdigten
Dichters aussprechen, als es von Naabe
selbst in der erwähntenVorrede gcschieht,
die die Erzählungen »Meister Aulor«,
»Deutscher Adel« und »Wunnigel« ein-
leitet. Der 70 jährige Dichter schreibt:
Den »Meister Autor« und den
3ZK
steigert. Lösung unmöglich vorher zu
erraten. Hauptsächlichste Personen der
Handlung: Eine Gattenmörderin, ihr
Kind, dessen Adoptivvater, cin metho-
distischer Prediger, seine Frau und seine
Tochter; eine Todfeindin der Mörderin,
die auch ihr Kind verfolgt; der Ver-
lobte beider Pslegeschwestern." Der
Verlag schreibt dazu: „Kein Blatt,
welches überhaupt kraß sensationelle
Sachen bringt, dürfte sich diesen Roman
entgehen lassen" — aber es fügt hin-
zu: „für Blätter kirchlicher Richtung
redaktionelleAenderungennötig". Hoch
lebe das organische dichterische Schaffen
— unser Geschäftsmann besorgt sogar
Amputationen selbst: ja, er hält für
katholische Blätter „gekürzte Ausgaben"
vorrütig aus Lager. So von eincm
„Meisterwerk ersten Ranges", das die
„vornehmste Tageszeitung BreslauS"
gebracht hat und das einerseits schil-
dert „das bewegte soziale, polltische
und finanzielle Leben der Großstadt
bis zu seinen schlimmsten Ausrvüchsen
des Betrugs und des Verbrechens —
andrerseits die Jnnigkeit und Neinheit
glücklichen Familienlebens". Dieses
Rezept: die Hälste für die Gier, die
Hälfte sür die Tugend, zeigen zwar
alle diese Meisterwerke, doch dürfte
je nach Wunsch und Leserkreis der ge-
ehrten Kunden schon im Bureau die
Tugend- oder die Lasterseite gekräftigt
werden. Ein Rvman wird dann fol-
gendermaßen belobt: seinem „außerge-
wöhnlich packenden, bcinahe grausig
und doch nicht abstoßend wirkenden
Anfange" folge „eine abwechslungs-
volle Reihe fesselnder, packendcr und
ausregender Szenen", die in „wunder-
bare und fast unglaubliche Verhält-
nisse" führen. Der Roinan vereinige
in sich glücklich „alle für das Zeitungs-
feuilleton wichtigen Vorzüge des Sen-
sations- und Kriminalromans" —
selbstverständlich ohne ihre Schwüchen.
Auch „in dcr Zerstückelung des Feuil-
letons und bei minder gebildeten
tlunstwart
Lesern" halte er „von Anfang bis zu
Ende atemlose Spannung" wach. Und
wo erfolgte der erste Abdruck? „Mit
großem Beifall" in — der „Kreuz-
Zeitung"! Warum machen wir uns
eigentlich über die Kolportage-Romane
lustig und suchen sie zu verdrängen?
Wo blciben noch Wesonsunlerschiede?
Es ist so, wie es einmal Zapp mit
Bitternis bekannt hat: als cr noch
nach seinem literarischen Gewissen
schrieb, da lobten ihn die Zeitungen,
drucklen ihn aber nicht, als er jedoch
sein Talent geschäftlich auszuschlachten
begann, da tadelten sie ihn, druckten
ihn aber. Selbst diejenigen Blätler,
die nach bestem Vermögen eine ehr-
liche literarische Kritik erstreben,bringen
in der Praxis ihrer Zeitungsromane
einen Schund, den in der kritischen
Abteilung ihre eigenen Kritiker schwer
verdammen würden.
*„DerErsolg eines Dichters."
Unter dieser Spitzmarke schreibt weh-
mutsvoll das „Berliner Tageblatt":
„Bekanntlich sind es nicht immer die
größten Dichter, denen die größtcn Er-
solge beschieden sind. Ein neuer Beweis
für dio alte Wahrhcit findet sich in
den schlichten Worten der Vorrede zum
vierten Bande der »Gesammelten Er-
zählungen« W il he l m Naa b es, eines
Dichters, der zu unseren Besten gchört,
und der kürzlich von einem unsercr
Mitarbeiter an diescr Stelle nicht mit
Unrecht »der deutsche Dickens« genannt
wurde- Wer einmal sich dem Zaubcr
Raabescher Erzählungs- und Gestal-
tungskunst hingegeben hat, wird kein
Wcrk dieses großen und gemütvollcn
Humoristen ungclcsen lassen. Aber wie
klein ist seine Gemeindel Kann man
klarer das Herzeleid des nicht genügend
von seinen Zeitgenossen gcwürdigten
Dichters aussprechen, als es von Naabe
selbst in der erwähntenVorrede gcschieht,
die die Erzählungen »Meister Aulor«,
»Deutscher Adel« und »Wunnigel« ein-
leitet. Der 70 jährige Dichter schreibt:
Den »Meister Autor« und den
3ZK