einmal ein Stück aus Lessings „Erziehung des Menschengeschlechts"
zitieren, das in einein Bilde sehr gut sagt, worum sich's hier handelt:
„Ein Elementarbuch für Kinder darf gar wohl dieses oder jenes wichtige
Stück der Wissenschaft oder Kunst, die es vorträgt, mit Stillschweigen
übergehen, von dem der Pädagog urtcilt, dah es den Fähigkeiten der
Kinder, für die er's schrieb, noch nicht angcmessen sei. Aber es darf schlechter-
dings nichts enthaltcn, was den Kindern den Weg zn dcn zurückbehaltcnen
wichtigen Stücken versperre oder verlege. Vielmehr müssen ihnen alle
Zugänge zu denselben sorgfältig offen gelassen werden." Von diesem
Versperren kann Mancher ein Licd singen, der sich auf einem Konserva-
torium zur Kunst durchznringen versuchte, und Manchen gibt es, der
über seinen technischen Studien ganz vergaß, daß Terzentriller und
Kunst eigentlich nur das mit einander gemeinsam haben, daß man sie
angeblich in dersclben Anstalt lcrnt.
Davon, wie ganz entgegen allem Wescn der Knnst, die etwas Leben-
diges ist und zur Weiterentwicklung drängt, im Unterricht die Ertötung
alles Geistigen und das slarre Fcsthalten an uralter, stehen gebliebener
Weisheit Sitte ist, brauche ich hier nicht zu reden. Es gilt ja nicht,
systematisch alle Fehler der Konscrvatorien- nachzuweisen, sondcrn nur zu
zeigen, daß ihre Grundlagen so widersinnig und pädagogisch ungeschickt
sind, daß Besserung allcin durch Ausgehen von ganz anderen Prinzipien
möglich wäre. Nur auf cins möchte ich noch hinweisen, auf den gerade-
zu schmachvollen Zustand, in dem stch die Pflege rein geistig-künstlerischer
Jntercsscn an manchen, sclbst hochberühmten Konservatorien befindct.
Daß selbst an diesen Anstalten dcr Unterricht in einem Fache wic Musik-
geschichte kanm dcn Anforderungcn cntspricht, die man an ihn bei der
Erteilung durch Laien stellen würde, daß künstlerischc Erzichungsmittel
von einer so eminenten Wichtigkeit, wic sie z. B. dem Chorgesang beizn-
messen ist, in ürgster Weise vernachlässigt wcrden, daß von eincr auch
nur einigermaßcn genügenden Einführung in die klassischc Musiklitcratur
nicht die Ncde ist, daß die modernc Kunst mit stolzcr Bezugnahme auf
den schüncn Namen „Konservatorium" gls übcrhaupt nicht vorhanden
ignoricrt wird, daß von dcr Bedeutung der Kunst, ihrer Beziehung zum
Leben, ihrer Kulturaufgabe nichts verlautct, daß sclbst an reich doticrten,
grohen Anstalten weder eine Bibliothek (ich meine eine mnsikalische), noch
ein Lesezimmer vorhanden ist, — das glaubcn vielleicht die Laien nicht.
Aber, wcnn dem so ist, und es ist so, — wundern sie sich dann noch,
woher dicse anmaßende Unfähigkeit bei so vielen Musikern kommt, wo-
her das schlcchte Lehrmaterial, wenn sich's um die Erziehung dcr Dilet-
tanten handelt, woher die klcinliche, widcrliche, sehr oft gemeine Zünkerei,
die unter den Musikern üblich ist, woher dieser absolute Mangel an
höherem Knnstinteresse, an Gesühl sür das eigentliche Lebenselement
der Kunst? . . .
Sprechen wir ein nächstes Mal davon, wie da zu helfcn ist.
Georg Göhler.
2. Ianuarheft igof
zitieren, das in einein Bilde sehr gut sagt, worum sich's hier handelt:
„Ein Elementarbuch für Kinder darf gar wohl dieses oder jenes wichtige
Stück der Wissenschaft oder Kunst, die es vorträgt, mit Stillschweigen
übergehen, von dem der Pädagog urtcilt, dah es den Fähigkeiten der
Kinder, für die er's schrieb, noch nicht angcmessen sei. Aber es darf schlechter-
dings nichts enthaltcn, was den Kindern den Weg zn dcn zurückbehaltcnen
wichtigen Stücken versperre oder verlege. Vielmehr müssen ihnen alle
Zugänge zu denselben sorgfältig offen gelassen werden." Von diesem
Versperren kann Mancher ein Licd singen, der sich auf einem Konserva-
torium zur Kunst durchznringen versuchte, und Manchen gibt es, der
über seinen technischen Studien ganz vergaß, daß Terzentriller und
Kunst eigentlich nur das mit einander gemeinsam haben, daß man sie
angeblich in dersclben Anstalt lcrnt.
Davon, wie ganz entgegen allem Wescn der Knnst, die etwas Leben-
diges ist und zur Weiterentwicklung drängt, im Unterricht die Ertötung
alles Geistigen und das slarre Fcsthalten an uralter, stehen gebliebener
Weisheit Sitte ist, brauche ich hier nicht zu reden. Es gilt ja nicht,
systematisch alle Fehler der Konscrvatorien- nachzuweisen, sondcrn nur zu
zeigen, daß ihre Grundlagen so widersinnig und pädagogisch ungeschickt
sind, daß Besserung allcin durch Ausgehen von ganz anderen Prinzipien
möglich wäre. Nur auf cins möchte ich noch hinweisen, auf den gerade-
zu schmachvollen Zustand, in dem stch die Pflege rein geistig-künstlerischer
Jntercsscn an manchen, sclbst hochberühmten Konservatorien befindct.
Daß selbst an diesen Anstalten dcr Unterricht in einem Fache wic Musik-
geschichte kanm dcn Anforderungcn cntspricht, die man an ihn bei der
Erteilung durch Laien stellen würde, daß künstlerischc Erzichungsmittel
von einer so eminenten Wichtigkeit, wic sie z. B. dem Chorgesang beizn-
messen ist, in ürgster Weise vernachlässigt wcrden, daß von eincr auch
nur einigermaßcn genügenden Einführung in die klassischc Musiklitcratur
nicht die Ncde ist, daß die modernc Kunst mit stolzcr Bezugnahme auf
den schüncn Namen „Konservatorium" gls übcrhaupt nicht vorhanden
ignoricrt wird, daß von dcr Bedeutung der Kunst, ihrer Beziehung zum
Leben, ihrer Kulturaufgabe nichts verlautct, daß sclbst an reich doticrten,
grohen Anstalten weder eine Bibliothek (ich meine eine mnsikalische), noch
ein Lesezimmer vorhanden ist, — das glaubcn vielleicht die Laien nicht.
Aber, wcnn dem so ist, und es ist so, — wundern sie sich dann noch,
woher dicse anmaßende Unfähigkeit bei so vielen Musikern kommt, wo-
her das schlcchte Lehrmaterial, wenn sich's um die Erziehung dcr Dilet-
tanten handelt, woher die klcinliche, widcrliche, sehr oft gemeine Zünkerei,
die unter den Musikern üblich ist, woher dieser absolute Mangel an
höherem Knnstinteresse, an Gesühl sür das eigentliche Lebenselement
der Kunst? . . .
Sprechen wir ein nächstes Mal davon, wie da zu helfcn ist.
Georg Göhler.
2. Ianuarheft igof