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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,1.1902-1903

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Heft 1 (1. Oktoberheft 1902)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7615#0069

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Ansre s^olen unä VUäer.

Unsre Notenbeilage bringt bas alte deutsche Volkslied vom Schnitter
Tod in den Tönen Theodor Streichers, auf dessen ungewöhnliche Be-
gabung der Kunstwart schon kürzlich einmal hinwies. Daß hier keine Durch-
schnittskomposition (etwa Schema U, „modern") vorliegt, sondern die eigene
Note überall üurchklingt, wird man auf den ersten Horch gewahr. Entsprechend
dem altertümlichen Text trägt die Musik einen holzschnittartigen Charakter.
Das Motiv der Leitstrophe hat etwas Bachisches, in ihrer zackigen Linie, die,
verschärft durch herbe Akkordfolgen, das unerbittliche Dreinschneiden des Todes
malt, während in der Seitenstrophe sich das Leid über die vielen dahin-
sallenden Blümelein in einer wehmütigen, volkstümlich schlichten Weise kund
gibt. Prachtvoll, wie aus Erz gehauen, mit der schlagenden Kraft eines Luther-
chorals, berührt mich die gewaltige Stelle: „Trotz, komm Tod, ich sürcht dich
nit." Man wird ihrer monumentalen Einfachheit gewiß nur weniges vom
Neuesten an die Seite stellen können. Der versöhnliche Ausblick des Gedichtes
auf den „himmlischen Garten" veranlaßte den Komponisten, sein Werk in einem
längeren trostreichen, choralmäßigen Nachspiel ausklingen zu lassen. — Da wir
den Vorzug haben, diesen eigenartigen Gesang des jungen Künstlers zum ersten
Male zu veröffentlichen, sei noch bemerkt, üaß der Genannte (ein geborner
Wiener und Sprößling jener aus Schillers und Beethovens Biographie be-
kannten Musikerfamilie) sich mit Ausnahme einer kurzen Lehrzeit bei Schultz-
Beuthen meist durch Selbstunterricht ausgebildet hat. Die meisten und besten
seiner Tonwerke, darunter prächtige Sachen aus „des Knaben Wunderhorn/
liegen erst handschriftlich vor. Wir kommen darauf um so lieber zurück, als
der Komponist nicht nur den hohen Ernft des musikaltschen Totentanzes ver-
steht, sondern auch über viel gesunden Humor verfügt, üer ihn zum willkom-
menen Freund in jedem musikliebenden deutschen Hause machen wird.

Von unsern Bildern gibt das vor den Text geheftete erste eine nieder-
rheinische Landschaft des Düsseldorfers Eugen Kampf, der ja nicht mit
Arthur Kampf zu verwechseln ist. Feldarbeit in fruchtbarem Lande, über dem
in feuchter Luft üie Wolken ziehn, heute in Ruhe, oft, wie die Bäume zeigen,
im steifen Meerwinde aus Nordwest. Man hat gesagt, die Worpsweder Kunst,
soweit sie schlicht, gesund und ftark das große Einfache in der Heimat zu sehen
strebt, stamme geistig eigentlich von Eugen Kampf. — Und nun zwei Franzosen,
deren Bedeutung weit über ihr Vaterland hinausreicht Möge uns Millets
„Sämann" sreundliches Spmbol an unserer aller Arbeit sein! An dem Bilde
als Bild aber — ja, was ist es wohl, das ein ganzes neues Geschlecht von
Künstlern und Kunstfreunden an Millet so mächtig gebannt und festgehalten
hat? Nur auf zweierlei hin wollen wir's heute betrachten. Wer die Steppe,
die weite Heide, kurz, wer die Ebene mit empfänglichem Auge betrachtet hat,
der erinnert sich, wie merkwürdig groß hier Formen erscheinen, die an anderen

Gktoberheft t902
 
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