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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,1.1902-1903

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Heft 1 (1. Oktoberheft 1902)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7615#0070

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Plätzen nichts Auffälliges zeigten, — wie diefes Pferd dort, jener Mensch, wie
überhaupt jegliches losgelöst aufragende Ding mächtiger erschien, als anderswo.
Und diese Größe blieb nicht nur körperlich, die körperliche Größe ward als
Symbol auch einer inneren Bedeutsamkeit empfunden, die Geftalten fchienen
auch an Wichtigkeit zu wachsen, der Gaul ward zum Rosse, und ftand üie Be-
leuchtung so, daß der einzelne Gegenftand mit üer geschlofsenen Macht feiner
Silhouette wirken konnte, fo erschien er oft schlichterdings monumental. Das
ist es, was uns hier Millet zeigt. Dieser Sämann da ist nur ein Knecht,
an dem nichts in übelm Sinne idealisiert, nichts vertuscht, nichts geschönt ist,
und doch wirkt er auch im geistigen Sinne so groß, daß wir ihn unwillkürlich
als Typ und als Symbol erfassen. Aber noch ein zweites kommt üazu.
Die Technik auch ües Originals zu unserm Bilde ist einfach behandeltes Pastell,
wie aber ist es Millet gelungen, damit das Licht zu schildern, das Licht,
wie er's empsand, das Licht, das hinter leichten Gewölkschleiern hervor diese
von Vogelschaaren durchschwärmte Luft versilbert und segnend all diese Schollen
vor ihrer Empfängnis küßt! — Ein ganz andrer Künstler als Millet ist
Bastien-Lepage, im allgemeinen viel weniger Poet, viel mehr Naturalift,
der die Wirklichkeit mit scharfsehendem Auge zu erfassen und mit scharfmalendem
Pinsel genau so wiederzugeben sucht, wie Üieses Auge sie sieht. Um so anre-
gender, wie sich auch ein Naturalist mit Aufgaben abfindet, üie zur „Phantasie-
malerei" geradezu herausfordern! Die Jungsrau von Orleans. Nur eine
Landmagd, aber Gestalt und vor allem Gesicht sagen es dem ersten Blick:
keine wie die andern. Träumend stand sie hier am Baum, erstarrt im Sinnen,
da kam ihr die Erscheinung, in die sich ihr Geist mit ungeheurem Ernste ver-
senkte. „Steh auf, Johanna! Laß die Herde! Dich rust der Herr zu einem
anderen Geschäst!" Und langsam, wie aus schwerer Lähmung, hebt sich steif
dsr Arm: wie Gott befiehlt! Auch uns lüßt dabei der Künstler die visionären
Gestalten sehn, wie diese Jungsrau sie sehen mochte, zwischen Gemäuer, Laub,
Geäst, illusionartig mit Körperhastem vermischt, wie Heiligenbildern entstiegen,
aus denen in der Kirche sich satt zu trinken dieses Mädchens Geist gewohnt
sein mochte. — Unsre vier letzten Bildseiten bringen Jllustrationen zu Schultze-
Naumburgs „Kultur arb eiten", moderne Schulbauten zeigend, die dort im
Texte besprochen sind.

BerantworU.: der Herausgeder Ferd. Avenariusin Dresdeu-Blasewitz. Mitredatteure: für Btusik:
vr. Richard Batka in Prag-Weinberge, siür bildende Kunst: Paul S chultz e-Naumburg
in Saaleck bei Kösen. — Sendungen für den Text an den Hera-»sgeber, über Musik an vr. Batka.

Druck und Verlag bon Georg D. W. Callweh in München.
destellungen, Anzeigen und Geldssndungen an deu Berlag Georg D. W. Callwey in München.
 
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