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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,1.1902-1903

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Heft 2 (2. Oktoberheft 1902)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7615#0141

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nachdem überall die spekulativen Ge-
danken, die nicht tagaus, tagein von
Albumblättern und Serenaden zehren
wollen, nach Großem verlangsn, scheint
der Mut zur Vertiesung in Partituren
wie in die der Llissa auch Kreisen zu
kommen, die bisher von Ewigkeits-
gedanken nicht eben bedrückt wurden.

Und so kam gerade zur rechten Zeit
die Partitur der Nissa solernnis, mit
der E. Eulenburg eine neue Abteilung
seiner kleinen Partitur-Ausgabe er-
össnet hat. Sie kostet 6 Mk. und will
denen, die dieses Teftament Beethoven-
schen Geistes für sich und andere nützen
wollen, diesen Schatz ganz so in die
Hand geben, wie ihn der Dichter aus
den Tiefen seiner Weltanschauung ge-
hoben hat. Georg Göhler.

G Berliner Kunst.

Melchior Lechter hat im Auf-
trage von Jakob Pallenbsrg einen
Prunksaal im neuen städtischen Kunst-
gewerbemuseum zu Köln ausgemalt
und das Hauptbild daraus, „Die Weihe
am mystischen Quell", jetzt bei Keller
und Reiner ausgsstellt. Unter einer
offenen golüenen Halle ist der „mystische
Quell" geborgen. Es ist Abend; in
roter Abendglut leuchtet der See, auf
hohsn Leuchtern ürsnnen lange Kerzen,
und üie Hüterin des Quslls, in goldnem
Mantel und mit goldener Krone, reicht
dem vor ihr kniesnden, Lie Arme über
der Brust oerschränkenden Nitter den
Trank aus dem Quell, indes harfen-
schlagende und kerzentragende Engel in
der Luft schweben, andere Weihrauch-
fässer schwingen oder die Orgel spielen.

Das Werk ist für einen dekoratioen
Zweck gearbeitet, und es hat unleug-
bar dekorative Wirkung. Seine Farben
funkeln und füllsn den Raum, und in
dem Saale, den nach der Angabe des
Künstlers das „goldene Dämmerlicht
tieffarbiger Glasgemälde" erfüllt, mag
üer Eindruck in dieser Beziehung wohl
ein starker sein. Aber ihn bcstimmt

doch in erster Linie das gleißende.
üppige Gold, das auf die Halle und
dis Gewandung der Priesterin ver-
wandt und durch das tiefe Rot des
Hintergrunds noch betont und gehoben
ist. Dieses Gold fesselt und versolgt
üen Blick, es herrscht, es drückt die
Gestalten herab, sie treten zurück.
Darum ist der Eindruck ein sinnlicher,
kein seelischer. Jn üen alten Fresken
sind selbst die kühnften Farbenakkorde
darauf berechnet, die Aufmerksamkeit
aus den geistigen Gehalt zu lenken;
sie tragen, sie stützen die Gestalten; da
leuchten nicht nur reiche Farben — da
schreiten oder schweben Msnschen oder
Engel in köstlicher Farbenpracht in den
Raum, und so sind die Farben selbst
beseelt und Träger ües seelischen Ge-
haltes im Werke. Das ist es, was
mir hier zu sehlen scheint. Die Pracht
ist byzantinisch, starr, sie hat den Cha-
rakter kalter Stoffmalerei. Jmmerhin
bleibt zu beachten, daß dieser Künstler
überhaupt Sinn für prächtige Wirkung
hat. Da wir so wenig prächtig wie
einfach zu sein vsrftehen, so ist es zu
schätzen, wenn ein Künstler Auge sür
Pracht hat, und sei es nur für die
reicher Gewänder und Stoffe.

Lechter hat seine Aufgabe nicht
leicht genommen. Er hat zahlreiche
Studien zu dem Werks gcmacht, und
es sind wertvolle Studien darunter.
Er hat üas Bild mit großer Sorgfalt
ausgeführt und gegenüber der drsisten
Lüderlichkeit, die sich jetzt als Vollend-
ung anpreist, berührt diese Sorgfalt
und Genauigkeit wohltuend, mag sie
auch die einss Miniaturisten sein. Jft
aber so viel Pracht und Fleiß aufge-
wandt, so erhebt sich um so dringender
die Frage, was damit erreicht wurde.
Der „mystische Quell" ist uns nichts,
ist uns ein Wort — ein Wort, das
obendrein gar sehr nach seichter Mode-
mystik schmeckt. Der Künstler muß dies
Symbol ins Reich des Gegenstünd-
lichen und Sichtbaren emporheben,
damit es uns verständlich und bs-

2. Gktoberbeft §902

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