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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

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Heft 13 (1. Aprilheft 1903)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0039

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Gabriel sagt's. Der Mittler belohnt ibn mit segnenden Blicken,
5teht voll Lrnst auf der thöhe des Bergs am benachbarten lsimmei.

Dort war Gott. Dort betet' er. Unter ihm tönte die Lrde,

Und ein wandelndes Iauchzen durchdrang die psorten des Abgrunds,
Als sie von ihm tief unten die mächtige Stimme vernahmen.

Denn sie war es nicht mehr, des Fluches Stimme, die Stimme,
Angekiindigt in Sturm und in donnerndem Metter gesprochen,

Welche die Lrde vernahm. Sie hörte des Segnenden Rede,

Der mit unsterblicher Schöne sie einst zu verneuen beschlossen.

Ringsum lagen die bsügel in lieblicher Abenddämmrung,

Gleich als blühten sie wieder, nach Ldens Bilde geschaffen.

Iesus red'te. Nur er und der vater durchschauten den Inhalt
Grenzlos; Dies nur vermag des Menschen Stinime zu sagen:

„Göttlicher vater, die Tage dcs bseils und des ewigen Bundes
Nahen sich mir, die Tage, zu größeren Werken erkoren,

Als die Schöpfung, die du mit deinem Sohne vollbrachtest .. .

Töte mich, nimm mein ewiges Vpfer zu deiner Versöhnung.

Noch bin ich srei, noch kann ich dich bitten; so tut sich der lsimmel
Mit Myriaden von Seraxhim auf nnd sühret mich jauchzend,
vater, zurück im Triumxh zu deinem erhabenen Throne!

Aber ich will leiden, was keine Seraphim sassen,

Was kein denkender Lherub in tiefen Betrachtungen einsieht;

Ich will leiden, den surchtbarsten Tod ich, Lwiger, leiden!"

Weiter sagt' er und sprach: Ich hebe gen Ljimmel mein lhaupt auf,
Meine Lsand in die Wolken und schwöre dir bei niir selber,

Der ich Gott bin, wie du: „Ich will die Menschen erlösen."

Iesus sprach's und erhnb sich. In seinem 2lntlitz war lsoheit,
Leelenruh' und Lrnst und Lrbarmung, als er vor Gott stand.

Aber, unhörbar den Lngeln, nur sich und dem Sobne vernommen,
Lprach der ewige vater und wandte sein schauendes Antlitz
Nach deni Mittler hin: „Ich breite mein vaupt durch die lsimmel,
Meinen Arm aus durch die Unendlichkeit, sage: Ich bin
Gwigl und schwöre dir, Sohn: Ich will die Sünde vergeben."

Also sprach cr und schwieg. Indem die Lwigen sprachen,

Ging durch die ganze Natur ein ehrfurchtsvolles Lrbeben.

5eelen, die jetzo wurden, noch nicht zu denken begannen,

Zitterten und empfanden zuerst. Lin gewaltiger Schauer
-faßte den Seraxh, ihm schlug sein kserz, und nm ihn lag wartend
Wie vor dem naben Gewitter die Lrde, sein schweigender Weltkreis.
Vur in die Seelen künftigcr Thristen kam sanftes Lntzücken
Und ein süßbetäubend Gefühl des ewigen Lebens.

Also jammert er seitwärts gekehrt* Drauf stand er am Lingang
In die Welten. Ihn schreckte der Glanz und geflügelte Donner
Eegen ihn wandelnder Grione. Lr sahe die Welten,

Meil er sich stets, in sein Llend vertieft, in Linsamkeit einschloß,

2eit Iahrhnnderten nicht. Lr stand betrachtend und sagte:

* Abbadona, der reuige gesallene Lngel.

^ Aprilheft zgoz

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