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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

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Heft 13 (1. Aprilheft 1903)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0049

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wird, tief verwundct, cntftieht dcr
Gras dem Getriebe dieser Welt.

Aber kein Mensch spottet ungcstraft
der wogenden Wellen des unerbittlichen
Schicksals. Gabriele strandet als Ge-
sellschastcrin auf Hohen-Esp am stür-
Mischen Ufer der Ostsee. Natürlich geht
ihr der wunde Graf aus dcm Wege.
Aber wenn die Mutter mahnl: „Jch
werde alt, Guntram Krafft. und mag
nicht mehr allein sein ..so kann cr,
so mit vollem Namen angeredet, doch
nicht so weiter seiner Wege gehen. Und
Gabriele kommt denn auch zur Er-
kenntnis. Stufenweise. Erst nötigt ihr
die „schlichte Düsseljoppe", dann der
Oelrock, den der Graf in „Sturm und
Wogenschwall" trägt, einige Achtung
ab, schlietzlich tun dies sogar seine
männljchen Wasserstiesel, nun und am
Ende wirkt auf sie auch seine hohe,
bann seine „herrliche Gestalt" aus
S. 185, „sein edles kühnes Angesicht"
S. :o5 „das edle kühne wunderschöne

Männergesicht" S. 253. Letzteres. aus
seinem Brustbild, bckranzt und küht
sie, denn „jungerwachte Liebe durch-

bebt sie". Da, was ist das?-

..Gabrielell" — Gleich einem Schrei,
halb erstickt in staunendem Entzücken,
in namenloscrErregung klingt es ncben
'hr ^ . - Und wie ein Trunkcncr blickt
(S. zzz-, in das liebliche Angesicht,
welches mit den grohen zauberischen
ipenaugcn zu ihm aufschaut, welches
m holder Verwirrung nur leise, leise

'°mcn Namen flüstert-: „O, du

Herrljchster l"-Hiermit hat die

„ "erkeit ein Ende, leider, nnd einiger
^rnst flingt an.

Würde dieser Kolportageroman für
zehn Pfennige auf den Hintertreppen
.^.rhnndelt, cs wäre immer noch be-
xr 8mug. So aber nimmt er
S^.^nrk hoch den „Aufgang für
derm - ^""ilraden Wegs ins Boudoir
A^7k.""higsten hinein. Er nimmt diesen

der c?°.^"ritbesonderemSchwung,denn

seincm ^ ^°^°r ist es ja, der ihn mit
-'mmen beflügelt. „Es ist dies
t- Aprilheft

ISOZ

das erste Mal, dah einem Romanwerk
eine so hoho AuSzeichnung zu teil wurde
und gleichzeitig ein erneuter Bcweis
von der grohen Beliebtheit der Ver-
fasserin in allen Kreisen", schreibt dcr
Verleger, List in Leipzig. Dem Kaiser
mochte das Buch annehmbar scheinen,
weil es seiner Person und seiner Wasset-
politik ganz unmittelbar huldigt, und
es ist ja nach seinen bisherigen Nei-
gungen kaum zu erwarten, dah er in
Sachen der Dichtung künstlerische Wertc
denen vorziehen solltc, die er in dy-
nastischer oder „patriotischer" Tendenz
zu finden glaubt. Trotzdem wär' es ein
Segen, wenn er nach näherer Kennt-
nisnahme von diesem Ding die Ge-
nehmigung zur Widmung zurückzöge.
Uusre Hoffnung in dieser Bczichung
bleibt, dah er eS bis jetzt nur mit
einem flüchtigen Blicke betrachtet oder
dah er nur daoou gehürt habe. Denn
auch eine Tendenz kann ja gröblich
odcr oornehm eingekleidct sei». Hier
haben wir ein Werk, strahlend von
„Gesinnung" wie von Fett und triefend
von „Gemüt" wie von aufgeweichtem
Zuckerguh, das Werk einer Verfasserin,
die seit Jahren vor der Kritik und
heute gottlob auch im breiteren Pu-
blikum geradezu als die typische Ver-
treterin der Schundliteratur gilt.
Sie dars sich vom Kaiser unterstützt
nenncn! Die elegante Welt um den
Monarchen wird sie nun auch und erst
recht unterstützen müssen, soweit sie das
noch nicht getan hat. Darin liegt eine
Gefahr. Und allein das, allein die
Notwcndigkeit, cine solche deutliche
Grenze zu ziehen, rechlfertigt die aus-
sührliche Beachtung eines derart inin-
derwertigen Buches an dieser Slelle.

L. Ralkschmidt.

Okeater

G Berliner Theater.

Ueberzärtliche Verfeinerung lebt in
den besten Gedichten der Wiener von
heute. Sic kennzeichnet auch Arthur
Schnitzlers „Schleier der Beatrice",
eine Tragüdie, die zum ersten Male

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