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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

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Heft 13 (1. Aprilheft 1903)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0058

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Brücke mutz schlechter sein, gerade ^
meil man ihn untcr möglichster An-
lehnung an das alle Bild errcichen
will. Eben diescr Versuch also, wic er- !
klärlich er aus der Licbe zu dem Ge-
wcsenen ist, beruht dcshalb auf einem
starken ästhetischen Mitzverständnis,
Er würde notwendig zu einer Ver-
dünnung des früheren Gin-
drucks führen, also notwendig zu
etwas, was nicht befriedigen würde.
Sonst aber gibt csfürden ncuen Brücken-
ban zwci Möglichkciten. Entwedcr
man erhält das alte Bild mit den star-
kcn Pfcilern, untcrbricht es aber durch
eine oder zwei breitere Durchfahrten
an eincr oder zwei Stellen — macht
das der rechtc Mann, so kann ein
eigenartig kraftvolles Bild gelingen,
das in dem, was wirklich oder schein-
bar vom Alten noch da ist, auch noch
die Reize dcS Alten intakt zeigt. Oder
man gibt das bisherige Bild voll-
kommen auf, d. h. man läht es in
den schmäleren Pfoilern nicht fürder
„spuken*, sonderu sucht den neuen
Verhältnissen entsprechcnd nach einer
völlig neucn Lösung.

Hier ist ein Wettbewerb der
besten Kräfte ganz Deulschlands ge-
boten, man berufe ihn, eh' es zu spät
ist, und man darf dabei noch auf weit
bessere Erfolge hoffen, als bcim Rat-
hausbau, da gerade solch ein Brücken-
bau eincr Künstlerphantasie die aller-
lohnendsten Aufgaben stellt.

G Münchner Kunst.

Ueber die gegenwärtige Früh-
jahrSausstellung derM ünchner
Srzession lützt sich nicht viel NeueS
oder Wichtiges sagen, doch bedeutet
das ja durchaus keinen Vorwurf: wir
bekommen eben wie alljährlich um
üiefe Zeit und an diesem Ort cinen
Uebcrblick über das technischc Können
und über allerhand technische Vcrsuche
der Mitglieder zu sehn. Dah dabei
die Skizze neben dem ausgeführtcn
Vorwurf sehr stark mitspricht, ist ebenso
natürlich, wie datz es wcniger ge-

schlossene Kunstwerke in hüherem Sinn
gibt, die über naturalistische Natur-
nachahmungen und dekorative Skizzen
! hinaus vor allem einen seelisch-sinn-
lichen Eindruck nach allen Seiten
hin auszuführen bemüht sind. Ob es
freilich unbedingt nötig ist, grade die
Zügelschüler Jahr sür Jahr mit genau
denselben Tierbildern in genau der-
selben virtuos-naturalistischeu Aus-
sührung immer wieder so stark ver-
tretcn zu sehcn, das ist eine Frage,
die ich nicht bejahen möchte. Ein gut
Tcil der Monotonie, die man denn
boch stellcnweise in den Sälen der
Sezession empfindet, ist diesem Umstand
zweisellos auch auf Rechnung zn sctzen.

Kurz hervorhcben möchte ich hier-
bei übrigens aus der Mengc von
technisch stärkcr hervorragenden Sachen
und in sich reifercn Künstlcrpersön-
lichkeiten Alois Kolb, in dessen
Aadierungen mir einc kräftigere Phan-
tasie ihre eigenen Wege zu suchen
scheint.

Recht interessant sind diesmal die
Sachen der wenigen Ausländer auS-
gefallen, die hier ausgestellt haben.
Mun ch ist mit einer Anzahl von Na-
dierungen vertretcn. Auch hier be-
gnügt er sich meist wic auf seinen Oel-
bildern damit, mchr anzudcuten als
seine Jntentionen völlig aus- und
durchzuführcn, abcr cr versteht cs doch
immer, das Wesentliche mit seinen
Andeutungen charakteristisch zu be-
rühren. Und was den scelischen Gehalt
seiner Darstellungen anlangt, so mutz
ich sagen: da die Dekadenz doch einmal
da ist, frcue ich mich, wenn sie jemand
in ihren verschiedencn Empfindungen,
in ihrer Hähiichksit und Trostlosigkeit,
wenigstens so krastvoll wiederzu-
geben weitz, wie Munch. Vorzüglich
in dieser Beziehung finde ich „Leben
und Tod": zwei derbe, nackte, ziem-
lich verkommene Weibsbilder betrach-
ten, die eine scharf prüfend, die andre
gleichgültiger, ein an eine Stange ge-
! heftetes grinsendes Totengeripp. Auch

Kunstwart
 
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