Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

DOI Heft:
Heft 14 (2. Aprilheft1903)
DOI Artikel:
Lose Blätter
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0098

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
holen und zu sehen, ob es dann vielleicht nicht noch besser geht.
(Nordd. Reichstag 1869.) i

*

Friedfertiger als der Herr Vorredner bin ich jedenfalls, . . .
und wenn er mir als kriegerisch vorwirft, ich hätte irgend einmal
von einem Strahl kalten Wassers gesprochen, so kann ich mich nur
darauf berufen, daß kaltes Wasser ein eminent friedfertiges, ab-
kühlendes Element ist. Jch würde dem Herrn Vorredner raten, recht
viel Gebrauch davon zu machen. (Reichstag 1871.)

*

Wie sitzt der schwere Steuerrock dem Volke am bequemsten,
oder vielmehr: wie läßt er sich am bequemsten tragen? Denn ganz
bequem sitzt der Steuerrock niemals! Es ist immer besser, man hat
keinen. (Reichstag 1877.)

(Börse.) Jch glaube, Sie werden die Aalglütte dieses Körpers
nie so vollständig überwinden, daß Sie ihn greifen und zum Zahlen

und zum Bluten nötigen. (Reichstag 1885.)

*

Mit den Leidenschaften verhält es sich wie mit den Forellen
in meinem Teich: eine frißt die andere auf, bis nur mehr eine
dicke alte Forelle übrig bleibt. Bei mir hat im Laufe der Zeit die
Leidenschaft zur Politik alle anderen Leidenschaften aufgefressen.
(Tischgespräche 1879.)

H«s cten krieten.

(Eltern.)

Heut war der Geburtstag meiner verstorbnen Mutter. Wie
deutlich schwebt mir vor als meine Eltern in Berlin am Opernplatz
wohnten, dicht neben der katholischen Kirche, wenn ich des Morgens
durch den Jäger aus der Peusion geholt wurde, das Zimmer meiner
Mutter mit Maiblumen, die sie vorzüglich liebte, mit geschenkten
Kleidern Büchern und interessanten Nips garniert fand; dann ein
großes ämsr mit viel jungen Offizieren die jetzt alte Majors sind,
und schlemmenden alten Herrn mit Ordensternen, die von den Wür-
mern verzehrt sind. Und wenn man mich als gesättigt von Tisch
geschickt hattc, so nahm mich die Kammerjungfer in Empfang, um
mir mit bei Seite gebrachtem Caviar, Baisers u. dergl. den Magen
gründlich zu verderben. Was stahlen doch alle diese Domestiken.
Meine Mutter war eine schöne Frau, die äußere Pracht liebte, von
hellem lebhaftcn Verstande, aber wenig von dem, was der Berliner
Gemüth nennt. Sie wollte, daß ich viel lernen und viel werden
sollte, und es schien mir oft, daß sie hart, kalt, gegen mich sei. Was
eine Mutter dem Kind werth ist, lernt man erst wenn es zu spät,
wenn sie todt ist; die mittelmäßigste Mutterliebe, mit allen Bei-
mischungen mütterlicher Selbstsucht, ist doch ein Riese gegen alle kind-
liche Liebe. Meinen Vater liebte ich wirklich, und wenn ich nicht bei
ihm war faßte ich Vorsätze, die wenig Stand hielten: denn wie oft
habe ich seine wirklich maßlose uninteressirte gutmüthige Zärtlichkeit
für mich mit Kälte und Verdrossenheit gelohnt. Und doch kann ich

2. Axrilheft idoz

77
 
Annotationen