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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

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Heft 15 (1. Maiheft 1903)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0167

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sches", das man hier gepriesen hat, gibt Maeterlinck seine eigentüm-
liche Stärke, sondern, wir wiederholen es noch einmal, unsrer Ueber-
zeugung nach durchaus das Traummäßige. Es brauchte vielleicht für
dieses dichterische Nachtwandeln gerade der besonderen Jntelligenz, die
sich auch in Maeterlincks „philosophischen" Büchern und in „Monna
Vanna" als so wenig scharfdenkend verrät. Und diese eigentümliche
Vegabung ist deshalb nicht gering zu achten, weil ihre Logik so schwach
ist, man darf sie nur eben nicht mit einer Denkerkraft verwechseln.
Mit ihrem Schlafwandeln führt sie zu Wegen, die künftig auch der
starke, freie und vielseitige Geist als gebahnte leichter betreten kann,
wenn's ihn verlangt, bedeutendere Gcdanken als die Maeterlinckschen
und ein größeres und freieres Fühlen nicht mit vernünftclndem Alle-
gorienkram, sondern mit stimmungsvoller Anschaulichkeit eindringlich
darzustellen.

Maeterlincks „Pelleas und Melisande" ist, wie seine übrigen
Schriften, deutsch bei Eugen Diederichs in Leipzig in schöner Aus-
stattung erschienen. Wir möchten sehr empfehlen, Maeterlincks Drameu
auch zu lesen, ihr eigentliches Wesen tritt dann klarer hervor, als
auf der Bühne, wenn man nicht einmal eine Musteraufführung ohne
Musikbeimischung sehen kann. A.

(Einleitung. Am Schloßtor.)

Die Mägde (iunen): Macht das Tor auf! Macht das Tor auf!

Der Pförtner (innen): Wer ist da? Warum kommt ihr und
weckt mich? Geht durch die kleinen Pforten; geht durch die kleinen
Pforten; es sind ihrer genug! . . .

Eine Magd (innen): Wir wollen die Schwelle, das Tor und
die Nampe scheuern; macht doch auf! Macht doch auf!

Andere Magd (innen): Es werden große Dinge geschehen!

DritteMagd (innen): Es werden hohe Zeiten kommen! Macht
schnell auf! . . .

Die Mägde: Macht doch auf! Macht doch auf!

Der Pförtner: Wartet! Wartet! Jch weiß nicht, ob ich auf-
machen kann. . . Das Tor wird nie geöffnet. . . Wartet, bis es
Tag wird . . .

Erste Magd: Es ist hell genug draußen; ich sehe die Sonne
durch die Spalten. . .

Der Pförtner: Da sind die großen Schlüssel... Oh! wie
sie kreischen, die Riegel und die Schlösser. . . Helft mir! Helft
mir! . . .

Die Mägde: Wir ziehen, wir ziehen. . .

Zweite Magd: Es geht nie auf. . .

Erste Magd: Ah! Ah! Da geht es auf! Es geht langsam

auf!

Der Pförtner: Wie es kreischt, es wird das ganze Schloß
aufwecken. . .

Zweite Magd (erscheint auf der Schwelle): Oh, wie hell es
draußen schon ist!

Erste Magd: Die Sonnc geht über dem Meere auf!

Der Pförtner: Es ist auf! . . . Es ist weit auf! . . . (Alle
Mägde erscheinen auf der Schwelle und treten hinauS.)

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