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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

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Heft 16 (2. Maiheft 1903)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0237

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mungen nach dem Leben. Schlutz,
aus den Prämissen: ich bin der Schul-
meister.

Aber die Benennungen der Zyklen l
O Gott, tun die feinen Nerven
wehl Frühling, norddeutsche Land-
schaftsstimmung, Trauer im Haus und
Scherz im Haus, Tod der Gelieb-
ten, Tod des Kindes — es ist entsetz-
lich, wie das schachtelt, wie das peinigt,
wie das die empfindlichen Seelen ver-
gewaltigen will, in die man bisher so
wohligTrauerodenund Faschingsspäße,
wie sie gerade kamen, goß. Aber viel-
leicht lernen auch unsere so Sensibeln
mit der Zeit lesen? Jene Wörter
nämlich sind nicht etwa Namen der
Zyklen, sie stehen auch gar nicht als
Ueberschriften im Buch, sie sind einfach
in anderer und kleinster Schrift unten
in die Abschlußlinie hineingesetzte Hilfs-
wörter beim Blättern, ganz wie die
Seitenziffern oben und sachlich genau
so nebensächlich wie diese. Das also
stört die Herren, die die bisherige
Namenparade nach ABC oder Datum
nicht gestört hat. Wo steckt der
Schulmeister?

Es gibt außer den literaturgeschicht-
lichen, denen kein Leben was nützt,
wenn's nicht in Papier gewickelt ist,
allerdings auch artistische. Ach, wird
man einmal auch diejenigen unsrer
Schulmeister auslachen, die, wenn
Frühling, Liebe, Schmerz oder Tod in
Dichterworten wiederklang, nicht nach
Frühling, Liebe, Schmerz oder Tod
hinhörten, sondern danach, welches
Herrn Poeten Stimme das war. Um
das Leben zu fassen, rang von diesen
Poeten ein jeder um seine Sprache,
seine Kunst, um das Leben zu fassen
und um weiterzugeben, was er davon
mit klammernden Organen festhielt.
Aber das ist das Feine: nicht etwa
vor allem dahin zu sehen, wohin der
Poet zeigt, sondern während er's tut,
vor allem aufzupassen, wie er selbst
dabei aussieht. Wo steckt der Schul-
meister?

Das ist das Recht des Scherzes
und grade das gibt ihm Wert, daß
er unbekümmert eine lustige Stimmung
hinauslachen läßt, sobald sie und wie
sie ihm kommt. Aber wenn der Aus-
gelachte mitgelacht hat, nicht wahr,
dann darf er auch über den Lacher
ein bischen lachen? Wenigstens, wenn
er mitten zwischen muntern Jugend-
locken ein Zöpfchen wackeln sieht? A.

G Ueber die Wichtigkeit einer all-
gemeineren Teilnahme am Schrift-
tum sprach kürzlich Arnold Schröer
einige Gedanken aus, die wenigstens
unsern Gebildeten geläufiger werden
sollten, als sie sind. Schröer erklärt
unsre ästhetische Urteilslosigkeit so gut
wie unsre politische Zerfahrenheit aus
dem Mangel einer ununterbrochenen
Ueberlieferung. Die Engländer z. B.
hätten schon vier Jahrhunderte un-
unterbrochene literarische Tradition,
mit der die Entwicklung der Sprache
ja Hand in Hand gehe. Dort habe
denn auch das ästhetische Moment, die
Freude an der Sprache als Kunst,
längst eine Alle verbindende Sprache
hervorgerufen, die der politischen Eini-
gung mit Schottland und der Aus-
breitung des Engländertums über alle
Welt vorgearbeitet habe. — Schon aus
solchen Gründen müßten gerade die
politischen Köpfe alles tun, um eine
ästhetische Kultur auch der Sprache zu
fördern, damit eine literarische Ueber-
lieferung sich festigen und zusammen
mit der sonstigen ästhetischen Kultur
die besten Kräfte als Ausdrucks- und
Austauschmittel ihrer Empfindungen
verbinden und zu einer gemeinsamen
Weiterentwicklung führen könne.

G Die Verbreitung der Wies-
badener Volksbücher nimmt er-
freulich zu. Einige Nummern, wie
Riehl, „Stadtpfeiffer", Hansjakob,
„Vallentin", Rosegger und Dickens
liegen bereits im 20. — 35. Tausend
vor. Bemerkenswert sind die Be-
darfszahlen einiger großen Verbände:
die Groß-Einkaufsgcnossenschaft deut-

2. Maiheft tdos
 
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