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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

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Heft 16 (2. Maiheft 1903)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0238

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scher Konsumvereine in Hamburg
brauchte etwa 40000, der Verband
deutscher Post- und Telegraphenbeam-
ten in Berlin etwa 20000, die Mili-
tärbehörden bestellten 12000 Hefte.
Der Zweck der Sammlung: ausge-
zeichnete ältere und vor allem neue
Literatur mit sachkundigen Einlei-
tungen in sehr guter Ausstattung für
einen Mindestpreis zu geben, wird
also mehr und mehr gerade in den
Kreisen als vortrefslich anerkannt, für
die die wohlfeilen Bändchen bestimmt
sind. Jmmerhin wird es noch einige
Zeit dauern, bis die Verbreitung der
Wiesbadener derjenigen der Schweizer
Volksbücher gleichkommt, denn diese,
nach den gleichen Grundsätzen heraus-
gegeben, sind heute schon zu Millionen
im Schweizer Volke, und der Baseler
Bezirk braucht ganz allein 400000
Heftchen durchschnittlich im Jahre. Der
Kunstwart hat wiederholt auf beide
Sammlungen aufmerksam gemacht und
bittet auch die neuen Leser, für die
gute Sache zu wirken. Für is Pf. in
Briefmarken erhält man von der Ge-
schäftsstelle, der Buchhandlung tzein-
rich Staadt in Wiesbaden, ein Probe-
heft zugesandt, und kann auf dem
Umschlag ersehen, was alles und unter
welchen Bedingungen es zu haben ist.
Jn Deutschland gedenkt sich der Dürer-
bund der Förderung dieser guten Sache
nach Kräften anzunehmen. A.

Okeater.

G Berliner Theater.

Paul Lindau ist zum i. Mai von
der Leitung des Berliner Theaters
zurückgetreten. Damit hat die neue
Wandlung in Berliner Theaterdingen
begonnen. Sie erklärt zum Teil den
Abschlutz des Theaterjahres, der eher
ein rascher Abbruch, als ein richtiger
Ausgang ist. Die große Wanderung
der Direktoren von Theater zu Theater
bereitet sich vor; und so blieb manches
liegen, was anfangs verheißen wurde.

Nur das Schauspielhaus machte noch
einen letzten Versuch in der vorstechen-
den Richtung nach „literarischer Schatz-
gräberei". Aber dieser Versuch be-
deutet keine neue Tat für die deutsche
Bühne. Er galt der oft erprobten
„ Sakuntala", die diesmal von dem
Zierpoeten Marx Möller bearbeitet
wordenwar. JmNeuenTheaterwollte
man nach Pelleas und Melisande noch
den Sophokleischen „König Oedipus"
in einer Neudichtung von Willamowitz
aufführen. Man scheint indessen die Ab-
sicht für diesmal aufgegeben zu haben.

Paul Lindau selbst lietz durch einen
Leibreporter verkünden: Jhn hätten
bereits die kommenden Taten, die er
für das Deutsche Theater plane, so
sehr beschäftigt, datz er für sein Ber-
liner Theater nicht allzuviel mehr
übrig gehabt hätte. Das soll die Un-
ergiebigkeit der letzten Periode ent-
schuldigen. Paul Lindau verfiel in
ihr auf älteste Liebhabereien. Sogar
auf Scribe und seine Komödie „Ver-
läumdung" griff er jüngst zurück. Er
und die Seinen werden die Antwort
begriffen haben, die von einem Publi-
kum kam, das gewiß nicht zu geistigem
Stolz erzogen wurde. Alle Arbeit
war denn doch nicht vertan. Man
darf uns heute nichts mehr auf-
schwätzen, was „blotz brillant" gemacht
ist. Die Leute ertragen oder freuen
sichüberBlumenthalsGaukeleien, wenn
nur irgendwo ein noch so äuherlicher
kalter Abglanz ihrer Welt ihnen ent-
gegenscheint, sei es auf einem Nordkap-
Dampfer, sei es im Sommerhotel am
Bergsee. Aber die Technik Scribes
bleibt heute stumm. Jn die Komödie
„Verläumdung" ist Bürgerkönigtum,
Staatsministerium und Politik mit ein-
bezogen; um so spielerischer erscheint
das Wesen dieser blotzen Technik, die
den großen Gang der Dinge durch
Kleinlichkeiten beweglich darzustellen
glaubt.

Blickt man nun auf das krause „Ver-
suchsjahr" zurück, so schlietzt es immer-

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Aunstwart
 
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