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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

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Heft 18 (2. Juniheft 1903)
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Kalkschmidt, Eugen: Bühnenplätze
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https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0325

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soll gewiß nicht behauptet werden, daß diesr festlich aufgeschmückten
Darbietungen einzig nnd allein dem Knlt der Mimen und Sänger
wie dem der Szene, nicht aber der Knnst Segen brächten. Ein bis-
chen was besseres als gewöhnlich wird schon geboten, und selbst wenn
dieses Bcssere sich nur negativ äußern oder genauer: wenn es als ein
Latentes wirken, wenn es lediglich in der Erwartung und gesteigerten
Aufnahmefähigkeit der Zuschauer zum Ausdruck kommen sollte, fruchtet
es in manchen Köpfen und Herzen doch. Nur freilich steht dieser
geringe künstlerische Gewinn zu den dafür aufgewendeten Mitteln
in der Regel im stärksten Mißverhältnis, und zu den dafür aufge-
wendeten großartigen Worten erst recht. Festspiele — sind denn nnsere
Begriffe und Gefühle von dem, was festlich sei, schon erfüllt,
wenn Herr X. und Fräulein D. vom Hoftheater in Z. als Gäste
Faust und Gretchen, oder Siegfried und Kriemhild mimen? Das
wäre doch ein klägliches Jdeal. Es besteht in Wahrheit auch nur
in den verwirrten Köpfen jener kindlich begeisterten Theaterfrennde
und -freundinnen, die kein Verständiger ernst nehmen wird.

Nein, die ernsteren Theaterleute, ausübende und schauende,
nehmen all diese lahmen Flugversuche nur als kümmerliche Anfänge.
Sie träumen von ganz anderen Dingen, und das mit Recht, denn
das echt menschliche Bedürfnis, erhoben, aus dem täglichen Getriebe
der Pflichten herausgehoben zu werden, nimmt zu an Umfang wie
an Stärke, je weniger es im Alltag seine Befriedigung findet. Diese
Leute träumen nicht nur, sie planen auch leserlich, und zum Teil
sogar ganz plausibel leserlich auf dem Papier. Zwei Gruppen solcher
Planer sind zn unterscheiden: die eine möchte unter Ausschaltung
der modernen Geschäftsbühnen durch sommerliche Volksspiele an na-
türlich gegebenen Stätten fern der Stadt so etwas wie einen thea-
tralischen Wettkampf der Landschaften, sei es mit oder ohne Hilfe
der Heimatkunst. Die andre Gruppe will die bestehenden Verhält-
nisse ausbauen und die Provinztheater zu künstlerisch selbständigen
Verbänden organisieren. Beiden gemeinsam ist die schätzenswerte
Tendenz zur Mündigung der Nichtberliner in Dingen des Theaters.

Die Bestrebungen der ersteren Gruppe knüpfen an die wenigen
erhaltenen Reste der historischen oder der religiösen Schanspiele an.
Historischen oder weltlich volkstümlichen Charakters sind der Meister-
trunk von Rothenburg; die Volksspiele in Meran, die Schweizerischen
Gedenkfeste, wie deren eines Gottfried Keller im „Grünen Heinrich"
beschreibt, das Naumburger Hussitenfest und ähnliche überkommene
Betätigungen engerer Gemeinschaften. Neu eingeführt haben sich im
vorigen Jahre die Lichtensteinspiele in Schwaben. Von den religiösen
Schauspielen sind erhalten die Passionsspiele in Oberammergan und
Höritz im Böhmerwald; auch sind hier anzuschließen die Gustav-
Adolf- und die Luther-Festspiele, wie sie von städtisch zentralisierten
Vereinigungen durchs ganze deutsche Kulturgebiet gleichmäßig ge-
Pflegt werden. Für dieses Jahr stehen als Veranstaltungen weltlichen
Charakters den Zeitungen nach auf dem Plan: ein schlesisches Fest-
spielhaus an der schlesisch-österreichischen Grenze, von Gerhart Haupt-
mann und seinem Landsmanne Philo vom Walde beabsichtigt, die
Nibelungenspiele in Pöchlarn an der Donau, die der provinziale

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