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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

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Heft 18 (2. Juniheft 1903)
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Kalkschmidt, Eugen: Bühnenplätze
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https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0328

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Bühnen zu „Unternehmungen" aus, so stellte sich die ganze Vereini-
gung über kurz oder lang doch nur als eine kapitalistisch vergrößerte
und also rentablere Geschäftsanlage heraus, wie das Beispiel der
vereinigten Stadttheater Harnburg-Altona unter dem Hofrat Baruch
Pollini seligen Angedenkens lange Jahre hindurch so glänzend be-
wiesen hat.

Aber war es schon schwer, Dortmund und Essen, die Schwester-
städte, freundnachbarlich unter einen Hut zu bringen, um wieviel
schwerer wird es sein, die kleinen thüringischen Residenzen mit ihrer
gemütlichen Eifersucht auf ein künstlerisches Programm zu vereinigen.
Da will Gotha die Oper halten und Gera erst recht. Und Weimar
sollte seine verdienstlichen erb- und pensionsberechtigten Operngrößen
einfach abdanken oder nach Gotha schicken müssen? Welch ein er-
schreckender Gedanke! Und gesetzt auch, man gewöhnte sich an ihn,
wie wird sich Weimar vorschreiben lassen wollen, ausgesucht das
klassische Drama für eine Reihe von Jahren Pflegen zu müssen! Jch
bin zwar mit dem Verfasser des Aufsatzes überzeugt, daß dieser Ber-
pflichtung durchaus nichts ehrenrühriges anhaftet, daß sie auf Grund
gemeinsamer Beratung und Abstimmung seitens Bevollmächtigter der
beteiligten Jntendanzen und etwaiger Privatdirektionen sehr gut an-
zunehmen sein würde, aber wer jemals Verhandlungen am Theater
kennen gelernt hat, wer die bunt und breit verzwirnten persön-
lichen Jnteressen der Theaterleute mit in Berechnung zieht, der kann
sich schwer vorstellen, wie ein so vernünftiger aber höchst radikaler
Gedanke zur Wirklichkeit werden soll.

Und doch bleibt den mittleren und kleinen Provinzbühnen auf
die Dauer nichts anderes übrig, als sich sozusagen Rücken an Rücken
zu ftellen und nur geradeaus zu sehen. Es ist eine geistige Lebens-
srage für sie, daran kann kein Zweifel sein — ob sie mit der Ent-
wicklung der großstädtischen Bühnen zur Spezialisierung hin gleichen
Schritt halten können oder nicht. Tun sie es nicht, so Versimpeln
sie aus Mangel an Teilnahme seitens der geistig regsamen Zuschauer-
kreise, so werden sie das, was die französischen Provinztheater, selbst
in den dortigen Großstädten, schon sind: reine Vergnügungsetablisse-
ments. Berbünden sie sich aber zu intensiver Sonderarbeit auf allen
in Betracht kommenden Gebieten, so erringen sie sich grade dadurch,
daß sie den jetzigen prunkhaften Schein einer künstlerischen Selbst-
bestimmung aufgeben, eine unanfechtbare Selbständigkeit von ungleich
größeren künstlerischen Werten.

Sind aber Verbände dieser Art durchs ganze Gebiet deutscher
Zunge verbreitet, dann gewinnen auch die Fest- und Meisterspiele
einen Sinn von allgemeiner Bedeutung. Jn Berlin im Vorjahre
ist ziemlich einmütig festgestellt worden, daß lediglich die Gesamt-
gastspiele der Dresdner oder Münchner Hofbühnen künstlerische An-
regung gaben, weil sie Stil hatten. Was hinderte, die Theaterver-
bände einer Landschaft, einer Provinz alle paar Jahre einmal zu
einem Wettspiel zu versammeln, was hinderte, die aus diesem Wett-
spiel hervorgegangenen Sieger noch im selben oder im Jahre darauf
aus allen Landschaften her zu einem nationalen Wettkampf zu
vereinigen? Da könnten nicht nur, da müßten die Provinzler

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