Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

DOI Heft:
Heft 18 (2. Juniheft 1903)
DOI Artikel:
Kalkschmidt, Eugen: Bühnenplätze
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0327

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
weniger als der Ausspruch will, wünschen wir, daß durch sie dann
und wann auch einmal ein Dichter die Kraft seines Wortes auf eine
unvoreingenommcne Zuhörerschaft erproben lerne, wünschen wir fer-
ner, daß man die Zwischenpausen mit guter volkstümlich frischer
Unterhaltung zu füllcn verstehe, — so wünschen wir ihnen, meinen
wir, genug.

Wahrlich, besser als alle Preisausschreibuugen und feurigen
Aufrufe zur Kunst wirkt die schlichte Gegenständlichkeit guter Kunst
selber auf das Volk und seine vcrborgen schöpfcrischcn Triebkräfte.
Es ist nicht wahr, daß die Fülle des Vorhandenen, des als gut
Ueberlieferten die ringenden Keime erdrücken müßte. Die Fülle
drückt wohl, aber sie hebt auch cmpor; sie steigert das Bedürfnis,
aber auch die Fähigkeitcn, dem gestcigerten Bedürfnis zu entsprechen.
Grade darum ist die Pflege des reichen Guten, das wir auf unserer
Schaubühne heute gottlob zu Pflegen haben, ein so wichtiges Ding
für das geistige und seelische Gedeihen des Einzelnen wie der Ge-
samtheit. Und darum scheint mir cin Plan, wie er aus der zweiten
der oben gekennzeichneten Gruppen soeben veröffcntlicht worden ist,
im allgemeinen wenigstens recht zweckmäßig und der Ueberlegung und
Ausführung wert. „Wir glauben," heißt es in einem Aufsatze „Ein
Thüringer Theaterbund?" der „Wartburgstimmen", „daß dem Rufc
»Los von Berlin« nur dadurch entsprochen wcrdeu kann, daß mau
dem Monopolwescn des Berliner Bühnenkapitals die Genossenschaft
von Verbänden kleinercr Bühnen cntgegcnsetzt, die durch organisierte
Arbeitsteilung in dcn Stand gesetzt wcrden, nach Jnhalt und Form
so Gutes zu leisten in dcr Gcnofsenschaft, wie die selbständigen Einzel-
bühnen Berlins." Das Meininger Theater habe gezeigt, was bei
klarer Beschrünkung künstlerisch zu erreichen sei. Thüringen sci durch
seine Hofbühnen der gcgebene Boden für einen genosseuschaftlichen
Versuch mit Arbeitsteilung in der Weise, daß jede Bühne sich ver-
pflichte, auf eine Anzahl von Jahren ein ganz bcstimmtes Sonder-,
gebiet zu pflegen. So zum Beispiel Weimar: das klassische Drama;
Meiningen: Hebbel, Otto Ludwig, Grillparzer, Anzengruber; Gotha:
das Lustspiel; Gera: das moderne Drama. Um die Einseitigkeit des
Spielplans für die einzelne Stadt aufzuhcbeu, hätteu die beteiligten
Bühncn in geregelten Gastspielen ihre Lcistungen auszutauschen.

Das ist in der Tat ein Vorschlag, der durch die Verhältnisse
bcdingt und vielleicht vou manchem schon durchdacht ist. Jedenfalls
entwickelt er sich organisch aus der Jdee des Städtebundtheaters, die,
allerdings noch unvollkommeu und provisorisch, doch schon hic und
da, in Oberschlesien, in Oberhessen, im Rheinland verwirklicht worden
ist oder verwirklicht werden soll. Die Städte Dortmund und Essen
sind sogar schon drauf und dran, einen solchen Bund zur gegen-
seitigen Ergänzung, wie er hicr vorgeschlagen wird, praktisch zn er-
proben: Dortmund beschränkt sich auf die Oper, Essen aufs Schau-
spiel, und man besucht einander mit dem, was man gelernt hat.
Hoffentlich entschließt man sich auch in den beiderscitigen Gcmeinde-
räten dazu, die Bühnen in eigene Verwaltung zu übcrnehmcn und
dem Leiter durch ein festes Gehalt eine sichere Grundlage für künst-
lerisch unabhängige Arbeit zu geben. Denu licferte man ihm beide

2. Iuniheft 1903

2S7
 
Annotationen