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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

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Heft 18 (2. Juniheft 1903)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0352

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7. Zeitgeist gegohren: Theater-
direktoren.

8. Die Schnecke ist der Husar des
Kohlgartens. (Variation über das
Thema: Der Roman ist das Epos
unsres Jahrhunderts.)

9. Es ist Lessings unsterbliches Ver-
dienst, durch Beseitigung Corneilles
den Weg für Ivette Guilbert freigemacht
zu haben.

10. Es genügt nicht immer, blöd-
smnig zu tun, um geistreich zu sein.

Larl Spitteler.

P „Jena oder Sedan?^ Roman
von Franz Adam Beyerlein. (Ber-
lin, Verlagshaus Vita, 2 Bde., 8 Mk.)

Die Antwort Beyerleins auf die
Frage des Titels ist, datz die Ent-
wickelung des deutschen Heeres auf ein
neues Jena hinauslaufen müsse, wenn
keine Aenderung in der Richtung, keine
Anpassung der leitenden Kräfte an die
gewandelten Zeitverhältnisse eintrete.
Jn diesem Sinne ist das Buch „dem
deutschen Heere" gewidmet als die
ehrliche Mahnung eines selbständigen
Beobachters von beträchtlichem schrift-
stellerischem Talent, eines Mannes, der
unbefangen das Leben innerhalb wie
auherhalb der Kasernmauern in natür-
licher Wechselwirkung sieht, und diese
Wirkung von freiemund weitemStand-
orte aus sorgfältig wertet und bucht.
Er bucht sie, wie gesagt, überwiegend
zu Ungunsten des Heeres und damit
des Landes, das er liebt, wie er in
einer nachträglichen Vorrede ausdrück-
lich verstchern zu müssen glaubt. Die
Versicherung ist meines Erachtens über-
flüssig, wie überhaupt die ganze Vor-
rede, aus der wir erfahren, datz „Daily
Mail" den Verfasser einen Sozialisten
nennt, während der „Gaulois^ sein
Werk als von einer edlen und vater-
ländischen Begeisterung eingegeben be-
zeichnet.

Wir haben einen Standesroman
vor uns mit der unzweideutigen Ten-
denz zur Besserung bestehender Ver-
hältnisse. Damit scheidet das Werk

aus dem engeren, dem rein künstle-
rischen Kreise der Dichtung aus. Der
Verlust an dauernder Wirkungskraft
wird aber soweit, wie das überhaupt
möglich ist, durch die erhöhte Zeitbe-
deutung des Romanes ausgeglichen.
Sein schriftstellerischerWert ist durch die
breite Anlage des Ganzen, durch die
einlähliche Treue und Sorgfalt in der
Einzelschilderung ungewöhnlich; es
verdient auch in dieser Beziehung
eine Beachtung, die man ihm einst-
weilen. wohl mehr aus anderen
Gründen entgegenbringt. Beyerlein
schildert umständlich, gleichsam in
drei Stockwerken übereinandergebaut,
das Leben der Mannschaften, Unter-
offiziere und Offiziere einer kleinen
Garnison. Einzelne Typen, überwie-
gend sympathische Gestalten stehen im
Vordergrunde. Unter den Mannschaften
Vogt, der geradsinnige Bauer; der
Wachtmeister Schumann, der sich nach
achtzehn Jahren noch kaum von seiner
Batterie trennen kann; Leutnant Rei-
mers und sein Freund Güntz, der eine
ein ernst-grübelnder Jdealist, der andre
ein energischer Praktiker. Schliehlich
der Oberst, ein gediegener Charakter
aus der alten Schule. Der Verfasser
zeigt nun, wie diese tüchtigen Elemente
durch falsch angewendete Mittel in der
Gesinnung gewandelt, durch schlechtere
Männer ersetzt oder hinausgedrängt
werden. Vogt, der für ein entschuld-
bares und allgemein entschuldigtes
Vergehen eine übermätzig harte Ge-
fängnisstrafe verbühen muh, wird
Sozialist. Schumann wird durch einen
Ehebrecher,Spieler und Dieb,der außer-
dem freilich strammer Soldat tst, ab-
gelöst. Reimers, durch die Einsicht in
die Unhaltbarkeit seiner Jdeale wenig-
stens mitbestimmt, erschietzt sich. Güntz
nimmt seinen Abschied, weil ihm die
parademarschmäßige Gleichmacherei,
der Drill bis ins Tz hinein unsinnig
und unerträglich wird. Der Oberst
wird versetzt, dank seines Ansehens
beim Landesherrn nach oben hin, aber

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