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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

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Heft 18 (2. Juniheft 1903)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0353

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an scine Stelle tritt ein widerwärtiger
Streber. Das Regiment, dessen Orga-
nismus zu Beginn leidlich gefestet und
nur erst in emzelnen Teilen brüchig
erschien, befindet sich am Ende auf dem
deutlichen Parademarsch in analoge
Zuftände der Haltlosigkeit, desZwanges
und der Unfreude hinein, wie sie für
die Zeit vor Jena bezeichnend waren.
Die Streber und Gecken sind obenauf,
der dekorative, derdekorierte,der ruhm-
redige und glattzüngige Offizier hat
das Wort. Bestechliche servile Unter-
offiziere, erbitterte Mannschaften, die
ganz von sclber der Sozialdemokratie
zuwachsen — das ist das traurige
Ende von Beyerleins Liede.

Datz die Tendenz don anspruchs-
vollen Leser etwas stört, erklärt sich
mir weniger aus ihrem Dasein an und
sür sich — aus irgend einem Anschau-
ungswinkel der Welt oder des Lebens
mutz ja der Künstler, auch der gröhte,
doch schauen und schaffen, und damit
auch die Dinge in bestimmtem Sinne
für seine höhere Wirklichkeit werten.
Sondern mir scheint: Beyerlein ist trotz
genauer Sammlung typischer Einzel-
heiten, trotz Verarbeitung dicser Ein-
zelheiten zum Extrakt, zur ein-
heitlichen Jdee nicht zur dichterischen
Wiedergeburt dieser Jdee gelangt.
Dieses dritte Stadium des Schaffens-
vorganges aber, das eigentliche Ge-
stalten, gibt den Dingen ja erst die
zwingende Anschaulichkeit und damit
die dichterische Wahrscheinlichkeit, in
der selbst eine Menge von einzelnen
Unwahrscheinlichkeiten ohne Wider-
spruch aufgehen kann. Bleibt diese
Gestaltung, die Synthese aus, so zeigt
sich, wie hier, wohl eine analytisch un-
anfechtbare, geordnete Ansammlung
lebensvoller Einzelheiten, aber es macht
sich auch bemerkbar, datz sie von außen
her, durch eingcschobene theoretische
Erwägungen ihre Werlung empfangen.
Das gibt auch Beyerleins Werk für
mich den im unerfreulichen Sinne ten-
denziösen Charaktcr. Trotzdeni möchte

2. Iuniheft xyos

ich es auch in dieser Beziehung nicht
viel tiefer als Omptedas Standes-
romane des deutschen Adels oder Po-
lenzens Agrarromane stellen. Wir
haben kein Buch bisher, das ein so
bedeutsames Milieu wie dasjenige des
modernen deutschen Heeres so sachlich,
ehrlich und umfassend schilderte und
so wichtige Probleme behandelte wie
dieses. L. Kalkschmidt.

G Gelegentlich des endgültigen
Verzichtes Schwedens auf Wismar
ist es für einen, der nationaler „Re-
präsentation" auch ohne Hurrabegleit-
ung guten Eindruck wünscht, etwas
unerquicklich zugegangen. Schön, die
Schweden konnten nicht anders han-
deln, als sie taten, aber wie taten sie
was sie tun mußten l Die Worte in
ihren Parlamenten jedenfalls waren
durchaus edel geprägter Ausdruck
eines vornehmen weiten Empfindens
übers Meer hinüber von Volk zu Volk.
Dagegen die Antwort des Wismarer
Bürgermeisters l Trocken wie Kanzlei-
papier und ungcschickt, als hätte ein
Kalkulator vom Frühling zu schreiben.
Schlietzlich der Wunsch, datz derWunsch
der Schweden in Erfüllung gehen,
das heitzt: datz es uns, denen in
Wismar, gut gehen möge. O weh,
o weh, es war wirklich für einen
Deutschen zum Rotwerden. Wir haben
zwar gar keinen Grund, den Wismarer
Bürgermcister für einen Banausen zu
halten; die Aufgabe wird ihm ein-
fach zu ungewohnt gewesen sein. Jm
letzten Grunde aber sind auch Erschei-
nungen wie diese doch wohl nur Zeug-
nisse für den niedrigen Stand unsrer
literarischen Kultur, die selbst wo sie
vorhanden, doch nicht mit dem Leben
verwachsen, doch auch ihrerseits.Draht-
kultur" ist.

Obealer.

G Münchner Theater.

Nun haben auch wir in München
Sarah Bernhardt zu sehn be-
kommen. Jch kann's nicht ändern.

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