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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

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Heft 18 (2. Juniheft 1903)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0359

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mit andern zu verbinden.

Wohl ist es dann einige Erquick-
ung, in den kleinen Saal der Mün-
chener .Scholle" zu treten, der einzigen
Vertretung Nicht-Berliner Kunst, die
sich in grötzerem Maßstabe an der
Sezessionsausstellung beteiligt hat.
Denn es ist rvahr: aus den Bildern
dieser Münchener spricht eine grötzere
Frische, spricht eine grötzere ivirkliche
Liebe zur Natur, eine größere Munter-
keit und sogar Humor. Allein auch
über ihnen schwebt die Geißel der
Rastlosigkeit; auch sie gönnen sich nicht
die Ruhe, zu schauen und zu leben;
und es ist nicht zu verkennen, datz
die geistige Ebene, auf der sich diese
Münchener Kunst im allgemeinen be-
wegt, nicht sehr hoch liegt. Die Dar-
stellungen des Lebens atmen eine Auf-
fassung, als ob das Leben nichts an-
deres als ein Karneval wäre. Der
Humor schmeckt bedenklich nach Bier-
humor, und seltsam mischt sich Künst-
lerisches und Philiströses in diesen
Bildern. Wenn die Künstler dann
doch den Mut hätten, die Philister-
natur, die nun einmal oft in ihnen
steckt, offen auszusprechen! Auch in
Ludwig Richter steckte ein Stück vom
Philister, und dennoch wurde er ein
grotzer Künstler, ja vielleicht mit ge-
rade deshalb, weil er dem Sein und
Denken einer Menschenklasse Aus-
druck lieh, von der Wilhelm Raabe so
gcistvoll entwickelt hat, datz ohne sie
selbst Schiller und Goethe nicht denk-
bar wären. Wenn doch die Künstler
den Mut hätten, nicht Genies scheinen
zu wollen, die in gewaltiger Leiden-
schaft ihie Bilder herunterhauen, son-
dern fleißige Arbeiter zu sein, die das
licbevoll Erschaute liebeooll darstellen.

Die kleine Ausstellung der „Scholle"
erhält allerdings auch diesmal cin
besonderes Gewicht durch die Beteili-
gung Fritz Erlers. Wohl hat auch er
einige sehr schwache Sachen ausgestellt,
allein das Frauenbildnis, das er zeigt,

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ist in der großen und feinen Charak-
teristik des Geistigen doch das beste,
was seit längerer Zeit auf diesem Ge-
biete in Ausstellungen erschien. Und
das große Bild „Grauer Tag" ist
wiederum ein ergreifendes Bekenntnis-
bild, eine Darstellung jener dunklen
Augenblicke, da mitten in äutzerem
Ueberfluß sich die dunklen Mächte
regen und das ganze Dasein über-
schatten. Auch Erler ist zur letzten
Durchbildung und Vollendung seiner
Werke noch nicht gelangt, allein das
verzeiht man ihm leicht, weil man
steht, datz er ringt und sucht; und so
viel ist gewiß, datz alle die Fragen,
von denen heute so viel hergemacht
wird, die Fragen, ob man in dieser
oder jener Weise malen, ob man
tüpfeln oder in breiten Massen malen
soll, vor den besten seiner Arbeiten in
ihrer ganzen Geringsügigkeit erscheinen,
weil hier wirkliche Beobachtungen und
Erfahrungen, geläutert durch das Feuer
inneren Erlebens, dargestellt sind.

Es ist nicht eben viel erfreuliches
auf dieser Ausstellung zu finden.
Ludwig von Hosmann ist, nachdem er
soeben eine so grotze Ausstellung seiner
Werke veranstaltet hat, hier weniger
stark vertreten; das kleine Bild des
Raubes der Europa ist das gelungenste,
das interessanteste aber die Vertreibung
aus dem Paradiese, weil es den Künstler
auf der Spur neuer Probleme, weil
es sein Bestreben zeigt, den Kreis des
rein Jdyllischen zu durchbrechen und
sein Schaffen durch eine stärkere dra-
matische Kraft zu beleben. Dieses
Problem beschäftigt ihn, wie manche
Bilder zeigen, schon seit längerer Zeit,
und dieses neueste Werk beweist, vor
allem in der Darstellung.der Körper,
daß sich in der Tat seine dramatische
Auswuchsfähigkeit gesteigert hat. Erler
und Hofmann scheinen mirgeistig dic be-
herrschenden Persönlichkeiten der Aus-
stellung. Dann gibt es noch eine vielver-
sprechende Winterlandschaft von Erler-
Samaden, die im Aufbau und in der

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