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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

DOI Heft:
Heft 20 (2. Juliheft 1903)
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Kalkschmidt, Eugen: Vom künstlerischen Lichtbilde, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0440

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ist immer ein dankbares Motiv für den Photographen gewesen, aber
um es so unheimlich schwer und groß erscheinen zu lassen, wie auf
diesem Blatte, dazu war die weite Ebene und die fahle Spiegelung
im Sande des Rinnsals mit den ausgewaschenen Grasrändern nötig.
Wie fein verliert sich der Wiederschein der noch lichten Himmelsbreite
über den Boden fort in den dunkeln Horizont. Der Himmel, wie
mannigfach ist er abgeschattet! Einen so anspruchslosen Fleck am
Donauufer (Abb. 2) würden die allermeisten Spaziergänger unbeachtet
lassen, der Lichtbildner sah den feinen Lauf der diagonalen Sil-
houette, er verstärkte ihn, so daß er bestimmend wurde, er gab ein
leichtes Gewölk dahinter, um die schwere, gebundene Flächc des Vorder-
grundes zu kontrastieren; er sah cin Bild in der Natur und nahm
es mit. Abb. 3 zeigt eine typische Landschaft aus dem Dachauer
Moos in einer so weichen Klarheit, daß man das feuchte Lüftlein
ordentlich wehen fühlt. Abb. 4 gibt das wesentliche einer Fabrik-
vorstadt mit sehr einfachen linearen Kontrasten; die Spiegelung der
Häuser im Wasser (Abb. 5) wirkt so außerordentlich farbig nur durch
die sorgfältig wiedergegebenen reichen Tonwerte der Farben, das
gleiche gilt von den Segelbooten (Abb. 6), dem Kanal (Abb. 7), man
beachte, wie das Licht jedem Segel seinen Charakter gibt je nachdem
es die gebauschte Fläche trifft. Der strahlende Schimmel vor der
Holzfuhre (Abb. 8) ist doch mit unverkcnnbarem künstlerischen Jnter-
esse so verdeckt beobachtet, und der Markt in Brüssel (Abb. 9) erscheint
wenigstcns mir als ein kleines Wunder von Jntimität, das freilich
wohl nichtdurch rein lichtbildnerische Mittel so verblüffend echt zu seinem
Laternenscheine gekoinmen ist. Abb. 10 und 11 bitte ich mit der lang-
weiligen und süßlichen Architektur irgend einer Ansichtspostkarte zu
vergleichen; män wird ohne weiteres einsehen, daß auch hicr die
Lichtbildkunst manches gut zu machen hätte, was die Photographie
verbrochen hat und noch tagtäglich verbricht.

All diesen guten Beispielen Gegenbeispiele zu geben, wird keinem
sehr beschwerlich sein. Aus der erkennenden Vergleichung möchte ich
freilich noch nicht den Schluß gezogen wissen, daß nun auch jeder,
der mit dem Apparat zur Not umgehen kann, Lichtbildner werden
müsse. Das sctzte einc besondere Begabung voraus wie jede andere
ernsthafte Kunstübung und wie eine jede solche auch viel Arbeit und
also Zeit. Nur das wolle man zugestehen, daß es möglich ist, Licht
und Schatten im photographisch festgehaltenen Naturausschnitt zur
künstlerischen Charakterisierung der Dinge zu gebrauchen. Wer noch
nicht übcrzeugt oder unklar darüber ist, der gedulde sich bis zu
unserer Unterhaltung über gute und schlechte Bildnisphotographien.
Den künstlerischen unter unsern Photographen fehlt es noch an einem
Publikum, das ihre Bcmühungen versteht und im Kampfe mit der
rein gcwerbs- und geschäftsmäßigen Photographiererei unterstützt.
Mögen unsere Freunde mithelfen, ein solches Publikum überall heran-
zubilden. L. Kalkschmidt.

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