Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

DOI Heft:
Heft 20 (2. Juliheft 1903)
DOI Artikel:
Lose Blätter
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0473

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
sollst Du von mir gegrüßet seiu. Halt mir nichts für Uebel, und
ich schließe mein Schreiben im Schutze Gottes und verbleibe bis
ins kühle Grab Dein

Johann Kinigl,

Korporal, 27. Jnfant.-Reg. König der Belgier."

Der alte Schmiedrochel schüttelte sehr lange deu Kopf. — „Von
der Muhme das!" sagte er endlich.

„Ja," rief die durch den Brief entzückte Gretl, „der Schwanen-
wirt-Christl ihrer —"

„Dirn!" rollte jetzt die Stimme des Alten dazwischen wie ein
niederstürzender Eisenklumpen. Da sah die gute Gretl alles verraten,
verloren. Still war's, nur der Blascbalg pfauchte.

„Er hat mir's versprochen," hauchte das Mädchen, ihre Finger
ineinanderhäkelnd und sehr laut, „'s Heiraten hat er mir versprochen
und es hat so sein müssen, weil der Herr Pfarrer hat predigt, die
Ehen werden im Himmel geschlossen."

„Ja, und die Torheiten auf Erden begangen. Heiraten! Und
einen Habenichts vom Militär! Hörst, einer, der einmal den Tornister
auf dem Buckel trägt, gewöhnt sich den Höcker nicht mehr ab, hängt,
hat er sonst nichts, den Bettelsack um."

„'s schickt sich nicht, daß ich was red', Vatermann, aber mich
däucht halt, rechtschaffen fleißig bei der Arbeit wär' der Hansl, recht-
schaffen fleißig und brav; tut nicht trinken und nicht spielen; kann
schreiben wie der Herr Verwalter und tut manigsmal gern in den
Büchern lesen —"

„Ja, in solchen 'leicht, wo man die Blätter mit dem Knie um-
wendet. Marsch, in deinen Stall, Dirn! — Mein Lebtag hab' ich
noch kein Mädel gesehen, das einen heiraten will, der gar nicht da ist.
— Kommt der Hans heim und er red't noch wie heut', und du hast
ein' ehrliche Frag' — ich halt dich nit auf. Jetzt weg mit dem Wisch
da, den brauch' ich nit!"

Glückselig erfaßte sie das Papier und seine Hand zu Dank und
eilte ihrem Hofe zu.

Am nächsten Sonntag besorgte der Vatermann das Antwort-
schreiben in ihrem Namen:

„Lieber Hans!

Das Schreiben lass' bleiben. Kommst heim, bist brav, sollst
mich haben. Margaretha Krautwascherin."

Wie war sein Brief so gut und treu und „gottsunmöglich schön,"
und wie war diese Antwort so kurz und kalt. Die Gretl litt viel
Marter und Pein, aber sie vermochte nichts über den Alten, nur daß
sie noch heimlich zwei Blümlein in den Brief zu schmuggeln verstand.
Ein Vergißmeinnicht und eine brennende Lieb'.

2. Iuliheft 190z

377
 
Annotationen