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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

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Heft 20 (2. Juliheft 1903)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0486

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gibt uns Thoma ein Menschenpaar
der Gegenwart vor einem sonnenüber-
strahlten Flutztal; in der poetischen
Auffassung erinnert das Bild an seine
besten Sachen, wenn es auch nicht ganz
das Einheitliche dieser besten Werke
in der malerischen Durchführung hat,
Auch Haider lätzt heuer, in seiner
Mondnacht über dem Gebirgssee we>
nigstens, (das andere Bild ist mir zu
starr) wieder einmal etwas sehen, was
sein Naturempfinden in frischerer Dar-
stellung zum Ausdruck kommen lätzt,
als die Bilder der letzten Jahre,

Endlich sei Dill erwähnt, der
seinen doch wohl stark von den Schotten
beeinflutzten koloristischen Schmuck-
stücken neuerdings einen weiteren Reiz
dadurch verleiht, dah er statt des Nebel-
dämmers, den er sonst bevorzugte, ge-
schmackvoll arrangierte Motive klarer
hervortreten läßt. Die Wiedergabe
unmittelbarer Natureindrücke erstrebt
Dill ja nicht, er gibt immer in beson-
derem Sinne eine „dekorative Kunst",
und zwar eine so überaus „feine", datz
sie für mich persönlich etwas mehr, als
mir lieb ist, von Saloneleganz an
sich hat,

Vielen eine bittere Enttäuschung
werden zwei „Phantasiemaler" bereiten,
die von unsern Optimisten schon längst
als überragende Genies abgestempelt
worden sind, Als ich vor acht Jahren
im Kunstwart zum ersten Mal auf die
Lächerlichkeit hinwies, den Größten
unserer Zeit, einem Klinger und Böcklin,
einen Künstler wie Stuck an die Seite
zu setzen, der bei all seinen überraschend
reichen Ausdrucksmitteln und bei
seiner brillanten satirischen Begabung
in seinen ernsteren Bildern so wenig
tieferen seelischen Gehalt blicken läßt —
da fand ich fast überall Widerspruch.
Das erste Jugendfeuer, mit dem der
vielseitige Anempfinder die Anregun-
gen unserer gestaltenreichen Kultur auf-
nahm, täuschte damals noch, zumal
bei der blendenden Eigenart seiner
künstlerischen Persönlichkeit in engerem

Sinn, über den Mangel an höherem
seelischem Eigenempfinden, Und jetzt?
Man betrachte sich einmal diese gleich-
gültige Christus-Schablonenfigur, die
er in der Sezession auf dekorativwun-
dervoller Marmorfliese etwas Böck-
linschenAngedenkens ausstreckt! Bringen
es doch selbst die betrübt sein sollen-
den Puttchen, nicht über die Fadheit
hinaus zu irgend wie deutlicheren
Reizen! Oder die „Susanna" im Bade I
Hier hätte auch ichvon derausgeprägten
Sinnlichkeit und dem kaustisch satirischen
Humore Stucks eine stärkere Tempera-
mentsäußerung erwartet und wie matt
empfunden ist diese hilflos Ueberraschte,
wie ist bei den auf sie niederblickenden
Männern auf jede weitere als ganz
äußerliche allgemeine Charakteristik ver-
zichtet, Ganz auf dem Gebiet der
Genremalerei die mit der Süße und
Lieblichkeit ihrer Motive bestrickt, be-
wegt er sich dann mit dem „Gefesselten
Kentauren*. Für mein Gefühl wenig-
stens steht es seelisch auf gleicher Höhe,
ob einer einen lächelnden Grotzpapa
von seinem lüchelnden Enkelein mit
„Kindlesbrei" füttern, oder ob er einen
schmunzelnden Kentaurenalten von
einem schmunzelnden Amorettenknäb-
lein an Rosenketten daherlenken lätzt.
Beide Male scheint mir die Natur mit
einer in koketter Selbstbespiegelung
lächelnden Sützigkeit gefälscht, die
auf jeden ehrlichen Magen übel wirken
mutz. Hier erscheint Stuck geradezu
wie der nachträgliche Nachahmer seines
eigenen Nachahmers, des Jdyllenwitz-
malers Hengeler, wie er andrerseits in
der allegorisch humoristischen „Liebes-
schaukel" dem Einflutz des ursprünglich
von ihm beeinflußten Julius Diez un-
terliegt, so sehr sogar, datz er selbst
spezifisch Diezsche Gesichtstypen nicht
ganz mehr vermeidet. Was kann es
helfen, daß dem Maler die glänzenden
Mittel, um diesem geringwertigen Ge-
halt zum Ausdruck zu verhelfen, sein
Formenverständnis, sein dekorativer
Sinn, bei aller Flüchtigkeit seiner

SIO

Runstwart
 
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