Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

DOI Heft:
Heft 20 (2. Juliheft 1903)
DOI Artikel:
Rundschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0487

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
neueren Arbeiten in alter Fülle zu
Gebote stehn? Mag es immerhin
„Fachleute" geben, denen ein grotzer
Künstler schon ist, wer Dekorations-
stücke von äuherster Seichtheit mit ver-
blüffendem Können herstellt!

Ebenso konsequent abwärts auf
der schiefen Bahn scheint's mir mit
einem anderen, dem überausgeschickten
Techniker Hodler zu gehn. Dieses
französischen Schwetzers brüllender
„Tell" zeigt kein lebendig stilisiertes
Menschenantlitz mehr, nur eine holzge-
schnitzte Maske noch ist's, die in aben-
teuerlichen Formübertreibungen und
mit rohen Verzerrungen eine „bedeu-
tende" Charakteristik zu erzwingen sucht,
zu der es durch innere Beseelung nicht
zulangt. Und seine „Empfindung" und
„Bewunderung",allegorisch-symbolische
Frauengestalten im Grünen. zeigen
ihn auf jener aussichtslosen Jagd nach
der „Unschuld", zeugen von jenem be-
kannten Umschwung, der grade die
raffiniertesten Kulturmenschen in skla-
vischer Anlehnung an die unvoll-
kommenen, konventionell gebundnen
Ausdrucksformen primitiver Zeitalter
das Heil erblicken läßt. Das mutz
dann freilich, da keiner im Grunde
seine innerste Natur verleugnen kann,
zu einer abstoßendenGesuchtheit führen.

Gelungene phantastische Karika-
turen humoristisch satirischen Beige-
schmacks liefert Ernst Stern. Hyper-
moderne Männlein und Weiblein z.
B. weiß er in ungemein weihevoll
rhythmischen Bewegungen zu schildern.
Freilich scheint er mit seiner Kunst
dem Verfall, über den er spöttelt,
selber nicht ganz fern zu stehn.

Zum Schlutz endlich will ich
noch den vorzüglichen Geflügelmaler
Hubert von Heyden erwähnen,
der uns das Seelenleben und Gebahren
des Federviehs in technisch trefflichen
Darstellungen nahe bringt. Wohl haf-
tet seinen meisten Sachen etwas Skiz-
zenhaftes an, aber wenn ich auch den
Artunterschied zwischen einer Skizze

und einem vollausgeführten Bilde
nicht verkenne, so sehe ich doch nicht ein,
warum ich mich abhalten lassen soll,
dem geschickt flüchtigen Festhalten des
flüchtigen Moments eben auch einen
Reiz abzugewinnen.

Leopold lVeber.

G Aus Karlsruhe wird uns zu
der Notiz in unserm zweiten Junihefte
von besonders werter Hand geschriebcn:
„Erst heute bekam ich, da ich längere
Zeit verreist war, die letzte (2. Juni)
Nummer des Kunstwarts in die Hand
und fand darin die Ansicht des Karls-
ruher MarktplatzeS. Da mich nun zu-
fällig ein paar Stunden später der
Weg über diesen Platz führte, sah ich
zu meiner Ueberraschung, datz nicht
nur die Trinkbude, sondern auch das
Wetterhäuschen entfernt worden sind,
und zwar letzteres augenscheinlich erst
vor kurzem. Somit ist zur Zeit der
Vorwurf, den der Artikel des Kunst-
warts »Zur ästhetischen Kultur« erhebt,
nicht mehr zutreffend, zumal auch keine
anderen »Errungenschaften derNeuzeit«
an die Stelle der beiden getreten sind.
Aber — leider kommen jetzt mehrere
Aber — auch in anderer Beziehung
stimmt die Abbildung nicht mit der
jetzigen Wirklichkeit überein: Das Eck-
haus links am Eingang in die Straße
(auf der Abbildung gerade hinter dem
Brunnendenkmal) steht schon seit
mehreren Jahren nicht mehr, sondern
hat dem »Bezirksamt«, einem prunk-
haft modern-barocken »Renaissance-
bau«, weichen müssen, der nicht nur
die Einheitlichkeit des architektonischen
Bildes, die wundervolle Ruhe, zerstört,
sondern auch an sich einen recht un-
glücklichen Eindruck macht. Zu Seiten
der Rathaustreppe (im Bilde ganz
rechts) sind ferner vor etwa zwei
Jahren zwei bronzene allegorische
weibliche Figuren aufgestellt, die nur
nach dem Sprichwort vom geschenkten
Gaul eine künstlerische Berechtigung
haben. Eine entsprechende Ausschmück-
ung der drei Giebelfelder des Rat-

2St

2. Iuliheft tS03
 
Annotationen