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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

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Heft 21 (1. Augustheft 1903)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0542

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nicht das „Grotzstädtische"ist,was wir
hier drautzen suchen, rvo doch nun ein-
mal keine Grohstadt ist und wo des-
halb solche Versuche nie zu was rech-
tem führen können, sagen wir ihnen,
dah wir vielmehr uns gerade an dem
erfreuen, was aus dem Orte selber
herausgewachsen, was Leben von
seinem Leben ist, Dah wir saubere
einfach gestrichene Stuben mit kleinen
gemütlichen Fenstern und offenen Holz-
balken schöner finden, als dünnest-
maurige höhere mit Ramschtapeten von
Müller L Kohn, „Pallastfenstern und
Flügeltüren" der billigsten Bauholz-
warenfabrik und schwebenden Papier-
mache-Torten an den Deckcn, derbe
Tische auS freiliegendem Holz lieber als
Wertheimsche echt imitierte lackierte mit
Geschwüren an den Beinen, Häuser, die
zu den andern passen, lieber, als solche,
die hier als „was Extraes" angestaunt
werden und aus dem Baugewerkschulen-
Musterbuche stammen. Mögen uns
unsre Wirte auch für verrückt halten,
sagen wir's ihnen doch, wir sind für sie
die Konsumenten, wir haben Einflutz,
und unser und unsrer Vorfahren Schuld
ist es, datz ihnen selber der Geschmack
genommen worden ist. Aus der Stadt
kam die Krankheit, aus der Stadt
müssen vorläufig noch die Aerzte oder
müssen wenigstens die Warner gegen
die Krankheit kommen. Und sagen
wir den Landbewohnern auch, datz
wir in ihre Gegenden kommen, weil
sie sind, wie sie sind, nicht, wie sie sich
vielleicht „machen", besser: zuputzen
und umfrisieren liehen. Was ist in
manchen Ortes köstliche Umgebung
schon hineingepfuscht worden, indem
man „Promenaden", „Ruheplätze",
„Zierbänke" usw. anlegte, während
keiner Obrigkeit zu hindern beikam, dah
die schönsten Baumgruppen weggefällt,
die schönsten Aussichten mit Nutzholz-
fichten verklebt, die stillsten Fleckchen mit
Reklametafelndurchschrieenwurden.Wir
haben jetzt Macht in Deutschland, wir
sind eine Macht — betätigen wir's. A.

«> Nochmals der FallPudor.

Dr. tzeinrich Pudor haben wir
bisher im Kunstwart mit so viel
Schonung bchandelt, wie seine Eigen-
heiten nur irgend zuliehen. Als er
sein Doktordiplom zurückschickte, sich
tzeinrich Scham nannte, für „nackende
Menschen" eintrat, die von der Luft
loben s ollten,und „ Einer-Ausstellungen"
veranstaltete, haben wir ihn in Fricdcn
gelassen, denn all das war seine
Sache, schadete Niemand, erheitcrte
Viele und geschah zudem mindestens
nicht erweislich nur, um kost' es
was es wolle von sich reden zu machen.
Heinrich Scham verschwand dann aus
der Oeffentlichkeit, und er blieb auch
verschollen; dann nach Jahren tauchtc
wicdor Heinrich Pudor auf. Der kam
mit Aufsätzen, in dencn oft ganz
Hörenswertes ruhig gesagt wurde, und
so waren wir unter den ersten, die
ihrem Verfasser halfen, ein neues Leben
als vernünftiger Mensch zu beginnen.
Schade, datz es dabei nicht bliebl
Schade, dah bald der Verdacht neue
Nahrung bekam: dem Manne liegt es
an weiter nichts, als an der Propa-
ganda seiner selbst — so dah wir auf
seine Mitarbeit verzichten muhten.
Schade, dah uns dann als unwider-
legliche Zeugnisse für die Art scincs
Schriftsteller-Geschäft-Betriebes jener
Briefwechsel unterbreitet werden konnte
(Kw.XVI, t»), der bewies, dah Hein-
rich Pudor zum öffentlichen Schädling
wurde, gegen den ein öffentliches Ein-
schreiten not tat. Trotzdem hofften
wir noch, die weiteren Erörterungen
über ihn auf die Fachpresse beschränken
zu können, die zu den unmittelbar
durch ihn Gefährdeten sprach. Wir
wollen auch heute davon nicht abgehen,
verweisen vielmehr abermals auf die
„Werkstatt der Kunst". Aber um die
Aufmerksamkeit abzulenken, verleum-
det jetzt Pudor den Kunstwart. Nun
müss en wir darüber auch unsere Leser
etwas hören lassen.

Pudor also wagt die Behauptung,

x. Augustheft tgoz
 
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