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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

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Heft 23 (1. Septemberheft 1903)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0635

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durchaus deutsches Werk, keine bloße Uebersetzung mehr, der man in
vielem den französischen Ursprung noch anmerken mußte, vielleicht
sollte, sondern eine Dichtung, wie das Original eine solche ist,
in voller Sprachfreiheit aus dem, Gobineau so verwandten deutschen
Geiste und daher auch noch lebensvoller, noch überzeugender und un-
mittelbar wirksamer geschaffen. Es ist beim Erscheinen dieser »neuen
durchgesehenen und verbesserten Ausgabe« der »Renaissance« bei K. I.
Trübner in Straßburg viel zu sehr nur auf die augenfälligen Ver-
besserungen im Aeußerlichen gedacht, das schöne vornehme Gewand,
die Drucker- und Buchbinderarbeit betont worden, also etwa das,
was den höheren Preis (Mk. 5.—, geb. Mk. 6.50), die schwerere Käuf-
lichkeit rechtfertigen mag; was aber an geistiger Arbeit in dem Buche
steckt, hat eigentlich nur erst Prof. Rudolf Schlösser in den »Bayreuther
Blättern« durch seine fleißige Zusammenstellung der hauptsächlichen
Unterschiede beider Uebertragungen deutlich erkennen lassen. Man er-
sieht daraus, mit welcher Feinheit des Verständnisses sowohl für die
Dichtung wie für die Sprache der Verdeutscher, der so ganz in seinem
Gegenstande lebte, diesem in jedem Zuge seiner Wiedergabe das reiche
und freie geistige Leben zu verschaffen gewußt hat, welches jene
poetische Wiedergeburt der Renaissancezeit durch Gobineau auszeichnet.
Auch sind bei dieser Gelegenheit sorglose Flüchtigkeiten des Dichters
unmerklich berichtigt und frühere kleine Ungenauigkeiten in der Deu-
tung fremder Bezeichnungen beseitigt worden, sodaß man jetzt nicht
nur ein ganz deutsches, sondern auch ein ganz fehlerloses Buch liest.
Jedenfalls hat man ein Werk erhalten, welches der innern Vornehmheit
des Originales nicht allein durch sein würdiges Aeußeres, vielmehr
gerade durch den geistigen, sprachlichen, literarischen Wert der darin
geleisteten Arbeit voll entspricht. Hat man es an Gobineau als
charakteristisch hervorgehoben, daß er selbst, als ein vornehmer »Dilet-
tant« an vielseitiger Begabung einem Renaissance-Menschen geglichen
habe, so darf man es auch von seinem Uebersetzer sagen, es habe
ihm gut getan für die glückliche Lösung seiner eigenartigen Aufgabe,
daß er nicht nur ein auf sein Sonderfach beschränkter Gelehrter, ein
der philosophischen Wissenschaft akademisch Beflissener, sondern ein
sreier geistiger Arbeiter mit weitem Kulturhorizont und ebenso künst-
lerischem wie literarischem Sinne, vor allem aber ein Mann gewesen,
der seinen Gegenstand »mit Liebe« erfaßte und so seinen Landsleuten
ans Herz gelegt, zum Bewußtsein geführt hat. Einer solchen Tat
schulden wir aufrichtigen Dank; sie erhebt sich über alle schönen
Renaissance-Eigenschaften zu moralischem Werte, jenem immer-
dar höheren Werte, dem wir innerhalb der glänzenden Szenen Go-
bineaus einmal beim fernen Auftauchen der ersten Erscheinung unseres
Luther, nur ahnungsvoll, als einem Geiste frommer Wahrhastigkeit,
das andere Mal zum Schlusse in der verklärten Persönlichkeit des
letzten Künstlers Michelangelo, Aug' in Auge, als einem Geiste er-
habener Güte in seiner Vollendung begegnen. Und daß auch dies
Geist vom Geiste Gobineaus ist, wollen wir dabei nicht vergessen."

Um eine Anschauung von der neuen Schemannschen Bearbeitung
zu geben, reihen wir nun nach ihr eine Anzahl von Szenen an-
einander. Es sind diejenigen aus der Abteilung „Julius II.", in

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Kunstwart
 
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