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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

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Heft 23 (1. Septemberheft 1903)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0636

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denen der Papst selber auftritt. Für Leser, die etwa von Gobineaus
„Renaissance" überhaupt noch nichts wissen, drucken wir zur Kenn-
zeichnung des Geistes, der in dem ganzen Werke lebt, noch die allerletzte
Szene des Ganzen nach der neuen Bearbeitung ab.

Iulius II.

(Rom. Ein Zimmer im Vatikan.)

Julius II. Du bist nur ein Künstler, aber ich, der ich er-
gründe, welcher Kraft des Geistes es bedarf, um Wesen von Stein
zu schaffen und ihnen das Leben einzuhauchen, ich will zu dir reden
wie zu meinesgleichen.

Bramante. Auch ich, allerheiligster Vater, begreife das Werk,
das Jhr ausdenkt.

Julius II. Du begreifst die Schwierigkeit, Ordnung zu stiften
in den Trümmern, die barbarische Jahrhunderte und die Ruchlosig-
keiten meines Vorgängers über Jtalien aufgehäuft haben. Dies be-
jammernswerte Land ist ärger beschmutzt, als die Ställe, für die
es eines Herkules bedurfte. Zwischen eingestttrzten Steinen, Gedörn
und giftigen Kräutern gefallen sich, blähen sich Schlangen und Kröten,
und dennoch, Bramante, dieser Schutt, dies unsaubere Dickicht, es
sind die geheiligten Ueberreste einer herrlichen Vergangenheit! Jch
will sie in ein Paradies verwandeln, so schön wie das der Heiligen
Schrift.

Bramante. Ein solches Werk wird seinen Schöpfer mit
Ruhm bedecken.

Julius II. Aber du und ich, wir sind alt. Für die Voll-
endung der Aufgabe ist es spät. Die Zeit ist uns zugemessen;
da heißt es, uns eilen. Wir müssen unsere Pläne auf den ersten
Wurf fassen, sie mit einem Schlage ausführen, ohne Schwanken, ohne
Abwarten, mit diesen unseren Händen, die bald vor Altersschwäche
zittern werden. Schaffen wir viel, schnell, Starkes, Gutes, Gewal-
tiges, vernichtend für das Böse, das es zu unterdrücken gilt. Hilf
mir mit ganzem Herzen und mit deiner ganzen Kraft.

Bramante. Jch will mich dem mit voller Seele widmen.
Der Himmel mag mich strafen, wenn ich meine Mühe beklage!

Julius II. Während ich vertilge was von den kleinen
Tyrannen der Romagna übrig ist, und die Macht des heiligen aposto-
lischen Stuhles für immer begründe, ja, während ich nicht eine Ge-
legenheit verliere — ich schwöre es dir —, die Barbaren in unserer
Heimat mit der Wurzel auszurotten, Spanier wie Franzosen, Deutsche
wie Schweizer vertreibe, und das mit Feuer und Schwert, mit dem
Banne und allen Blitzen aller Flüche der Kirche. . . Jch will Ge-
walt so wenig wie Gewissen dabei sparen! Denn versteh' mich wohl,
mein Sohn! Es gibt Zeiten, wo die Gewissenszweifel gut für den
Beichtstuhl, und an anderer Stelle frischweg strafbar sind, indem die
Tugend einzig im Gelingen besteht — während ich, wie ich dir sage,
mit nichts spare, gebe ich dir, Bramante, auf, dafür Sorge zu tragen,
daß das Feuer des Geistes zum Scheiterhaufen werde, so flammend,
daß die Unwissenheit und die Roheit der vergangenen Zeitalter darin
verzehrt werden, und daß seine Glut so weit hinaus erglänze, daß

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