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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 26.1916

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Heft 4
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Röttger, Karl: Jesus als Kind: Legende
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Lang, Elisabeth: Das Bohnenlied
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https://doi.org/10.11588/diglit.26490#0150

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Jesuö als Kind.

und tat sie hinein. Ging abermals fort und holte ein
ander Tuch voll. Und so zum drittenmal. Und da er
zum dritten Male heimkehrte, lag der kleine Jakobus
auf der Hausschwelle und fragte: Jesus, was trägst
du da? Jesus blieb stehen und lachte ihn an und sprach:
Etwas sehr Schönes. Laß sehen, sprach Jakobus. Jesus
sprach: Verrate es nicht den andern, sag es auch nicht
zur Mutter oder zum Vater: Sieh her, es ist lauter
Sonne, die ich mitbringe .... Jakobus griff hinein
und sagte: Ach, dürre Blatter. — Sieh nur erst hin,
sprach Jesus. Und Jakobus sah hin und sah: sie waren
sehr schön. Ei, du hast recht, sprach er; sie sind sehr
schön und leuchten wahrhaftig wie die Sonne. — Die
wollen wir bewahren, daß wir in den trüben Tagen damit
spielen und Sonne haben im Haus. — Und er trug sie
hinein.
Jakobus aber konnte sich nicht enthalten, an einem
der Tage zu Maria zu sagen: Jesus hat Sonne ins Haus
geholt für die trüben Tage, daß wir damit spielen. Maria
verstand ihn nicht und fragte: Was meinst du? Da zeigte
er ihr die Lade, und da Maria sie aufzog, lagen lauter-
dürre Blatter darin. — Da stand sie davor und sah,
sie waren alle sehr schön, und der Blick ging ihr auf und
sie mußte lächeln und sie sprach bei sich selber: auch das
ist wohlgetan. Dann sprach sie laut zu ihrem Kinde:
Sag es niemand, mein Sohn, ich bitte dich darum,
auf daß Jesus sich nicht schäme. Sieh, es sind wohl
schöne Blätter alle; bunt von Farbe und leuchtend.
Wohl, du darfst mit Jesus damit spielen, wenn die trüben
Tage kommen und wenig Sonne im Land ist.
*
*
Jesus aber hatte in seiner Einsamkeit eine herbe
Scheu vor denen, die um ihn waren; — vor seinem Vater
und seinen Brüdern. Denn schon wuchs sein Herz,
das so groß werden sollte (nach Gottes Ratschluß), daß
es alle Welt umspanne.... Und also mußte ihm all-
mählich alles Ferne und Fremde im Leben und in der
Welt um ihn so nahe kommen, wie seine Angehörigen
waren .... Doch liebte er seinen Vater und seine Brüder
darum nicht weniger; nur daß er eben — scheu war
und wohl manchmal ungeschickt war, seine Liebe zu
zeigen .... '
Jesus ging eines Tages hinaus auf das Feld und
band einen Strauß von Gräsern und Blumen und kam
heim und stellte den Strauß in einen Napf mit Wasser
und trug ihn in die Schlafstube und stellte ihn zu Häupten
des Lagers von seinem Vater; und niemand sah es.
Es war aber das Wochenfest, und Jesus dachte, der Vater
wird sich freuen, wenn er es sieht. — Aber der Vater,
der an den Tagen frühe aufstand und abends spät
schlafen ging, sah den Strauß nicht, und das währte ein
paar Tage, und das Fest war schon vorbei. Jesus aber
trat jeden Tag in die Schlafstube, wenn niemand das
sah, und sah nach dem Strauß und sah, er fing an, schon
welk zu werden; und da nahm er ihn und tat neues Wasser
in das Gefäß. Danach stellte er ihn wieder hin. Und als
er das an einem Tage wieder tat, sah es seine Mutter-
Maria, die leise hinter ihm stand; ging leise zurück und
trat zu Joseph in den Hof und sprach zu ihm: Unser Sohn
hatte dir einen Strauß zum Kopfende deines Lagers
gestellt; und wir haben dessen nicht geachtet; nun gibt
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er dem Strauß neues Wasser, daß er dauern möge,
bis wir ihn sehen. — — Da hielt Joseph inne nut der
Arbeit und sprach: Schön, daß du es,mir sagst. Daran
sehn wir, daß seine Liebe noch bei uns ist — wie tief er-
sieh auch manchmal verschließt in seiner eigenen Seele —
oder mit den Sinnen uns entweicht in die blaue Ferne.
Und am Abend trat er zu seinem Sohn in der Däm-
merung, als der an die Hauswand gelehnt saß, und sprach
leise zu ihm: Der Strauß, mein Sohn, der in der Kammer
steht, ist wohl schön; wie schön wird er gewesen sein,
als er noch frisch und duftend war; es tut mir leid, daß
ich ihn nicht früher sah. — Jesus hatte bei den Worten
des Vaters das Gesicht in die Hande gelegt; so sah der
Vater nicht, wie er rot war im Gesicht und sich seiner
Freude fast schämte; auch war die Dämmerung da,
daß es der Vater vielleicht auch ohne die Hände nicht
gefehen hätte.
Als Jesus noch schwieg, fragte er nach einer Weile
und legte ihm die Hand auf den Kopf: Du bist so still.
Zürnst du? Da sagte Jesus: Nein — das nicht. Wenn
es dir Freude macht, will ich vielmal dir Sträuße holen
von: Feld. — Darauf schwiegen sie beide. f60lst
Bohnenlied.
Von Elisabeth Lang.
Als der alte Herr Knüllhuber zum siebenten Male
den Berg bestieg, lagen die beiden Bohnenkerne noch
immer auf dem schmalen Weg, fest und hellblinkend,
zwischen dem spärlichen Gras auf der rotbraunen Erde.
Er erinnerte sich, daß, als er sie das erstemal gesehen, er
nichts weiter gedacht hatte. Aber nun dachte er folgendes:
„Lasse ich sie weiterhin liegen, so weiß ich nie, da der
Winter herannaht, wenn ich diesen Weg nicht noch ein-
mal wandle, was aus ihnen geworden ist — ob sie etwas
tun, was sie tun und warum sie es tun — wenn sie über-
haupt dazu kommen, etwas zu tun. Denn auf dem harten
Weg, ohne Sonne und die gegebene Jahreszeit, ist es
schwer, Wurzel zu fassen und zu grünen, zu welchem
Awecke sie doch offenbar von den Feldern hergewandert
oder am Ende verloren worden sind. Vielleicht sie er-
frieren, vielleicht eine Wildkatze, vielleicht ein Nachtkauz,
eine Fledermaus oder sonst übles Getier knappert sie an
— beunruhigt zum mindesten ihr stilles Dasein, das ich
doch sechsmal so nichts ahnend umgangen habe."
Und er tat seine Brille auf die Nase, bückte sich, nicht
ohne Not, und betrachtete die Fraglichen sehr angelegent-
lich. Sie waren groß und gesund, sahen einander jedoch
nicht ähnlich. Die eine war von grünlich-weißem Grunde,
dunkelrot gesprenkelt, wie Feuerbohnen sind; die andere
war kleiner und wachsweiß von beiden Seiten und ent-
sprach in ihreni Äußeren einer Wachsbohne. Und sie
lagen da wie zwei verirrte Kinder auf dem Weinberg-
weglein mutterseelenallein. Nun drehte er sie mit der
Spitze seines Stockes um, und da sich dabei nichts Zauber-
haftes ereignete, bückte er sich noch tiefer und nahm sie
mit den Fingern auf.
Aber erst als sie in der Tiefe seiner Westentasche ver-
schwunden waren und daselbst warm und sicher ruhten,
war ihm wieder wohl. Er besah den Weg, auf dem nun
 
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