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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 26.1916

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Heft 5
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Edschmid, Kasimir: Der Bildhauer Fritz Huf
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https://doi.org/10.11588/diglit.26490#0172

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Der Bildhauer Fritz Huf.

mentaren Produktionswillens in die Kunstform, und
dem Sichverlieren in merkwürdig visionäre Traum-
schöpfungen. Diese beiden Formen gehen nebenein-
ander, scheinbar unzugehörig: subtilste fast verschwommene
Sehnsucht nach irgendeinem imaginär seelischen Aus-
druck und die Äußerung einfach brutaler Gewalt.
Die Betrachtung der Phantasie- und Traumformen
anderer zeitgenössischer Pla-
stiker zeigt sofort aber einen
fundamentalen Unterschied.
Bei ihnen wird das Visio-
näre in der Regel sich nach
der völligen Auflösung zum
Krankhaften, Ubersensibeln
hinabneigen, während es
bei Huf aufsteigt nach den
Begriffen Rausch, transzen-
dente Sehnsucht . . . also
zur Stärke gravitiert und so
dem Zentrum seines inne-
ren Schaffens wieder nahe-
kommt. Die Träume Hufs
sind die eines Muskel-, nicht
eines Nervenmenschen. Das
nutzt ihrem Pathos, stört
aber ihre Ergriffenheit nicht.
Wie hinter einem ver-
schleierten Gitter erscheint
die merkwürdige Versenkt-
heit dieser Arbeiten. Gleich
einer somnambulen Trauer,
schwer entrückt und doch
wieder gegenwärtig in al-
lem wirkt die Bronze-Im-
pression des Frauenkopfes.
Es ist etwas Hellsehendes,
etwas, das sich wiegt zwi-
schen tatsächlichem Sein,
Traum und übermenschlicher
Ferne, zugleich ein Dro-
hendes in diesem Frauen-
kopf. Das Haar formt sich zu
schön geschlossener Masse,
dem Gesicht Relief gebend
und es ein wenig nach rück-
wärts ziehend. Geschickt ist
eine Lichtpartie geschaffen,
von der aus alles wieder
in tiefes Verschleiertsein sinkt,
um hier und dort wieder
leicht sich zu erhellen. In
diesem Spiel des Lichts auf
der Bronze liegt sinnbildlich
das ganze Rätselhafte des Kopfes. Ähnlich in der Wir-
kung ist die Impression eines phantastischen Frauenkopfes,
der nur statt dem Dunklen und Ungewissen eine bedroh-
liche Atmosphäre ausstrahlt, übersinnliche Süße und
Klarheit, dabei groß und ernst. In berauschenden Takten
tritt das visionär Starke in der kleinen Statuette einer
Tanzenden hervor, die in einem gesteigerten Taumel
sich dreht, in die Knie geknickt. Arme geöffnet, und das

Haupt, sehr verhüllt, mit unsagbarem Ausdruck zur
Seite wirft. — Diese Arbeiten weisen sich trotz ihrer
inneren Bewegtheit ruhig und geschlossen gegen die
mehr äußerlich bewegten seiner romantischen Art. Sie
sind mehr plastisch im guten Sinn. Eine gute Plastik
heroischer Art heißt mit am wesentlichsten: inneren
Sturm durch äußere Ruhe dartun. Wenigstens liegt
auf dem Wege dahin die
Wahrheit.
Huf hat sehr viele Por-
träts geschaffen; es vereini-
gen sich hier zwei Fähigkeiten,
die oft nur getrennt zu finden
sind. Er benutzt den Sujet-
kopf nicht als Anlaß zu irgend-
welchen plastischen Kaprio-
len, hinter denen vielleicht
noch eine undefinierbare
Spur des Modells dämmert,
er begnügt sich anderseits
auch keineswegs mit Ähnlich-
keit. Er schafft eine Syn-
these, ein Untrennbares aus
beidem: eine eigenwillige
Schöpfung aus den charakte-
ristischsten Formen des Su-
jets, einen glänzenden Nie-
derschlag von Seele und
Linien. So unter anderem
die Köpfe Spittlers, des
Malers Soldenhoffs, Otto-
mar Starkes, der Lasker-
Schüler.
Von ganz besonderem
Reiz ist das Porträt des Dich-
ters Franz Werfel, dessen
unendlich rührende Seele
von ungeheueren Inbrünsten
durchtobt ist, von grenzen-
loser Hingabe an das All,
das kleinsteDing aufgreifend,
es beseelend und treibend,
bis es die letzten Ränder ver-
zückter Seligkeit erreicht.
Hier ist noch keine Spur von
reinflächiger Behandlung,
kein Hauch von Linearität,
die der erpressionistifchen
Ausdrucksform dienen. Hier
ist alles noch grandioser Auf-
bau von zusammenstoßen-
den, ineinander übergreifen-
den Partien, Rissen, Falten.
Das ganze Gesicht ist überjagt von einer Symphonie
von Geist, Denken und Rausch. Der gesamte Ausdruck
sammelt sich nach der Stirn und läuft über die Schläfen.
Die Haare schließen sich im gleichen Rhythmus an.
Nun bringt das alles ja eine starke Unruhe in den Kopf,,
die Haarbehandlung ist sehr gefährlich, aber dies ist
nebensächlich vor dem größeren geistigen Moment,
das in der Plastik zutage tritt, nämlich: in all diesem

Fritz Huf. Weiblicher Torso.


iso
 
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