38 Das Jüngste Gericht
Apok. 20, 4. Und ich sahe Stühle, und sie setzten sich dar-
auf, und ihnen ward gegeben das Gericht.
Apok. 20, 12. Und ich sahe die Todten, beide, gross und
klein, stehen vor Gott; und die Bücher wurden aufgethan
und ein ander Buch ward aufgethan, welches ist des
Lebens. Und die Todten wurden gerichtet nach der
Schrift in den Büchern, nach ihren Werken. 13. Und das
Meer gab die Todten, die darinnen waren; und der Tod und die
Hölle gaben die Todten, die darinnen waren: und wir werden ge-
richtet werden, ein Jeglicher nach seinen Werken. 14. Und der
Tod und die Hölle wurden geworfen in den feurigen Pfuhl. Das
ist der andere Tod. 15. Und so Jemand nicht ward erfunden ge-
schrieben in dem Buch des Lebens, der ward geworfen in den
feurigen Pfuhl.
Selbst bei einem flüchtigen Überblick über diese Stellen wird
es Jedem sofort erkenntlich, wie unmittelbar Michelangelo sich von
der Bibel hat inspiriren lassen und wie genau er alle wichtigen auf
das Jüngste Gericht bezüglichen Stellen gekannt hat. Erkenntlich
aber 'auch, wie für seine Konzeption in Sonderheit das Alte Testa-
ment maassgebend gewesen ist. So wie er ihn darstellt, hatte
Jesajas den königlichen Richter am Tage des Zornes und Grimmes
und der Rache erschaut mit dem in furchtbarem Drohen ausgereckten
Arm: den Heerführer mit seinem grossen und mächtigen himm-
lischen Heer (1. Kön. 22, 19. Joel 2, I.), der seine starken Engel
zum Kampfe aussendet. Es ist ein Kriegszug, der auf dunklen
Wolken, dem Gezelte des Königs (Ps. 18, 5), unter Donner und
Blitzen furchtbar herannaht, von Posaunen und von Feldgeschrei
umdröhnt, nicht die Gerichtssitzung, welche in den Evangelien und
Episteln jener aus dem Alten Testament genommenen Vorstellung
gesellt wird. Michelangelo kehrt zu der Uranschauung zurück: das
Gericht als kriegerisch gewaltsamen Vernichtungsakt. Die nicht mit-
kämpfenden, aber miterlebenden Gefolgsleute sind die Ältesten seines
Volkes und seine Fürsten (Jes. 3, 14), sind die Heiligen (Ps. 50, 5),
alle Heiligen (Sach. 14, 5), — die Heiligen und Gläubigen, wie es
2. Thess. I, 10 heisst. Aus vielen Tausenden besteht ihre Zahl
(Judae 14). Und sie werden mit richten (1. Kor. 6, 2), sie werden
verdammen — werden doch selbst die Leute von Ninive und die
Königin von Mittag am Jüngsten Gericht auftreten und verdammen
(Matth. 12, 41). Es war aus dieser Stelle und aus der anderen
(Matth. 23, 35): „auf dass über euch komme alle das gerechte
Blut, das vergossen ist auf Erden" und aus der Erwähnung des
Moses „als Verkläger" bei Joh. 5, 45, dass Michelangelo das Motiv
seiner in die Handlung mit eingreifenden Märtyrer gewann.
Apok. 20, 4. Und ich sahe Stühle, und sie setzten sich dar-
auf, und ihnen ward gegeben das Gericht.
Apok. 20, 12. Und ich sahe die Todten, beide, gross und
klein, stehen vor Gott; und die Bücher wurden aufgethan
und ein ander Buch ward aufgethan, welches ist des
Lebens. Und die Todten wurden gerichtet nach der
Schrift in den Büchern, nach ihren Werken. 13. Und das
Meer gab die Todten, die darinnen waren; und der Tod und die
Hölle gaben die Todten, die darinnen waren: und wir werden ge-
richtet werden, ein Jeglicher nach seinen Werken. 14. Und der
Tod und die Hölle wurden geworfen in den feurigen Pfuhl. Das
ist der andere Tod. 15. Und so Jemand nicht ward erfunden ge-
schrieben in dem Buch des Lebens, der ward geworfen in den
feurigen Pfuhl.
Selbst bei einem flüchtigen Überblick über diese Stellen wird
es Jedem sofort erkenntlich, wie unmittelbar Michelangelo sich von
der Bibel hat inspiriren lassen und wie genau er alle wichtigen auf
das Jüngste Gericht bezüglichen Stellen gekannt hat. Erkenntlich
aber 'auch, wie für seine Konzeption in Sonderheit das Alte Testa-
ment maassgebend gewesen ist. So wie er ihn darstellt, hatte
Jesajas den königlichen Richter am Tage des Zornes und Grimmes
und der Rache erschaut mit dem in furchtbarem Drohen ausgereckten
Arm: den Heerführer mit seinem grossen und mächtigen himm-
lischen Heer (1. Kön. 22, 19. Joel 2, I.), der seine starken Engel
zum Kampfe aussendet. Es ist ein Kriegszug, der auf dunklen
Wolken, dem Gezelte des Königs (Ps. 18, 5), unter Donner und
Blitzen furchtbar herannaht, von Posaunen und von Feldgeschrei
umdröhnt, nicht die Gerichtssitzung, welche in den Evangelien und
Episteln jener aus dem Alten Testament genommenen Vorstellung
gesellt wird. Michelangelo kehrt zu der Uranschauung zurück: das
Gericht als kriegerisch gewaltsamen Vernichtungsakt. Die nicht mit-
kämpfenden, aber miterlebenden Gefolgsleute sind die Ältesten seines
Volkes und seine Fürsten (Jes. 3, 14), sind die Heiligen (Ps. 50, 5),
alle Heiligen (Sach. 14, 5), — die Heiligen und Gläubigen, wie es
2. Thess. I, 10 heisst. Aus vielen Tausenden besteht ihre Zahl
(Judae 14). Und sie werden mit richten (1. Kor. 6, 2), sie werden
verdammen — werden doch selbst die Leute von Ninive und die
Königin von Mittag am Jüngsten Gericht auftreten und verdammen
(Matth. 12, 41). Es war aus dieser Stelle und aus der anderen
(Matth. 23, 35): „auf dass über euch komme alle das gerechte
Blut, das vergossen ist auf Erden" und aus der Erwähnung des
Moses „als Verkläger" bei Joh. 5, 45, dass Michelangelo das Motiv
seiner in die Handlung mit eingreifenden Märtyrer gewann.