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Thode, Henry; Michelangelo; Michelangelo [Mitarb.]
Michelangelo: kritische Untersuchungen über seine Werke; als Anhang zu dem Werke Michelangelo und das Ende der Renaissance (Band 2) — Berlin: Grote, 1908

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Die Komposition und ihre Quellen 43

11. Dass die schlangenumwundenenFurien(Inf.IX, 34—60)
Einfluss auf Michelangelos Gruppen gehabt (die schlangen-
umwundenen Sünder entnahm er der älteren Kunst), dass er
durch das Gleichniss der wie Hunde sich auf die Seelen
stürzenden Teufel (Inf. XXI, 65 ff.) angeregt worden sei,
vermag ich nicht einzusehen. Ebensowenig dass, wie Stein-
mann will, die Szenen der Umwandlung von Mensch in
Schlange (Inf. XXV, §8 ff. 75 ff.) Motive abgegeben haben.
12. Der Sünder mit dem Kopf zwischen den Beinen
gegen Engel kämpfend wird von Kallab als Illustration
von Inf. VII, I IO—114 aufgefasst. Hier werden die Jähzornigen
im Kampfe mit einander geschildert, wie sie nicht nur mit den
Händen, sondern mit Kopf, Brust und Füssen sich stossen.
Hier, wie in einigen anderen Figuren der Gruppe des Freskos
könnte man wohl eine Ähnlichkeit finden. Aber ergaben
sich solche Motive nicht von selbst aus der plastischen Phan-
tasie des Malers?
13. Der Stürzende mit Schlüssel und Beutel wird von
Kallab und Steinmann als Nikolaus III. gedeutet (Inf. XIX,
13—87). Das erscheint mir doch sehr zweifelhaft. Durch
den Beutel als Geizige Charakterisirte sind typische Figuren
der älteren Höllendarstellungen. Die Schlüssel brauchen nicht
auf die kirchliche Würde, sondern können einfach auf den
verschlossenen Geldkasten gedeutet werden. Bei Dante steckt
der Papst kopfüber im Brunnen. Der Sturz kopfüber kann
aus bloss künstlerischen Rücksichten dargestellt worden sein.
14. Der von Schlangen umwundene nach unten Ge-
zerrte soll nach Kallab frei nach den Versen Inf. XXIV, Ii2ff.
geschaffen worden sein. Der Vanni Fucci Pistojese, der hier ge-
schildert wird, gehört zu den Dieben, die, von Schlangen
gebissen, verbrennen und dann wieder neu erstehen. Wo
ist hier die Beziehung? Der Schlangenbiss sagt doch Nichts:
das ist, wie schon erwähnt, ein altes Motiv auf Höllendar-
stellungen. Und die angeführte Stelle,
E qual e quei ehe cade, e non sa como,
Per forza di demon ch'a terra il tira,
O d'altra oppilazion ehe lega l'uono
ist von Kallab ja ganz missverstanden worden!! Es handelt
sich hier um einen Epileptischen (vom Dämon Besessenen),
der zu Boden stürzt und dann, wieder zum Bewusstsein
kommend, in Verwirrung seufzt! —
15. Der Teufel, den Sünder auf der Schulter tragend.
Hier kommen wir endlich zu einem Fall, wo wir eine be-
 
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